Am Arbeitsplatz lauern viele Gefahren, die dazu führen können, dass der Arbeitgeber verschnupft mit einer fristlosen Kündigung reagiert: in die Kasse gegriffen, die Kollegin belästigt, unberechtigt private Kopien gefertigt oder das Smartphone bzw. Elektroauto ohne Erlaubnis aufgeladen. All dies sind Handlungen, die arbeitsrechtlichen Ärger mit sich bringen können.
Über einen eher ungewöhnlichen Fall hat das LAG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 13.07.2023 (5 Sa 5/23) zu entscheiden. Dort hatte der Arbeitnehmer währendd der Arbeit ein Filetiermesser geschwenkt und war dabei dem Hals einer Kollegin ziemlich nahe gekommen. Zu nah meinte der Arbeitgeber, sah eine Bedrohung von Leib und Leben, und sprach die fristlose Kündigung aus. Die Arbeitsrichter sahen dies anders und waren der Meinung, dass auch eine Abmahnung genügt hätte, um das Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu tadeln …
Rechtlicher Rahmen für außerordentliche Kündigungen
Gemäß § 626 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Es genügt also nicht, dass per se eine Handlung des Arbeitnehmers einen Kündigungsgrund darstellt, sondern der Arbeitgeber muss eine Abwägung vornehmen, die dann vom Arbeitsgericht kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert wird.
Umgang mit einem Filetiermesser führt zu Irritationen
In dem vorliegenden Fall geht es um einen 29-jährigen Industriemechaniker, der beschuldigt wurde, einer Kollegin ein scharfes Filetiermesser gefährlich nah an den Hals gehalten zu haben. Er war bei der Beklagten seit Juni 2019 beschäftigt und arbeitete am 01.06.2022 mit der Kollegin und einem weiteren Kollegen an einem Probierstand, als sein Umgang mit dem Messer ihn fast den Job gekostet hätte. Das Messer, dass eine Klingenlänge von ca. 20 cm hatte, war gefährlich nahe dem Hals der Kollegin gekommen (10 cm bis 20 cm) so dass der Arbeitgeber deren Leib und Leben bedroht sah und mit einer fristlosen Kündigung, hilfsweise ordentlichen Kündigung, reagiert hat. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht.
Arbeitsgerichte haben Zweifel am Vorsatz
Sowohl das Arbeitsgericht Lübeck als auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden, dass sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung unwirksam seien. Sie sahen keinen hinreichenden Kündigungsgrund. Zwar wurde anerkannt, dass eine ernsthafte Bedrohung von Kollegen grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellen kann. Jedoch bedarf es hierfür eines nachweisbaren Vorsatzes seitens des Arbeitnehmers.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Arbeitnehmer möglicherweise das Messer unachtsam gehandhabt hatte, ohne jedoch die Absicht zu haben, seine Kollegin zu bedrohen oder zu verletzen. Es wurde auch festgestellt, dass kein bewusster und aktiver Versuch seitens des Klägers vorlag, das Messer an den Hals der Kollegin zu halten. Der Arbeitgeber habe daher überreagiert. Er hätte deshalb als milderes Mittel das Fehlverhalten des Arbeitnehmers zunächst mit einer Abmahnung ahnden müssen.
Fazit
Dieser Fall unterstreicht die Wichtigkeit einer differenzierten Betrachtung in Fällen von potenziell gefährlichem Verhalten am Arbeitsplatz. Nicht jede unachtsame oder gefährliche Handlung rechtfertigt unmittelbar eine Kündigung. Insbesondere muss der Nachweis eines Vorsatzes oder einer ernsthaften Bedrohung erbracht werden. Zudem spielt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine zentrale Rolle. Eine Abmahnung wäre in diesem Fall das angemessenere Mittel gewesen, bevor zu schwerwiegenderen Maßnahmen wie einer Kündigung gegriffen wird.
Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie bei der Beurteilung von Vorfällen, die potenziell eine Kündigung rechtfertigen könnten, sorgfältig prüfen müssen, ob tatsächlich alle Kriterien für eine solche Maßnahme erfüllt sind.
Für Arbeitnehmer ist es eine Erinnerung, dass auch unachtsames Verhalten ernsthafte arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, insbesondere wenn es um die Sicherheit am Arbeitsplatz geht und man daher derbe Späße besser lassen soll, wenn einem der Arbeitsplatz lieb ist. Gerade aufgrund des Umstands, dass Messerattacken in Deutschland zwischenzeitlich nicht ungewöhnlich sind, hätte der Fall aus Sicht des Arbeitnehmers auch leicht ins Auge gehen können. Hätte er das Messer nicht aufgrund seiner Tätigkeit am Probierstand des Arbeitgebers beruflich in Händen gehabt, sondern mitgebracht und aus der Tasche gezogen, dann wäre der Fall sicherlich anders entschieden worden.