Ehegatten können gemeinschaftlich testieren. Ein solches Testament ist dann formwirksam, wenn einer der Ehegatten das gemeinschaftliche Testament handschriftlich verfasst und der andere Ehegatte dieses mitunterzeichnet und damit dokumentiert, dass das Niedergeschriebene auch seinem letzten Willen entspricht.
Was aber passiert, wenn der andere Ehegatte für die Unterzeichnung nur vorgesehen war, die Unterzeichnung des Testaments dann aber insoweit unterblieben ist? Gilt das Testament dann als Einzeltestament des Unterzeichnenden oder aber ist es insgesamt unwirksam. Mit dieser Frage hat sich das OLG München in seinem Beschluss vom 23.04.2014 (0 Wx 22/14) befasst.
Grundlage der Entscheidung waren mehrere als gemeinschaftliches Testament überschriebene handschriftliche Testamente, die jeweils nur vom Aussteller, dem Ehemann, nicht aber auch von der Ehefrau unterzeichnet waren. Maschinenschriftliche Vorlagen, an denen sich der Ehemann orientiert hatte, waren dagegen von der Ehefrau unterzeichnet worden. Die maßgebliche Regelung lautete folgendermaßen:
„Wir, die Eheleute … setzen uns hiermit gegenseitig als Alleinerben ein. Der Erbe des Letztverstorbenen soll X sein, als zweiten gleichberechtigten Erben setzen wir Y ein.“
Das Gericht hat das Vorliegen eines wirksamen Einzeltestaments verneint und dazu ausgeführt:
„Die letztwilligen Verfügungen stellen sich jeweils als unvollständiges gemeinschaftliches Testament dar: Sie sind mit „gemeinschaftliches Testament“ überschrieben, vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben, vom anderen Ehegatten aber nicht unterzeichnet worden. Ein solcher Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments kann als Einzeltestament aufrecht erhalten werden, wenn der Ehegatte, der seine Erklärung in der Form des § 2247 BGB vollständig abgegeben hat, gewollt hat, dass seine Verfügung unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten gelten soll, ihre Wirkung also sofort eintreten und nicht von der entsprechenden Erklärung des anderen Ehegatten abhängig sein soll. Kann festgestellt werden, dass er den Willen hatte, seine Verfügung unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten als einseitige letztwillige Ver fügung gelten zu lassen, kann seine Verfügung als Einzeltestament aufrecht erhalten werden.
Hier kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Erblasser auch ohne den Beitritt seiner Ehefrau die getroffenen letztwilligen Ver fügungen als ein Einzeltestament gelten lassen wollte. Aus dem Inhalt der Testamente ergeben sich keine konkreten Hinweise darauf, dass es dem Erblasser im besonderen Maße auf eine Absicherung und Versorgung seiner Ehefrau angekommen wäre, denn über die gegenseitige Einsetzung zu Alleinerben im ersten Satz hinaus enthalten sie dazu keine Ausführungen. Hingegen nimmt die Regelung der Schlusserbfolge breiten Raum ein, insbesondere im Hinblick auf den Ausschluss des Ehemannes, der Nichte und seiner Verwandtschaft von einer Teilhabe am Nachlass. Zudem hat sich der Erblasser an maschinengeschriebenen Vorlagen orientiert, die nach dem Testamentstext selbst eine Beitrittserklärung der Ehefrau enthalten. Deshalb kann hier allein aus dem Umstand, dass der Erblasser bei der Errichtung des Testaments bereits 90 Jahre alt war, seine Ehefrau hingegen erst 75, nicht geschlossen werden, dass es ihm im Wesentlichen auf die Erbeinsetzung seiner Ehefrau, nicht aber auf die Regeln der Schlusserbfolge angekommen ist.
Es liegen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Erblasser es hätte hinnehmen wollen, im Falle ihres Vorversterbens seine Ehefrau nicht allein zu beerben – wie im Entwurf des gemeinschaftlichen Testaments vorgesehen – sondern nur neben deren Verwandten der zweiten Ordnung. Die in den unvollständigen gemeinschaftlichen Testamenten vorgesehenen Regelungen zielen darauf ab, dem überlebenden Ehegatten zunächst das gesamte gemeinschaftliche Vermögen zur freien Verfügung zu belassen und es nach dessen Tod gleichmäßig auf die Familien beider Ehegatten aufzuteilen. Nach der Lebenserfahrung haben kinderlose Ehegatten in der Regel kein Interesse daran, dass nach dem Tod des Erstversterbenden der Überlebende nur Miterbe wird neben Geschwistern des verstorbenen Ehegatten oder deren Abkömmlingen. Dies gilt umso mehr, wenn sie – wie hier – gemeinsam Eigentümer einer in der Ehe erworbenen Immobilie sind. Die von dem Beteiligten zu 1 vorgetragenen Gesichtspunkte gelten in gleicher Weise für den Erblasser, denn er wäre – hätte er seine Ehefrau überlebt – aufgrund gesetzlicher Erbfolge nicht Alleinerbe geworden, weil auch auf der Seite der Ehefrau Geschwister und deren Abkömmlinge vorhanden sind.
Auch wird bei der vom Nachlassgericht vorgenommenen Auslegung als Einzeltestament die angestrebte gleichmäßige Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens auf Verwandte des Ehemannes und Verwandte der Ehefrau nicht erreicht, denn dann wird der Verwandte der Ehefrau als Nacherbe am Nachlass des Ehemannes beteiligt, während die Verwandte des Ehemannes am Nachlass der Ehefrau nicht partizipiert.“
Rechtsanwalt Graf ist Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V.) sowie Fördermitglied der DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e.V.). Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig vom Amtsgericht Wolfratshausen als Nachlasspfleger bestellt.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
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