Erbschleicherei ist eine Thematik, die in den letzten Jahren verstärkt in unserer Beratungspraxis eine Rolle gespielt hat. Mal ist es der Nachbar oder die Nachbarin, die zum Erben eingesetzt werden, mal die Haushaltshilfe, der Gärtner oder Zufallsbekanntschaften. Auch Vertrauenspersonen, wie Ärzte, Steuerberater oder Rechtsanwälte tauchen manchmal in Testamenten als Erben auf und lassen die Verwandtschaft ratlos zurück. Erst gestern hatte der Verfasser wieder ein Beratungsgespräch, weil der verwitwete und kinderlose Erblasser, der zunächst in einem notariellen Testament seinen jüngeren Bruder zum Alleinerben für ein Millionenvermögen eingesetzt hatte, dieses kurz vor seinem Ableben durch ein privatschriftliches Testament ersetzt hat, in dem er einen Steuerberater zum Alleinerben eingesetzt hat. Die besondere Note bekommt der Fall dadurch, dass sie sich dabei nicht etwa um einen langjährigen Weggefährten des Erblassers gehandelt hätte, sondern um einen Steuerberater, den der Erblasser erst gut ein Jahr vor seinem Ableben auf Vermittlung seines Gärtners kennengelernt hat … Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte eines solchen Falles und geht der Frage nach, inwiefern die Einsetzung eines kürzlich kennengelernten Steuerberaters zum Alleinerben rechtlich anfechtbar ist.
Testierfreiheit
In Deutschland gilt die Testierfreiheit. Diese ist Ausfluss des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 GG. Dies bedeutet, dass jeder durch Testament die Verteilung seines Nachlasses, grundsätzlich frei bestimmen kann. Durch ein formgültiges Testament, das privatschriftlich oder notariell errichtet werden kann, kann hierdurch die gesetzliche Erbfolge zulasten der Verwandten verändert werden. Eine Mindestbeteiligung am Nachlass nur über das in den § 2303 ff. BGB geregelte Pflichtteilsrecht für den Ehegatten und Verwandte in gerader Linie vor. Nachdem es in Deutschland kein gesetzliches Verbot gibt, einen Steuerberater als Erben einsetzen, ist also per se ein solches Testament wirksam.
Form beachtet?
Im Rahmen der Testierfreiheit muss das Testament formwirksam richtet sein. Dies ist auf zwei Arten möglich. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen einem privatschriftlichen Testament und einem notariellen Testament. Ein privatschriftliches Testament muss vollständig handgeschrieben und unterschrieben sein. Beim notariellen Testament genügt eine Unterzeichnung in Gegenwart des Notars. Während ein notarielles Testament regelmäßig über Zweifel über die Urheberschaft erhaben ist, kann bei einem privatschriftlichen Testament bereits hier ein 1. Angriffspunkt sein, jedenfalls dann, wenn Zweifel bestehen, ob das Testament überhaupt „echt“ ist. Wer hier das Testament als enterbte Verwandte angreifen möchte, der sollte, wenn die Echtheit gegenüber dem Nachlassgericht bestritten wird und dieses ein graphologisches Gutachten eingeholt, in der Lage sein, in ausreichendem Maße Vergleichsschriften vorlegen zu können. Dies können, weil sie Briefe oder auch Postkarten des Erblassers oder der Erblasserin sein.
Anfechtbarkeit des Testaments
Die Kernproblematik in diesem Szenario liegt in der Anfechtung eines Testamentes aufgrund des Verdachts der Erbschleicherei. Gemäß § 2078 BGB ist die Anfechtung eines Testamentes möglich, wenn der Erblasser bei der Errichtung des Testaments einem Irrtum unterlag, durch Drohung zur Testamentserrichtung veranlasst wurde oder das Testament aufgrund Täuschung erstellt hat. Erbschleicherei ist in Deutschland nicht explizit als Anfechtungsgrund oder Straftatbestand definiert, kann jedoch unter Umständen eine strafbare Handlung wie Betrug gemäß § 263 StGB (Strafgesetzbuch) darstellen.
Testierunfähigkeit
wurde das Testament zu einer Zeit errichtet, als bereits Testierunfähigkeit im Sinne von § 2229 BGB vorgelegen hat, dann ist dieses unwirksam.die Testierunfähigkeit entspricht dabei der Geschäftsunfähigkeit. Bei volljährigen wird gesetzlich die Testierfähigkeit, unabhängig vom Alter, vermutet. Wer also als übergangener gesetzliche Erbe die Testierunfähigkeit geltend machen möchte, der muss, damit das Nachlassgericht im Rahmen seiner Pflichts zur Amtsermittlung, ein Sachverständigengutachten einholt,konkrete Anknüpfungspunkte liefern, die als Indiz für eine Testierunfähigkeit herangezogen werden können. Die bloße Vermutung genügt dagegen nicht. Wird ein Sache ständig Gutachten eingeholt und kommt dies nicht zu dem eindeutigen Ergebnis der Testierunfähigkeit, dann greift die gesetzliche Vermutungsregelung ein. Das Testament wird dann als wirksam betrachtet.
