Bekanntlich hat bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen der Abmahnende gegen den Verletzer einen Anspruch auf Erstattung der Abmahngebühren. Ein solcher Anspruch besteht allerdings nur so weit die Abmahnung auch berechtigt ist. In einer von unserer Kanzlei erstrittenen Entscheidung hat das Landgericht München I (33 O 1292/16) in seinem Urteil vom 24.05.2016 unter welchen Voraussetzung eine Kürzung der Abmahngebühr erforderlich sein kann und wann nicht. Es hat sich dabei vollumfänglich unserer Auffassung angeschlossen und den Schuldner zur Zahlung verurteilt.
Vorausgegangen war ein Rechtsstreit wegen eines Verstoßes gegen § 2 der Preisangabenverordnung, weil ein Onlinehändler beim Verkauf von Seilen und Leinen keinen Grundpreis angegeben hatte. Nachdem er zunächst die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hatte, hat das Gericht zunächst eine einstweilige Verfügung erlassen. Hinsichtlich eines Teils hat der Verletzer dann eine Unterlassungserklärung abgegeben und nach eingelegtem Teilwiderspruch, nachdem er darauf hingewiesen worden war, dass sein Widerspruch keine Aussicht auf Erfolg haben wird, noch in der Verhandlung über den Widerspruch eine Abschlusserklärung abgegeben. Gleichwohl weigerte er sich die noch anteilig offenen Abmahnkosten zu begleichen, so dass ein neuerlicher Rechtsstreit erforderlich geworden war. Schwerpunktmäßig hat er sich dabei damit zu verteidigen versucht, dass er behauptet hatte, die Abmahnung sei nicht vollumfänglich berechtigt gewesen, weil nicht nur gerügt worden sei, dass kein Grundpreis angegeben wäre, sondern dass kein Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises angegeben wurde, was aber seit einiger Zeit aufgrund von europarechtlichen Vorgaben der UGP-Richtlinie nicht mehr uneingeschränkt verlangt werden könne. Der „kreative“ Schuldner wollte deswegen nicht nur die Abmahngebühren um mindestens 50 % gekürzt wissen, sondern gleichzeitig den Anspruch durch eine hilfsweise erklärte Aufrechnung zu Fall bringen, weil er nunmehr behauptete, es würden ihm für die außergerichtliche Tätigkeit seines Rechtsvertreters, mit der dieser die Abmahnung zunächst zurückgewiesen hatte, ein Kostenerstattungsanspruch in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe zu stehen, mit dem er hilfsweise die Aufrechnung erkläre. .
Nach Auffassung des Gerichts ist der vorliegende Fall aber nicht mit den Fällen, bei denen mehrere Unterlassungsansprüche nebeneinander geltend gemacht werden und sich herausstellt, dass nur einzelne dieser Ansprüche berechtigt waren, vergleichbar. Eine Kürzung ist deshalb nicht veranlasst. Das Gericht hat dementsprechend den Unterlassungsschuldner zur vollständigen Zahlung der Abmahngebühren verurteilt, weil auch die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche nicht begründet waren.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die Abmahnung war auch nicht nur teilweise begründet, denn sie brachte mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, welches konkret beanstandete Verhalten – nämlich vorliegend die gänzlich fehlende Grundpreisangabe – beanstandet wird. In rechtlicher Hinsicht braucht der Wettbewerbsverstoß hingegen nicht richtig und umfassend beurteilt zu werden; es genügt, dass der Abgemahnte in der Lage ist, das als wettbewerbswidrig bezeichnete Verhalten unter den in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen und daraus die nötigen Folgerungen zu ziehen (vgl. Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 31. Auflage, § 12 Rdnr. 1.15).
Zwar kann der Gläubiger Erstattung seiner Abmahnkosten nur verlangen, soweit seine Abmahnung berechtigt war, d.h. ist die von einem Anwalt ausgesprochene Abmahnung nur zum Teil berechtigt – liegt beispielsweise nur einer von zwei gerügten Wettbewerbsverstößen vor -, können die Kosten der Abmahnung nur anteilig beansprucht werden (vgl. Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 31. Auflage, § 12 Rdnr. 1.96b unter Verweis auf BGH GRUR 2010, 744 -Sondernewsletter sowie jüngst BGH, Urteil vom 14.01.2016, Az.: I ZR 61/14 – Preisberechnung für aufwandsabhängige Kosten = BeckRS 2016, 04745). Kein Anlass zur Kürzung besteht jedoch, wenn der Gläubiger die mit der Abmahnung übersandte vorformulierte Unterwerfungserklärung zu weit – beispielsweise die zu unterlassende Handlung weiter als notwendig – gefasst oder eine höhere als die angemessene Vertragsstrafe vorgeschlagen hat, denn die Formulierung der Unterwerfungserklärung ist grundsätzlich Sache des Schuldners (vgl. Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 31. Auflage, § 12 Rdnr. 1.96b).
Vorliegend ergibt sich aus der Abmahnung der Klägerin unzweideutig, dass nicht etwa zwei Wettbewerbsverstöße, nämlich fehlende Grundpreisangabe und falsche Positionierung der Grundpreisangabe, gerügt wurden, sondern lediglich ein einziger Verstoß, nämlich die gänzlich fehlende Grundpreisangabe. Dass sich die Klägerin bei der Formulierung ihres Abmahnschreibens am Wortlaut des § 2 PAngV orientiert hat, war auch für den Beklagten ausweislich dessen Reaktion vom 05.05.2015 klar erkennbar und konnte deshalb nicht dahingehend zu verstehen sein, dass die Klägerin neben der fehlenden Grundpreisangabe einen weiteren Verstoß geltend macht. Es wäre dem Beklagten deshalb ohne Weiteres möglich gewesen, auf die Abmahnung der Klägerin etwa durch Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung adäquat zu reagieren, weshalb das klägerische Abmahnschreiben den Sinn und Zweck einer Abmahnung erfüllt hat, und eine quotale Kürzung der Abmahnkosten nach dem oben Gesagten ausscheidet.
…
2. Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ist auch nicht infolge der Hilfsaufrechnungen des Beklagten erloschen.
a) Weil die Abmahnung der Klägerin vom 19.04.2015 insgesamt berechtigt und begründet war (siehe 1.1), kann der Beklagte nicht die Erstattung der Kosten für das als Anlage B 2 vorgelegte Zurückweisungsschreiben vom 05.05.2015 in Höhe von 592,80 Euro verlangen, denn weder stellt die Abmahnung der Klägerin einen schuldhaften rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Beklagten nach § 823 Abs. 1 BGB dar, noch lag deren Zurückweisung im Interesse der Klägerin. Ein aufrechenbarer Anspruch ist daher insoweit nicht gegeben.“