Wenn Mieter ausziehen, dann erleben Vermieter manchmal ihr blaues Wunder. Nicht nur, dass erforderliche Schönheitsreparaturen nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, sondern manchmal weiß die Mietsache auch erhebliche Beschädigungen auf, die die Mieter verursacht, aber nicht beseitigt haben. Nachdem die Kaution hier oft nicht ausreicht, um den Schaden des Vermieters abzudecken, müsste nun der Vermieter, um die Wohnung wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen, erneut in Vorleistung gehen, die Schönheitsreparaturen und Reparaturen ausführen lassen und dann versuche die verauslagten Beträge vom Mieter zurückzuerhalten. Nachdem aber zwischenzeitlich längst nicht mehr alle Vermieter liquide genug sind, um hier vielleicht Tausende von Euro vorzustrecken, hilft ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 19.04.2023, VIII ZR 280/21) in dem die obersten Bundesrichter klargestellt haben, dass eine fiktive Schadensberechnung im Mietrecht auch nach Beendigung des Mietverhältnisses weiterhin möglich ist. Dies betrifft Schäden, unterlassene Schönheitsreparaturen sowie Rückbauten, für die noch keine tatsächlichen Kosten angefallen sind. Die geänderte Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Abrechnung im Werkvertragsrecht auf deren Grundlage die Vorinstanzen die Klage des Vermieters abgewiesen hat, sei nicht auf andere Vertragstypen übertragbar.
Streit um nicht durchgeführte Schönheitsreparaturen, Schäden und Rückbauarbeiten
In einem konkreten Fall verlangte ein Vermieter von seinen ehemaligen Mietern eine Kostenvorschusszahlung von 8.425 Euro für Schönheitsreparaturen und zusätzlich einen Schadensersatz in Höhe von 881 Euro. Die Mieter hatten die Wohnung am 31.12.2017 nach Vertragsende am 02.01.2018 zurückgegeben. Der Vermieter forderte sie am 08.01.2018 erfolglos auf, verschiedene Reparaturen und Rückbauarbeiten durchzuführen. Ein Kostenvoranschlag ergab Arbeitskosten von 7.961 Euro (netto), die der Vermieter als erstattungsfähig ansah. Ein Teil der Rückbauarbeiten wurde vom Vermieter selbst durchgeführt.
BGH korrigiert fehlerhafte Rechtsansicht der Vorinstanzen
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht lehnten die Ansprüche des Vermieters ab. Das Amtsgericht vertrat die Ansicht, dass es im Mietrecht keine Anspruchsgrundlage für einen Kostenvorschuss gibt, wie es im Werkvertragsrecht der Fall ist (§ 637 Abs. 3 BGB). Der Schadensersatzanspruch wurde ebenfalls abgelehnt, da der Vermieter eine fiktive Schadensberechnung vornahm, die nicht mehr zulässig sei. Die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats, die im Werkvertragsrecht Anwendung findet, sei nicht übertragbar. Der BGH hob das Urteil teilweise auf und verwies den Fall zurück an das Landgericht.
Der BGH entschied, dass ein Vermieter auch nach Beendigung des Mietverhältnisses eine Erstattung auf Grundlage der voraussichtlich erforderlichen, aber noch nicht aufgewendeten („fiktiven“) Kosten verlangen kann. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung im Mietrecht, wonach Schadensersatzansprüche statt der Leistung auch anhand der für die Instandsetzung, Erhaltung oder den Rückbau erforderlichen Kosten berechnet werden dürfen. Die Abkehr des VII. Zivilsenats von der fiktiven Abrechnung im Werkvertragsrecht hat daran nichts geändert. Die Entscheidung des VII. Zivilsenats ist nicht auf andere Vertragstypen übertragbar und es handelt sich hier um ein beendetes Mietverhältnis. Das Landgericht muss nun Feststellungen zu Art und Umfang des Schadens treffen.
Anmerkung:
Diese Entscheidung des BGH hat eine erhebliche Auswirkung auf die Rechtslage im Mietrecht und stärkt die Position der Vermieter. Sie ermöglicht es Vermietern, auch bei beendeten Mietverhältnissen Schadensersatzansprüche auf Basis der voraussichtlich anfallenden Kosten geltend zu machen, selbst wenn diese Kosten noch nicht tatsächlich aufgewendet wurden.
Für Vermieter bedeutet dies eine wichtige Klarstellung und ein erweitertes Recht, ihre Interessen zu schützen. Wenn Mieter Schäden verursachen oder vereinbarte Schönheitsreparaturen nicht ordnungsgemäß durchführen, können Vermieter nun die Kosten für die Beseitigung dieser Schäden und Reparaturen auf Grundlage von Kostenvoranschlägen oder Schätzungen verlangen. Dies ermöglicht ihnen, angemessene finanzielle Entschädigung für den entstandenen Schaden zu erhalten, ohne zunächst die tatsächlichen Kosten aufwenden zu müssen. Im Ergebnis ist dieses Ergebnis auch konsequent, nachdem nur die jeweiligen Nettobeträge verlangt werden können, also Mieter nicht dadurch, dass ihr Vermieter handwerklich geschickt ist und die Leistung ganz oder teilweise selbst erbringt, privilegiert werden sollen, gegenüber solchen Mietern, deren Vermieter entweder nicht die Zeit oder das erforderliche Know-how hat, um die Arbeiten selbst durchzuführen.
Für Mieter bedeutet dies, dass sie sich bewusst sein sollten, dass sie auch nach Vertragsende für eventuell verursachte Schäden und unterlassene Schönheitsreparaturen zur Verantwortung gezogen werden können. Es ist ratsam, die Wohnung in einem ordnungsgemäßen Zustand zurückzugeben und notwendige Reparaturen durchzuführen, um mögliche Schadensersatzansprüche und vor allen Dingen nachvertragliche Stress zu vermeiden.
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