Im Rahmen des Arbeitsrechts kommt es häufig zu Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, insbesondere im Kontext von Kündigungen. Ein interessanter Aspekt dabei ist, ob Fahrtkosten als Verzugsschaden geltend gemacht werden können, wenn ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine unwirksame Kündigung ausspricht und der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs anderweitigen Erwerb erzielt, hierfür aber erhöhte Fahrtkosten in Kauf nehmen muss.
Sachverhalt
Ein Fall, der diese Problematik verdeutlicht, wurde vor dem Arbeitsgericht Bonn entschieden (Urteil vom 24.04.2024, 5 Ca 1149/23). Hierbei handelte es sich um einen Arbeitnehmer (ArbN), der nach einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber (ArbG) im Kündigungsschutzprozess obsiegte. Der Arbeitsweg des ArbN zum neuen Arbeitsplatz betrug jedoch deutlich mehr als zum alten Arbeitsplatz, wodurch ihm höhere Fahrtkosten entstanden. Der ArbN verlangte vom ArbG Schadenersatz für diese zusätzlichen Fahrtkosten, die er insgesamt mit 9.200 € bezifferte.
Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Begründung stützte sich auf mehrere Aspekte:
1. Unwirksame Kündigung und Pflichtverletzung:
Das Gericht stellte fest, dass selbst wenn die unwirksame Kündigung als Pflichtverletzung des ArbG gewertet würde, die zusätzlichen Fahrtkosten zur Erzielung anderweitigen Erwerbs keinen ersatzfähigen Schaden darstellen. Diese Kosten seien Aufwendungen im Eigeninteresse des ArbN, die er freiwillig übernommen habe.
2. Definition von Schaden und Aufwendungen:
Ein Schaden im Sinne von § 611a Abs. 1, § 280 Abs. 1 BGB ist ein unfreiwilliger Nachteil, während eine Aufwendung ein freiwilliger Aufwand ist. Da der ArbN die Fahrtkosten freiwillig auf sich genommen hat, handelt es sich um Aufwendungen, die nicht als Schadenersatz geltend gemacht werden können.
3. Kein Anspruch des ArbG auf anderweitigen Erwerb:
Der ArbG hat nach einer unwirksamen Kündigung keinen Anspruch darauf, dass der ArbN anderweitigen Erwerb erzielt. Dies folgt weder aus § 11 Nr. 2 KSchG noch aus sozialrechtlichen Pflichten gemäß § 2 Abs. 5 SGB III.
4. Steuerliche Berücksichtigung:
Der ArbN könne die höheren Fahrtkosten unter Umständen als Werbungskosten steuerlich geltend machen, was die Erstattung durch den ArbG überflüssig mache.
Fazit
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn verdeutlicht, dass Fahrtkosten, die im Zuge der Erzielung anderweitigen Erwerbs nach einer unwirksamen Kündigung entstehen, grundsätzlich nicht als ersatzfähiger Schaden geltend gemacht werden können. Dies liegt vor allem daran, dass solche Aufwendungen als freiwillig eingestuft werden und der ArbG keinen Anspruch auf anderweitigen Erwerb des ArbN hat. Für betroffene Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sie ihre steuerlichen Möglichkeiten ausschöpfen sollten, um finanzielle Nachteile auszugleichen.