Ist in einem Gebrauchtfahrzeug das Fahrwerk eines Drittherstellers verbaut, das mit der am Fahrzeug vorhandenen Rad-Reifen-Kombination keine Straßenverkehrszulassung besitzt, so berechtigt dies nach einer von unserer Kanzlei erstrittenen Entscheidung des Landgerichts München II (Urteil vom 25.09.2019, 11 O 4592/17) den Käufer zum Rücktritt vom Vertrag.
Stuttgarter Autohändler muss nach Rücktritt mangelhaften Audi zurücknehmen
Augen auf beim Autokauf. So könnte man einen Fall umschreiben, den unsere Kanzlei nunmehr nach 2-jähriger Verfahrensdauer erfolgreich vor dem Landgericht München II zum Abschluss gebracht hat. Ein Geretsrieder war im Internet durch eine Onlineanzeige auf der Plattform mobile.de auf einen Pkw Marke Audi A3 3.2 Quattro zum Preis von 10.500 € aufmerksam geworden. Angeboten worden war das Fahrzeug von einem Stuttgarter Gebrauchtwagenhändler. Der von uns vertretene Käufer vereinbarte telefonisch einen Besichtigungstermin. Am 21.09.2017 fand dann eine Besichtigung und Probefahrt in Stuttgart statt. Die Parteien wurden sich handelseinig und der Käufer erhielt noch einen Satz Felgen mit dazu. Diese waren vom Verkäufer als Zugabe gewährt worden, als der Käufer (erfolglos) versucht hatte den Kaufpreis herunterzuhandeln.
Zur Überführung des Fahrzeugs an seinen Wohnort in Geretsried hat der Kläger sich mit Unterstützung des Sohns des Beklagten in Stuttgart Kurzzulassungskennzeichen besorgt und das Fahrzeug zugelassen. Nach Zahlung des Kaufpreises in bar hat er dann das Fahrzeug mit an seinen Wohnort nach Geretsried genommen.
Defekt an Alarmanlage nervt Käufer
Bereits nach kurzer Zeit hatte der Kläger aber nicht mehr viel Freude am Fahrzeug, weil die Alarmanlage begann sich alle 30 Minuten, auch nachts, auszulösen. Bei einem Werkstattbesuch hat sich dann herausgestellt, dass die Türschlösser defekt waren und getauscht werden mussten.
Radkästen setzen bei Beladung des Fahrzeugs auf den Reifen auf
Als der Käufer dann zum ersten Mal nicht allein in dem Fahrzeug fuhr, sondern zwei Bekannte vom Flughafen abholte, stellte er fest, dass bei Unebenheiten in der Fahrbahn immer wieder die Reifen mit den Radläufen in Berührung kamen, also „aufsaßen“.
Bei einem weiteren Werkstattaufenthalt wurde dann festgestellt, dass im Fahrzeug nicht das Originalfahrwerk, sondern stattdessen ein anderes Fahrwerk verbaut worden war, was zur Folge hatte, dass das Fahrzeug mit der verbauten Rad-Felgen-Kombination bei Belastung in den Radkästen aufsaß.
Verkäufer zeigt sich uneinsichtig
Als der Käufer telefonisch die Mängel gegenüber dem Verkäufer rügte, wollte dieser zunächst davon nichts wissen, und stellte allenfalls eine Zahlung von 300 € in Aussicht. Er war dabei der Meinung, dass dies ausreichend sei, weil der Käufer ja die verbaute Rad-Reifen-Kombination verkaufen könne. Er könne sich dann für die als Zugabe mit gegebenen Originalfelgen Reifen kaufen, mit denen das Fahrzeug dann ohne die aufgetretene Problematik betrieben werden könnte …
Daraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises.
Verkauf eines Fahrzeugs mit falschem Fahrwerk und damit einhergehenden Verlust der Straßenverkehrszulassung stellt einen zum Rücktritt berechtigten Mangel dar
Da der Verkäufer bis zuletzt uneinsichtig geblieben ist, wurde er nun vom Landgericht München II Zurücknahme des Fahrzeugs verurteilt. Das Gericht hat dabei seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Soweit in dem Fahrzeug ein anderes Fahrwerk eingebaut wurde, ein AP-Sportfahrwerk, liegt ein Mangel vor
„Der Sachverständige, der dem Gericht als erfahrender und sachkundiger Sachverständiger bekannt ist, hat in seinem schriftlichen Gutachten sowie in seinem Ergänzungsgutachten in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise ausgeführt, die Höhenlage des Fahrwerks werde im Rahmen einer technischen Überprüfung durch einen amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer festgestellt und analog dem Teilegutachten vermessen und in den Prüfbericht aufgenommen.