Sachverhalt: Testamentsänderung zugunsten eines Steuerberaters
In dem konkreten Fall hatte ein kinderloser, verwitweter Erblasser kurz vor seinem Ableben seinen Steuerberater, den er erst vor wenigen Monaten kennengelernt hatte, zum Alleinerben ernannt. Dies führte zur Ungültigkeit eines früheren notariellen Testaments, in welchem sein Bruder als Erbe eingesetzt wurde. Die unmittelbare Nähe des Zeitpunkts der Testamentsänderung zum Tod des Erblassers sowie die Tatsache, dass der Erblasser und der Steuerberater sich erst kurz zuvor kennengelernt hatten, wirft Fragen bezüglich der Einflussnahme und des möglichen Vorliegens einer Erbschleicherei auf.
Juristische Bewertung
Die juristische Bewertung dieses Falles hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zu prüfen ist, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig im Sinne des § 2229 BGB war. Ebenso relevant ist die Untersuchung, ob eine unzulässige Einflussnahme oder Täuschung durch den Steuerberater vorliegt. Hierbei kann die kurzfristige Bekanntschaft und der darauffolgende Erbwechsel als Indiz für eine mögliche Erbschleicherei dienen. Allerdings muss für eine erfolgreiche Anfechtung konkret nachgewiesen werden, dass der Erblasser durch Täuschung oder Drohung zur Testamentserrichtung bewegt wurde oder das Testament zu einem Zeitpunkt der Testierunfähigkeit. Die bloße Vermutung genügt hierfür nicht. sondern es müssen konkrete Tatsachen vorgetragen werden, die als Indiz für eine mögliche Unwirksamkeiz herangezogen werden können.
Beweisführung und Indizien
In der Praxis ist die Beweisführung häufig komplex und erfordert detaillierte Nachforschungen. Mögliche Indizien für eine Erbschleicherei können unter anderem eine auffällige Abhängigkeit des Erblassers von dem Begünstigten, eine gezielte Isolation des Erblassers von anderen nahestehenden Personen oder die aktive Rolle des Begünstigten bei der Testamentserrichtung sein. Diese Indizien müssen im Kontext des gesamten Falles betrachtet werden, um ein schlüssiges Gesamtbild zu ergeben.
Kein guter Glaube an die Testierfähigkeit
Kommt das Nachlassgericht dann allerdings zum Ergebnis, dass das Testament zum Zeitpunkt errichtet worden ist, als bereits Testierunfähigkeit vorgelegen hat, dann hat der Testamentserbe das Nachsehen. Er kann sich nicht darauf berufen, er habe an die Testierfähigkeit geglaubt (OLG Celle, 6 U 2/22). In diesem Verfahren hat die kinderlose Erblasserin, ihren langjährigen Steuerberater, zum Alleinerben eines Millionenvermögens eingesetzt. Ein vom Nachlassgericht eingeholtes Gutachten kam allerdings zum Ergebnis, dass die Erblasserin aufgrund wahnhafter Störungen nicht in der Lage war, wirksam zu attestieren. Zu diesem Zweck war eine Vielzahl von Zeugen, auch Notare und Ärzte, in Anwesenheit des Gutachters vernommen worden. Der Steuerberater hatte sich vergeblich darauf berufen, er habe dies nicht bemerkt unser stets von einer Geschäftsfähigkeit und damit auch eine Testierfähigkeit seiner Mandantin ausgegangen. Die Richter betonten, dass es darauf nicht ankomme, weil das Vertrauen auf die Testierfähigkeit nicht geschützt wird.
Kostenrisiko
Wenn Sie als Verwandter durch ein Testament von der Erbfolge ausgeschlossen sind, an dessen Wirksamkeit Sie Zweifel haben, dann ist dies zwar misslich. Da es aber schwierig ist, ein solches Testament aus der Welt zu schaffen, insbesondere aber die Testierfähigkeit vermutet wird, ist das Risiko am Ende das Nachsehen zu haben, jedenfalls dann, wenn nicht handfeste Indizien für eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit vorliegen, groß. Von daher sollten auch die Kosten eines solchen Verfahrens nicht aus den Augen verloren werden. Beispielsweise in unserem Fall, in dem das Vermögen, das nun an den neuen Steuerberater geht, bei mindestens 3.000.000 € liegt, würden sich die Kosten für ein Verfahren allein für Gericht und Rechtsanwälte auf Grundlage der gesetzlichen Gebühren für eine Instanz auf 120.737,24 € und für zwei Instanzen auf 254.551,24 € belaufen. Hinzu kommen dann noch die Kosten für ein Sachverständigengutachten. Deshalb muss die Entscheidung, ob das Testament angegriffen oder zähneknirschend akzeptiert wird, nicht nur emotional, sondern auch wirtschaftlich betrachtet werden.
Fazit
Die Anfechtung eines Testaments wegen Erbschleicherei stellt ein komplexes rechtliches Unterfangen dar, das eine sorgfältige Beweisführung und umfassende Kenntnisse des Erbrechts erfordert. In dem beschriebenen Fall liegt die Beweislast bei den Verwandten des Erblassers, die konkret darlegen müssen, dass der Erblasser durch unzulässige Einflussnahme des Steuerberaters zur Testamentsänderung veranlasst wurde. Jeder Fall von Erbschleicherei ist einzigartig und erfordert eine individuelle juristische Betrachtung, die alle relevanten Aspekte des Falles berücksichtigt.
Als Anwaltskanzlei stehen wir Ihnen mit unserer Expertise und langjährigen Erfahrung zur Seite, um Ihre Rechte im Rahmen des Erbrechts effektiv zu vertreten und Sie in diesen sensiblen Angelegenheiten zu unterstützen.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.