AGG-Hopper sind Personen, die gezielt Stellenanzeigen darauf untersuchen, ob diese nicht mit den Regelungen des AGG konform sind. Haben sie eine solche Stellenanzeige gefunden (meist geht es um Diskriminierungen wegen des Geschlechts oder des Alters) dann bewerben sie sich als Scheinbewerber und verlangen im Falle ihrer Ablehnung Schadenersatz und Entschädigung wegen vermeintlicher Diskriminierung. Besonders dreiste Bewerber gestalten dabei ihre Bewerbung bereits so, dass diese aufgrund ihres Gesamteindrucks den Arbeitgeber dazu verleitet den vermeintlichen Bewerber schon gar nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Erhält der Bewerber dann seine Unterlagen zurück, dann bekommt im Gegenzug der Arbeitgeber – meistens per E-Mail – ein Schreiben des abgelehnten Bewerbers in dem dieser eine Diskriminierung behauptet und dafür eine Ausgleichszahlung beansprucht. Professionelle Bewerber, die so ihren Lebensunterhalt oder zumindest einen Teil davon verdienen, weisen bei dieser Gelegenheit den Arbeitgeber gleich darauf hin, dass es kostengünstiger ist eine Zahlung zu leisten als einen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht zu führen. Dies deshalb, weil im arbeitsgerichtlichen Verfahren in erster Instanz unabhängig vom Ausgang des Verfahrens keine Kostenerstattung stattfindet, also ein Arbeitgeber, der sich verteidigt, auf jeden Fall mit den für die Verteidigung anfallenden Rechtsanwaltsgebühren belastet wird. Scheinbewerber nutzen dabei aber auch den Umstand aus, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren zunächst ein sog. Gütetermin stattfindet, also ein Gerichtstermin, bei dem es darum geht, den Rechtsstreit durch Vergleich zu beenden und auch in diesem Termin oft noch durch das Arbeitsgericht selbst der Arbeitgeber veranlasst wird, aus Lästigkeit etwas an den vermeintlichen Bewerber zu bezahlen. Bleibt der Arbeitgeber hart, dann kann bis zuletzt der Scheinbewerber dadurch für sich kostenneutral den Rückzug antreten, dass er kurzerhand die Klage zurücknimmt. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren fallen dann nämlich keine Gerichtskosten an und der Arbeitgeber bleibt auf seinen eigenen Rechtsanwaltsgebühren sitzen.
Der EuGH hat nun mit Urteil vom 28.07.2016 (C-423/15) auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass das Diskriminierungsverbot nicht für „Scheinbewerber“ gedacht ist, sondern nur für ernsthafte Bewerber gilt.
Geklagt hatte ein deutscher Jurist, der sich auf eine Nachwuchsstelle bei einer Versicherung beworben hatte. Während die Stelle einen zeitnahen Hochschulabschluss verlangte und eindeutig auf Hochschulabsolventen ausgelegt war, gab der Bewerber an, dass er als Rechtsanwalt und ehemaliger leitender Angestellter über Führungserfahrung verfüge.
Er wurde abgelehnt und verlangte von der Versicherung zunächst 14.000 Euro wegen vermeintlicher Altersdiskriminierung. Als er erfuhr, dass die vier fraglichen Stellen ausschließlich mit Frauen besetzt worden waren, obwohl es ungefähr gleich viele männliche und weibliche Bewerber gegeben hatte, verlangte er eine weitere Entschädigung von 3.500 Euro wegen Diskriminierung aufgrund seines Geschlechts.
Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Jurist sich nur bewarb, um abgelehnt zu werden und dann eine Entschädigung einfordern zu können. Gleichwohl legte es den Sachverhalt zur Entscheidung dem EuGH vor, der nun abstrakt geklärt hat, dass nach den Vorgaben des Europarechts Scheinbewerber keinen Schutz genießen. Das BAG muss nun den Fall zu Ende bringen und auf dieser Grundlage entscheiden, so dass zu erwarten ist, dass die Klage endgültig abgewiesen werden wird.
Fazit:
Ende gut alles gut, so könnte man meinen. Nachdem aber der gesunde Menschenverstand, der bei jeglicher Form der Rechtsanwendung nicht ausgeschaltet werden sollte, von Haus aus sagt, dass das AGG keinen Schutz von Scheinbewerbern bezweckt, ist erstaunlich, welche Sachverhalte manchmal eine Entscheidung durch Obergerichte bedürfen. Wir selbst haben schon mehrfach Arbeitgeber gegen Entschädigungsansprüche von Scheinbewerbern erfolgreich vertreten und wissen daher aus eigener Erfahrung, dass manchmal Arbeitsgerichte, nur um den Fall mit Vergleich abschließen zu können, auch bei eindeutigen Sachverhalten Arbeitgeber dazu bringen möchten, aus Lästigkeit an Scheinbewerber nicht gerechtfertigte Zahlungen zu leisten. Beliebtes Argument ist dabei oft, dass der Arbeitgeber sein Geld nicht im Gerichtssaal verdient und es deshalb doch für ihn die wirtschaftlich sinnvollste Lösung sei, bereits im Gütetermin etwas zu bezahlen, als, so wie es hier die Beklagte Versicherung gemacht hat, einen jahrelangen Rechtsstreit zu führen. Im nun entschiedenen Fall begann der Rechtsstreit 2009, läuft also bereits seit 7 Jahren. Gerade kleinere Unternehmen, denen bei Stellenanzeigen mangels geschultem Fachpersonal häufiger Fehler unterlaufen, neigen dann dazu, die Kröte zu schlucken und klein beizugeben, obwohl sie (mit gerichtlicher Hilfe) abgezockt werden.
Wer sich nur zum Schein bewirbt und im Falle einer Ablehnung eine Entschädigung verlangt, der hat übrigens nicht nur keinen Anspruch nach dem AGG, sondern kann sich auch wegen (versuchten) Betrugs strafbar machen. Es bleibt also abzuwarten, ob das Ganze für den Juristen auch noch ein strafrechtliches Nachspiel haben wird.