Wenn die Höhenlage – wie hier – nicht eingehalten sei, verliere das Fahrzeug grundsätzlich die Zulassungserlaubnis. Das Fahrzeug sei in der aktuellen Kombination, wie sie dem Sachverständigen vorgeführt wurde, nicht straßenverkehrszulassungsfähig.
Das Fahrzeug dürfe in diesem Zustand nicht auf öffentlichen Straßen bewegt werden. Es bestehe jederzeit die Gefahr eines Reifenplatzers. Das Fahrzeug könne nicht ohne Gefahr für Leib und Leben betrieben werden.
Bei dem neuen Fahrwerk in Verbindung mit der aktuellen Rad-Reifen-Kombination käme es zu einem Kontakt zwischen Reifenhinterachse und Radlager. Es seien auch Kontaktspuren erkenn-bar, der Oberflächenlack sei teilweise abgetragen.
Mit den mitgegebenen Felgen sei das Fahrzeug grundsätzlich zulassungsfähig, sowie auch die entsprechenden Reifen angebracht wurden.
Hierfür sei jedoch nachfolgender Aufwand erforderlich:
Für neue Sommerreifen (225/45 R17 9 1 W ) ca. 380,00 € netto sowie für einen Satz Radreifen (ca. 50 % ) über eBay ca. ein Betrag von 450,00 € brutto. Hierzu komme ein Aufwand in Höhe von ca. 150 – 200 €, für die Einstellung des Gewindefahrwerks und die Fahrwerksvermessung. Für die Straßenverkehrszulassung wären Gebühren in Höhe von 11,70 € aufzuwenden, für die Kontakt-spuren, je nachdem nach Wahl der Werkstätte ca. 800,00 € netto (120,00 € pro Stunde netto) bei einer Beseitigung in einer Vertragswerkstätte, anderenfalls 520,00 € netto (80,00 € pro Stunde netto) bei einer Beseitigung über eine sonstige Werkstätte.
Für die Umrüstung auf das Originalfahrwerk wären aufzuwenden ca. 1.600,00 € netto bei einer Umrüstung durch eine Vertragswerkstätte, ca. 820,00 € netto bei einer sonstigen Werkstätte.“
Die Möglichkeit einen zulassungsfähigen Zustand herzustellen, steht der Annahme eines Mangels jedoch nicht entgegen
„Der Einbau des neuen Fahrwerks und die Übergabe des Fahrzeugs in einem nicht zulassungsfähigen Zustand stellt einen erheblichen Mangel dar. Die Gebrauchsfähigkeit eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr ist regelmäßig ein Bestandteil der vereinbarten Beschaffenheit für ein Fahrzeug. Der Käufer kann und darf davon ausgehen, dass er ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr bewegen darf.
Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung des § 323 Abs. 5 BGB. Zum einen ist bei die-ser elementaren Beschaffenheit bereits fraglich, ob hier § 323 Abs. 5 greift. Insoweit wird auf obige Ausführungen Bezug genommen. Zum anderen sind die Beseitigungskosten jedenfalls nicht unerheblich. Sie liegen über 5 %. Zu addieren sind hier die Kosten jedenfalls für neue Reifen, auch unter Zugrundelegung von Gebrauchtreifen, die Kosten für die Zulassung, die Kosten für die Beseitigung der Schleifspuren. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger das Fahrzeug nicht einfach zu einer Werkstätte verbringen darf, sondern, da es so in diesem Zustand nicht im öffentlichen Straßenverkehr bewegt werden darf, schleppen bzw. transportieren lassen müsste, wofür ebenfalls Kosten anfallen. Bei der, von der Rechtsprechung gezogenen Grenze von 5 % des Kaufpreises handelt es sich im Übrigen auch um keine fixe Grenze. Zu berücksichtigen sind hier insbesondere, besondere Umstände des Einzelfalles. Zu sehen ist hier das besondere gebrochene Vertrauen, in dem der Verkäufer den Käufer mit einem in diesem Zustand nicht zugelassenen Fahrzeug in den Straßenverkehr entlassen hat, wobei nach Angaben des Sachverständigen ein Reifenplatzer und damit eine gefährliche Situation jederzeit möglich gewesen wäre.
