Mit Urteil vom 20.09.2022 (C-793/19 und C-794/19) hat der EuGH deutschen Regelungen zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt und klargestellt, dass diese mit EU-Recht nicht zu vereinbaren sei. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat ein Verfahren, das u.a. von der Telekom geführt worden war, ausgesetzt und die Frage der Vereinbarkeit mit EU-Recht dem EuGH im Rahmen eines sog. Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt.
Nach der deutschen Regelung müssen Telekommunikationsunternehmen Telefon- und Internetdaten der Nutzer, ohne dass ein konkreter Verdacht einer Straftat bestünde, speichern, sodass im Bedarfsfall nachgeprüft werden kann, mit wem telefoniert oder SMS ausgetauscht worden, mit welcher IP-Adresse im Internet gesurft wurde und in welchen Funkzellen das Mobiltelefon sich eingeloggt hatte. Anhand dieser Daten hätten Behörden tiefe Einblicke in das Privatleben eines jeden einzelnen gewinnen können, fast so, wie dies George Orwell in seinem Roman 1984 „Big Brother is watching you“) indem er den totalitären Staat, in dem das Leben der völlig angepassten Bürger durch politische Manipulation und technische Überwachung komplett kontrolliert wird, fiktiv vorausgesagt hatte. Die Richter haben klargestellt, dass es sich bei einer solchen Überwachung um Eingriffe in die Grundrechte der Bürger handle, die in jedem Einzelfall gerechtfertigt sein müssten. Dies werde durch die deutsche Regelung aber nicht gewährleistet. Von daher sei eine solche Datenspeicherung nur begrenzt zulässig, wenn die nationale Sicherheit aktuell oder vorhersehbar ernsthaft bedroht sei. Dies müsse dann entweder gerichtlich, oder jedenfalls von einer unabhängigen Behörde, kontrolliert werden.
Anmerkung:
Der Wunsch des Staates nach Vorratsdatenspeicherung ist nicht neu. So hat das Bundesverfassungsgerichtgesetz mit Urteil vom 02.03.2010 (1 BvR 256/08) die damals geltende Regelung gekippt. Auch der EuGH hatte sich bereits im Jahr 2016 mit der Vorratsdatenspeicherung befasst und die entsprechende Richtlinie gekippt (EuGH, Urteile vom 21.12.2016 – C-203/15 u. C-698/15). Nun hat er, was aufgrund der vorangegangenen Rechtsprechung bereits zu erwarten war, auch die deutsche Regelung für nicht rechtens erklärt.