Wer seinen Nachlass lebzeitig durch Schenkung oder von Todes wegen durch Testament verteilen möchte, der sollte stets, jedenfalls dann, wenn er unliebsame Überraschungen für die Bedachten vermeiden möchte, die Schenkungsteuer- bzw. Erbschaftsteuerfreibeträge im Blick behalten. Dass aufgrund derzeitiger Rechtslage die Freibeträge bei Schenkung und Erbschaft für Ehegatten bei 500.000 €, für Kinder bei 400.000 € und für Enkelkinder bei 200.000 € liegen, das wissen die meisten Geber, die sich näher mit der Regelung ihres Nachlasses befasst haben. Wie aber sieht es mit Urenkeln aus? Dort beläuft sich der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auf lediglich 100.000 €, dies jedenfalls dann, wenn Eltern und Großeltern noch nicht verstorben sind (BFH, Beschluss vom 27. Juli 2020, II B 39/20 (AdV).
Schenkung der Urgroßmutter bescheren Urenkeln Ärger mit dem Fiskus
Auslöser des Rechtsstreits war eine Schenkung eine Immobilie der Urgroßmutter an ihre beiden Urenkel. Ihrer Tochter, also der Großmutter der Urenkel, räumte sie einen Nießbrauch ein, wodurch der Wert der Zuwendung entsprechend reduziert wurde. Im Rahmen der Schenkungsteuer machten dann die Urenkel Freibeträge von jeweils 200.000 € für „Kinder der Kinder“ geltend. Das Finanzamt akzeptierte allerdings nur jeweils 100.000 € für „Abkömmlinge der Kinder“. Urenkel seien nämlich, im Gegensatz zu entgehen, gerade keine „Kinder der Kinder“, sondern als bloße Abkömmlinge zu qualifizieren. Dies wiederum wollten die Urenkel nicht akzeptieren und zogen vor Gericht. Da auch das zunächst angerufene FG Düsseldorf (6. Mai 2020, 4 V 794/20 A (Erb) nicht abgeholfen hat, landete der Rechtsstreit schließlich beim BFH.
BFH wendet restriktive Sichtweise an
Auch beim BFH hatten die Urenkel keinen Erfolg, denn auch dort wurde die restriktive Sichtweise des Finanzamts gebilligt. Zur Begründung haben die Richter ausgeführt, dass das Erbschaftsteuer- und Schenkungsgesetz die steuerliche Belastung zum einen über Steuerklassen und zum anderen über Freibeträge regelt. Das Gesetz würde dabei zwischen Kindern einerseits und Abkömmlingen andererseits differenzieren. Während Abkömmlinge in gerader Linie allesamt der Steuerklasse 1 angehörten würde dann eine Differenzierung aufgrund gestaffelter Freibeträge erfolgen. Da Kinder lediglich Kinder und nicht sonstige Abkömmlinge sein, würde insoweit nur die Kinder mit einem Steuerfreibetrag von 400.000 € und die Kinder der Kinder, also Enkel, mit einem Steuerfreibetrag von 200.000 € begünstigt. Die entfernteren Abkömmlinge, zu denen die Urenkel zählen, erhalten damit lediglich einen Freibetrag von 100.000 €. Dies gelte jedenfalls soweit weder Großeltern noch Eltern vor verstorben seien.
Anmerkung:
Während Schenker, vorausgesetzt, es ist noch genug Vermögen vorhanden, nicht bedachte steuerliche Probleme noch dadurch kaschieren können, in dem im Rahmen einer weiteren Zuwendung dann die zur Zahlung der Steuer erforderlichen Beträge geschenkt werden, können Fehler bei der Verteilung im Nachlass und unberücksichtigte Steuerlasten schnell dazu führen, dass Erben, die nicht über die nötige Liquidität verfügen, arg in die Bredouille kommen. Im schlimmsten Fall muss der zugewandte Vermögenswert belastet oder veräußert werden, um die Steuerschulden bedienen zu können.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.