…
Die Geltendmachung dieses Mangels ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Sohn des Beklagten bei der Probefahrt angegeben hat, der Kläger möge bei Überfahren der Ausfahrt aufpassen, da das Fahrzeug „tiefergelegt“ sei. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, dass mit einer Tieferlegung regelmäßig Veränderungen a m Fahrwerk verkoppelt seien. Eine Tieferlegung führe regelmäßig zu einer zulassungsrechtlichen Überprüfung. Jedoch hat der Sohn des Beklagten unbeschadet der Frage, ob der Laie mit einer Tieferlegung zwangsläufig eine Veränderung hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen verbinden muss , wovon das Gericht nicht ausgeht, den Kläger jedenfalls insoweit unstreitig nicht darauf hingewiesen, dass aufgrund der Tieferlegung keine Zulassung und in dieser konkreten Kombination des neuen Fahrzeugs mit der vorhandenen Rad-Reifen-Kombination auch keine Zulassungsfähigkeit besteht. Alleine die Übergabe der Erklärung gemäß § 19 IV STVZO (Satz 3 zu Anlage K 1) ergibt nichts Abweichendes. Zum einen wurde dieses Papier unstreitig nach Abschluss des Kaufvertrages übergeben, zum anderen erfolgten hierzu – ebenso unstreitig – keinerlei Hinweise.
Gerade der Umstand, dass der Beklagte dem Kläger das Fahrzeug – in diesem Zustand – zu einer Probefahrt übergeben hat und auch zur Beschaffung der Kennzeichen gefahren ist, zeigt deutlich, dass er den Käufer gerade nicht darauf hingewiesen hat, dass man mit dem Fahrzeug in diesem Zustand nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf.
…
Hinsichtlich des Fahrwerkes war kein Nachbesserungsverlangen erforderlich. Unbeschadet der Angaben des Sachverständigen, dass eine Zulassung mit einer anderen Rad-Reifen-Kombination erlangt werden könnte, liegt hier ein derart massiver Mangel darin, dass bereits die Beschaffenheit zur Verwendung des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr nicht gegeben war, dass dem Kläger eine Nachbesserung nicht zugemutet werden kann. Im übrigen hat der Beklagte das Vorliegen eines Mangels auch von Beginn an bestritten, so dass hierin eine Erfüllungsverweigerung zu sehen ist.“
Anmerkung:
Der Kläger hatte nach eigenem Bekunden extra bei einem Händler gekauft, weil er glaubte dann für sein Geld gut beraten zu werden und im Vergleich zu einem Kauf von Privat keinen Ärger zu haben. Die Rechnung war hier aber nicht aufgegangen, weil er an einen besonders dreisten Händler geraten war. Im Nachhinein hatte sich nämlich auch herausgestellt, dass das Fahrzeug, bei dem es sich um einen Reimport aus den USA gehandelt hatte, dort bereits so verunfallt war, dass es in der Datenbank von Audi als Totalschaden geführt worden ist. Nach Aussagen des Klägers sei er vom Verkäufer auch nicht darauf hingewiesen worden, dass ein Unfallschaden vorhanden sei. Dies habe im Rahmen der Verkaufsverhandlungen der Verkäufer allerdings dann eingeräumt, als er ihn darauf hingewiesen hatte, dass im Heck des Fahrzeugs eine Schweißnaht nicht nach original aussieht. Der listige Verkäufer konnte hier dadurch den Kopf aus der Schlinge ziehen, dass er dies zum Anlass nahm, im Kaufvertrag festzuhalten, dass das Fahrzeug rundum beschädigt und schlecht repariert sei, ihm aber Unfallschäden nicht bekannt sein, obwohl für den Laien das Fahrzeug optisch perfekt aussah. Für das Gericht reichte dies aus, den Verkäufer jedenfalls insoweit aus der Haftung wegen verschwiegen Unfallschäden zu entlassen.