Vorsicht beim Abriss von Gebäuden mit gemeinsamer Grenzwand: Grenzen zwei Gebäude aneinander und lässt einer der Nachbarn sein Gebäude abreißen, so dass die gemeinsame Grenzwand nun der Witterung ausgesetzt ist, dann muss er die nun freigewordene Grenzwand vor eindringender Feuchtigkeit schützen. Versäumt er dies und kommt es zu einem Feuchtigkeitsschaden, dann haftet neben dem Bauunternehmen auch der Nachbar (OLG Hamm, Urteil vom 03.07.2017 – 5 U 104/16).
Gemeinsame Grenzwand ist nach Abriss ohne Schutz
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn mit aneinandergrenzenden Doppelhaushälften, die durch eine gemeinsame Giebelwand voneinander getrennt waren. Der Beklagte ließ seine Doppelhaushälfte von einem Bauunternehmen abreißen und neu errichten. Im Rahmen dieser Baumaßnahme war die Grenzwand freigelegt worden und Witterungseinflüssen, insbesondere Schlagregen, ausgesetzt, so dass Feuchtigkeit eingedrungen war, die zu Schimmelbildung im Hause des Klägers geführt hatte. Dies war im Rahmen eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens festgestellt worden.
Da der Bauunternehmer zwischenzeitlich insolvent war, wandte sich der Kläger an seinen Nachbarn als Bauherrn und wollte unmittelbar von diesem Schadenersatz.
Landgericht lehnt Einstandspflicht für Verschulden des Bauunternehmers ab
Vor dem Landgericht wurde die Klage abgewiesen.
Die Richter begründeten dies damit, dass auf das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis die Vorschriften über das Schuldrecht keine Anwendung fänden, so dass der Bauherr nicht für das Verschulden des Bauunternehmers einstehen müsse.
Auch eine Haftung aus Deliktsrecht wurde abgelehnt, weil der Bauherr selbst nicht schuldhaft gehandelt hatte und der Bauunternehmer kein Verrichtungsgehilfe gewesen wäre.
OLG Hamm bejaht Schuldverhältnis für Grenzeinrichtungen
Zur allgemeinen Überraschung war dann allerdings die Berufung des Klägers erfolgreich, denn anders als das Landgericht, kam das OLG zu dem Ergebnis, dass der Nachbar für die pflichtwidrig unterlassene Abdichtungsmaßnahmen durch den Bauunternehmer nach den Vorschriften über die schuldrechtliche Erfüllungsgehilfenhaftung, § 278 BGB, einzustehen habe.
Nach Auffassung der Richter würde zwar zwischen Grundstücksnachbarn grundsätzlich nicht das für ein gesetzliches Schuldverhältnis typische Geflecht wechselseitiger Duldungs-, Mitwirkungs- und Leistungspflichten bestehen. Das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis konkretisierte im Wesentlichen nämlich nur die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, seien aber keine Grundlage für die ein Schuldverhältnis kennzeichnenden Rechte und Pflichten.
Im vorliegenden Fall würde aber etwas anderes gelten, weil sich die Pflichtverletzung auf eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung, nämlich die Giebelwand, bezieht. Diese sei dazu bestimmt, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden.
Deswegen liege jedenfalls in Bezug auf die gemeinschaftliche Grenzeinrichtung ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Nachbarn vor, auf welches die schuldrechtlichen Vorschriften der Erfüllungsgehilfenhaftung, § 278 BGB, anzuwenden seien.
Daraus folge, dass ein Geschädigter auch von seinem Grundstücksnachbar wegen eines schuldhaften Verhaltens des vom Nachbarn beauftragten Unternehmers Schadensersatz verlangen könne. Das Verhalten des Unternehmers als Erfüllungsgehilfe sei dem Grundstücksnachbar zuzurechnen. Der den Bauunternehmer beauftragende Grundstücksnachbar und nicht der Geschädigte trage deswegen ein Insolvenzrisiko des Bauunternehmers.
Revision zum BGH zugelassen
Das OLG Hamm hat aber, weil die Frage, ob schuldrechtliche Vorschriften auf nachbarliche Beziehungen in Bezug auf eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung anzuwenden sein noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und die Entscheidung damit grundsätzliche Bedeutung habe die Revision zum BGH zugelassen. Es bleibt daher abzuwarten, ob die hier vom OLG gewählte Konstruktion auch tatsächlich Bestand haben wird.