Der in Strafhaft einsitzende Schuldner muss seine Erwerbspflicht innerhalb der Haftanstalt erfüllen und jede zumutbare Tätigkeit zur Erlangung von Eigengeld, welches nach Maßgabe des StrVollzG pfändbar ist, nutzen. Dann kann er auch Verfahrenskostenstundung zu seinem jederzeit möglichen Insolvenzantrag erhalten, wenn dieses Eigengeld die Verfahrenskosten (noch) nicht deckt. Eine Verfahrenskostenstundungsaufhebung im Wege der fortgeltenden „Vorwirkungsrechtsprechung“ oder eine Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs.1 Nr.7 InsO i. V. m. § 287b InsO muss der Schuldner nur bei Straftaten nach Verfahrenseröffnung fürchten. Eine Stundungsablehnung bei Eröffnung gegenüber dem in Strafhaft befindlichen Schuldner wegen Vorwirkung des § 290 Abs.1 Nr.7 InsO kommt nicht in Betracht.
Dies entschied nun das AG Hamburg mit Beschluss vom 04.08.2015 (68c IK 460/15) und stellt sich damit gegen die aktuelle Entscheidung des AG Fürth vom 22.05.2015 (IK 791/14) nach welcher aufgrund der Einführung der Erwerbsobliegenheit im eröffneten Verfahren durch die Reform der Insolvenzordnung zum 01.07.2014 eine Stundung für Strafgefangene wegen „zweifelsfrei“ vorliegendem Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 abzulehnen sein soll.
Die Argumente des AG Hamburg sind jedoch überzeugend. Denn das AG Fürth übersieht, dass es für den neu eingeführten Versagungsgrund des § 290 Abs.1 Nr.7 InsO einer schuldhaften Beeinträchtigung der Erwerbsobliegenheit mit Befriedigungsbeeinträchtigung der Gläubiger bedarf, wie auch bisher bereits nach § 296 Abs.1 InsO a.F. Gemäß § 287 a InsO wird die Ankündigung der Restschuldbefreiung für Verfahren, die nach dem 01.07.2014 beantragt wurden, nun an den Anfang des Verfahrens vorverlegt, wodurch auch die insolvenzrechtliche Erwerbspflicht des Schuldners damit nunmehr auch im eröffneten Verfahren und nicht erst in der Wohlverhaltensperiode gilt. Die Erwerbspflicht beginnt dann bei Eröffnung des Verfahrens, aber eben auch erst dann. Es bleibt damit dabei, dass die Obliegenheit des § 287b InsO keine Vorwirkung entfaltet:
Der BGH hatte unter dem 01.07.2010 zum „alten Recht“ noch statuiert: „Des Weiteren hat der Gesetzgeber den Kreis der Straftaten, die einer Restschuldbefreiung von vornherein entgegenstehen, in § 290 Abs.1 Nr. 1 und § 297 eng begrenzt. Mit dieser Begrenzung sei es unvereinbar, jede Straftat, die zu einer Inhaftierung geführt hat, gleichsam durch die Hintertür zu einem Versagungsgrund zu erheben, weil der Schuldner infolge der Haft in seinen Möglichkeiten beschränkt ist, die ihn gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 11nsO treffende Erwerbsobliegenheit zu erfüllen.“
Diese Begründung scheint im ersten Zugriff mit Einführung des § 290 Abs.1 Nr. 7 InsO erledigt zu sein. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch, so das AG Hamburg, dass die bisher zutreffende Argumentation des BGH fort gilt: Sie lautet dahingehend, dass eine Straftat nur dann eine RSB-Versagung rechtfertige, wenn sie
a.) innerhalb des Verfahrens (damals: in der Wohlverhaltensphase) begangen werde, da ausschließlich Obliegenheitsverletzungen nach Geltung der Obliegenheit zur Versagung der Restschuldbefreiung führen könnten, die also der Schuldner begeht, nachdem ihm -nach bisherigen Recht- die Restschuldbefreiung gem. § 291 Abs.1 InsO angekündigt worden ist, und
b.) die Straftat selbst als Obliegenheitsverstoß behandelt werden könne, weshalb auch ihre insolvenzrechtlichen Folgen zielgerichtet schuldhaft herbeigeführt sein müssten. Die Möglichkeit einer „Vorverlagerung“ des Tatbestandsmerkmals des Verschuldens auf einen Verursachungsbeitrag, den der Schuldner vor Beginn der Wohlverhaltensphase gesetzt hat, der aber für sich allein noch nicht als Obliegenheitsverstoß angesehen wird, ergäbe sich aus § 296 Abs.1 S.1 InsO hingegen nicht.