Ist der letzte Wille im Testament nicht klar und deutlich geregelt und bringen im Rahmen einer Testamentsauslegung auch Umstände außerhalb des Testaments keine Klarheit, besteht die Gefahr, dass der Wille als Erblasser keine Berücksichtigung findet. Deshalb sollten Testamente immer jedenfalls dann, wenn der Nachlasswert bei mehr als 25.000 € liegt, nie ohne fachlich fundierten Rat erstellt werden. Bereits die Wahl eines falschen Ausdrucks kann dazu führen, dass am Ende etwas ganz anderes herauskommt, als der Erblasser gewollt hat. Hand aufs Herz: Wissen Sie so genau, was der Unterschied zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis, Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, Vorerben (befreit oder unbefreit), Nacherben oder Ersatzerben ist?
So hatte beispielsweise eine 1991 verstorbenen Erblasserin, die 4 Kinder hinterließ, mit privatschriftlichem Testament verfügt, dass der 1952 geborene Sohn ihr alleiniger Erbe werden solle, und für den Fall seines kinderlosen Versterbens ihren 1958 geborenen Sohn zum „Ersatzerben“ bestimmt. Nachdem der ältere Sohn 2012 kinderlos verstarb, hat der überlebende jüngere Sohn einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben seiner Mutter ausweist.
Das OLG Hamm hat mit Beschluss vom 18.07.2013 (15 W 88/13) den Antrag letztinstanzlich zurückgewiesen, denn eine testamentarische Anordnung, die für den Fall des kinderlosen Versterbens eines Erben einen Ersatzerben bestimmt, kann nicht, so das Gericht, ohne weiteres so ausgelegt werden, dass dann, wenn der Erbe den Erbfall erlebt (so dass der Ersatzerbfall nicht eintritt), eine Vor- und Nacherbschaft gewollt ist.
Nach Auffassung der Richter sei dem auslegungsbedürftigen eigenhändigen Testament die Anordnung einer Vorerbschaft des älteren Sohnes mit einer Nacherbschaft des Antragstellers nicht zu entnehmen. Zwar könnten der Erblasserin, wovon die Beteiligten ausgingen, die juristischen Begriffe einer Vor- und Nacherbschaft nicht geläufig gewesen sein. In diesem Fall sei aber zu erwarten gewesen, dass sie in Bezug auf ihren Nachlass eine der Vorerbschaft entsprechende Verfügungsbeschränkung bestimmt hätte. Eine Anordnung diesen Inhalts enthalte das Testament nicht. Allein dem Begriff des Ersatzerben sei sie nicht zu entnehmen. Er besage nicht mehr als den Austausch der zur Erbfolge berufenen Personen. Weder durch die weitere Testamentsurkunde noch durch außerhalb der Urkunde liegende Umstände sei auf einen Willen der Erblasserin zur Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft zu schließen. Gehe man aber von einer Ersatzerbenstellung des Antragstellers aus, sei er nicht Erbe geworden, weil sein älterer Bruder die Erblasserin überlebt und deswegen selbst beerbt habe. Der Ersatzerbfall sei nicht eingetreten.
Anmerkung:
Folge ist also, dass der Nachlass der Mutter zunächst auf ihren 1952 geborenen Sohn übergegangen ist und dann bei dessen Ableben nach diesem eine neue Erbfolge begründet wird. Mangels eigener testamentarischen Regelung würde er also, so er verheiratet war, von seiner Ehefrau und ansonsten von seinen 3 Geschwistern zu gleichen Teilen nach gesetzlicher Erbfolge beerbt werden.
Rechtsanwalt Graf ist Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V.). Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig vom Amtsgericht Wolfratshausen als Nachlasspfleger bestellt.
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