Darüber, ob die von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen sinnvoll oder weniger sinnvoll bis unsinnig sind, kann man durchaus geteilter Meinung sein. Dies nicht zuletzt, weil augenscheinlich die Sanktionen Europa, insbesondere Deutschland, mehr schaden als der Ukrainer nutzen.
Jetzt hat die EU in ihrem achten Sanktionspaket, mit denen auf die aus Sicht der EU völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson sowie Schaporischschja reagiert hat, ein neues Kapitel aufgeschlagen, in dem die Sanktionsverordnung 833/2014 ergänzt wurde und damit ab dem 07.10.2022 es Rechtsanwälten (und Notaren) untersagt wird Beratungsleistungen für die russische Regierung, in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu erbringen. Verboten ist dabei, vereinfacht ausgedrückt, die anwaltliche Beratung, nicht aber die Vertretung vor Gericht. Vor dem Stichtag bestehende Beratungsmandate dürfen noch bis zum 08.01.2023 abgewickelt werden. Auch Beratungsleistungen in den Bereichen öffentliche Gesundheit und Naturkatastrophen sowie für Softwareaktualisierungen werden von dem Verbot nicht erfasst.
Ein Verstoß ist kein Kavaliersdelikt, denn Verstöße gegen das Dienstleistungsangebot werden nicht nur nach § 18 Abs. 1 AWG mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren geahndet, sondern Verträge, die gegen dieses Verbot abgeschlossen werden, sind wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig, sodass außenstehende Honorare nicht mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden können.
Anmerkung:
Auch, wenn durch dieses Verbot die Mehrzahl der in Deutschland tätigen Rechtsanwälte nicht betroffen sein dürfte, weil hier eher international tätige Großkanzleien als Adressaten des Verbots in Betracht kommen, so ist nach Auffassung des Verfassers ein solches Verbot gleichwohl ein Novum und mit den Grundsätzen des Rechtsstaats nicht zu vereinbaren. Der Rechtsstaat gebietet dass jedermann das Recht hat, also auch Russen, sich in Rechtsangelegenheiten durch einen Rechtsanwalt, der frei gewählt werden darf, beraten und vertreten zu lassen. Eine Aufspaltung wie sie hier vorgenommen wird in Beratung einerseits, die grundsätzlich verboten ist und Vertretung andererseits, die grundsätzlich zulässig ist, ist auch völlig praxisfern, weil regelmäßig Beratung und Vertretung nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Jeder Vertretung geht zunächst eine Beratung voraus, um überhaupt abzuklären, ob eine Vertretung gegenüber einer Behörde oder einem Gericht überhaupt rechtlich sinnvoll erscheint. Von daher werden die Regelungen jedenfalls so interpretiert werden müssen, dass eine Beratung im Vorfeld eines Rechtsstreits nicht erfasst ist. Gleichwohl, wenn der Staat jetzt beginnt Anwälten vorzuschreiben, wer wann vertreten werden darf, dann ist dies nicht nur mit dem Status eines Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht zu vereinbaren und bedeutet zudem einen Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit, sondern dies stellt eine Gefahr für den Rechtsstaat dar. Ein funktionierender Rechtsstaat muss, bei richtigem Verständnis, auch aushalten, dass Russen, ohne Wenn und Aber bei Bedarf Anspruch auf rechtliche Beratung und Vertretung haben. Dies ist, ob es gefällt oder nicht, ein unantastbares Menschenrecht.