Ein Insolvenzverwalter verwertet im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Insolvenzmasse, wodurch Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit entsteht. Diese Steuerschulden begleicht der Insolvenzverwalter aber nicht, sondern meldet Masseunzulänglichkeit an. Das Insolvenzverfahren wird nun aufgehoben und dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt.
Was glauben Sie passiert nun? Geht das Finanzamt leer aus oder haftet gar der Insolvenzverwalter, durch dessen Handeln die Steuerschulden erst entstanden sind?
Nein, Sie ahnen es schon. Das Finanzamt kann sich nun die Steuerschulden beim Schuldner des Insolvenzverfahrens holen (BFH, Urteil vom 18.11.2017 – VII R 1/16).
Finanzamt verlangt nach Beendigung des Insolvenzverfahrens während des Verfahrens entstandene Steuerschulden vom Schuldner
In dem entschiedenen Rechtsstreit war zunächst über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Eine solche Eröffnung bedeutet, dass der vom Insolvenzgericht als Gutachter bestellt vorläufige Insolvenzverwalter zu dem Ergebnis gelangt war, dass hinreichend Masse vorhanden ist, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken.
Der Insolvenzverwalter hat dann Insolvenzmasse verwertet. Durch die Verwertung war Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit entstanden. Diese Steuerschulden hat der Verwalter aber nicht bezahlt, sondern stattdessen Masseunzulänglichkeit erklärt, so dass das Insolvenzverfahren eingestellt und dem Schuldner Restschuldbefreiung nach § 301 InsO erteilt worden war.
Das Finanzamt wandte sich nun an den Schuldner und verlangte von diesem die Bezahlung der Steuern, die durch die Veräußerung der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter entstanden waren. Da das Finanzamt nicht erst klagen muss, sondern seine Forderungen selbst festsetzen kann, hat es diese dann kurzerhand mit anderweitigen Erstattungsansprüchen des Klägers verrechnet.
Restschuldbefreiung erfasst Masseverbindlichkeiten nicht
Der Kläger zog gegen das Finanzamt vor Gericht und war zunächst vor dem Finanzgericht auch erfolgreich. Hier wurde der Bescheid des Finanzamts mit der Begründung aufgehoben, dass der Schuldner für Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters nicht einstehen müsse.
Das Finanzamt gab aber nicht auf und legte erfolgreich Revision zum BFH ein. Dort wurde die Entscheidung des Finanzgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung der Bundesrichter werden nämlich Masseverbindlichkeiten weder von einer Restschuldbefreiung erfasst noch steht der Verrechnung einer sich aus dem Insolvenzverfahren ergebenden Haftungsbeschränkung entgegen.
Die Richter räumten zwar ein, dass es das Ziel des Insolvenzverfahrens sei dem redlichen Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Da die Restschuldbefreiung nach § 301 InsO aber ausdrücklich auf Insolvenzgläubiger beschränkt sei, werde der Schuldner von Masseverbindlichkeiten nicht befreit. Hätte dies der Gesetzgeber gewollt, so die Richter, dann hätte er dies auch regeln müssen.
Um sicherzustellen, dass der Fiskus zu seinem Geld kommt, setzten die Finanzrichter auch gleich noch einen drauf und erklärten, dass soweit die Rechtsprechung des BGH von einer Einrede der Haftungsbeschränkung für Masseverbindlichkeiten, die nach Verfahrenseröffnung durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet worden sind, ausgeht, diese Rechtsprechung auf Steuerschulden nicht zu übertragen sei, dies also privilegiert behandelt werden.
Erhebliches Haftungsrisiko des Insolvenzschuldners bei massearmen Verfahren
Fazit aus dieser Entscheidung ist also, dass immer dann, wenn der Insolvenzverwalter durch Verwertungshandlungen Steuerschulden entstehen lässt, die er dann aus der Insolvenzmasse nicht begleicht, weil diese anderweitig verwendet wird und dann das Verfahren wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt wird, der Schuldner damit rechnen muss nachträglich vom Fiskus auf Begleichung der Steuerschulden in Anspruch genommen zu werden. Hier besteht also ein erhebliches Nachhaftungsrisiko in massearmen Verfahren.