Sind in einem Erbfall die Erben nicht bekannt und besteht ein Sicherungsbedürfnis, dann ordnet das Nachlassgericht eine sog. Nachlasspflegschaft an. Da durch die Anordnung einer Nachlasspflegschaft zulasten des Nachlasses Kosten entstehen, kommt es immer wieder mit möglichen Erben zu Streit darüber, ob die Anordnung überhaupt erforderlich, insbesondere aber rechtmäßig war. Ein solcher Streit ist allerdings meistens nicht erfolgreich, denn die Anordnung einer Nachlasspflegschaft ist auch dann rechtmäßig, wenn ein entfernter Verwandter eine Stellung als gesetzlicher Erbe behauptet, aber nicht in der für die Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Form nachgewiesen hat, selbst wenn diesem eine über den Tod hinausgehende Generalvollmacht erteilt worden ist (OLG München, Beschluss vom 16.08.2018 – 31 Wx 145/18).
Anordnung einer Nachlasspflegschaft sorgt für Streit
Im entschiedenen Rechtsstreit war der Erblasser verstorben, ohne ein Testament errichtet zu haben. Auch gesetzliche Erben der ersten oder zweiten Ordnung waren nicht ersichtlich. Deshalb ordnete das Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft an und bestellte einen Rechtsanwalt zum Nachlasspfleger.
Dagegen legte eine entfernte Verwandte des Erblassers Beschwerde ein. Gleichzeitig legte sie einige, aber nicht sämtliche Geburtsurkunden vor, um ihre gesetzliche Erbenstellung gegenüber dem Nachlassgericht zu beweisen. Sie war daher der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft, nämlich „unbekannte Erben“ nicht gegeben sei. Weiter trug sie vor, dass auch kein Sicherungsbedürfnis bestehen würde, weil sie Inhaberin einer Generalvollmacht des Erblassers sei, die ausdrücklich über den Tod hinaus bis zum Widerruf durch den Erben gelten würde. Der Nachlasspfleger habe zwar diese Vollmacht widerrufen. Dies sei aber unbeachtlich, weil nach ihrem Verständnis bereits der Nachlasspfleger nicht wirksam bestellt worden wäre.
OLG München bejaht Bedürfnis für Anordnung einer Nachlasspflegschaft
Da das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen hat, landete der Rechtsstreit schließlich beim OLG München als Beschwerdegericht. Aber auch dort wurde die Beschwerde zurückgewiesen, denn die Richter waren der Auffassung, dass beide Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft, nämlich „unbekannte Erbe“ und „Sicherungsbedürfnis“ vorliegen würden und zwar sowohl zum Zeitpunkt der Anordnung der Nachlasspflegschaft als auch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
Erbenstellung nicht im Rahmen eines Erbscheinverfahrens nachgewiesen
Zwar habe die Beschwerdeführerin behauptet entfernte Verwandte des Erblassers und damit Erben der dritten Ordnung zu sein. Diese Erbenstellung hatte sie allerdings nicht gegenüber dem Nachlassgericht in der ordnungsgemäßen Form im Rahmen eines Erbscheinverfahrens mit Vorlage aller Geburts- und Sterbeurkunden lückenlos nachgewiesen. Sie hatte auch nicht nachgewiesen, dass alle der mit dem Erblasser näher verwandten Personen bereits vorverstorben waren. Der Umstand, dass sie möglicherweise mit dem Erblasser verwandt sei und damit als mögliche Erbin in Betracht käme sei aber kein Grund für das Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft abzulehnen, denn es könne ja noch unbekannte Erben geben.
Sicherungsbedürfnis im Interesse des endgültigen Erben gegeben
Weiter haben die Richter am OLG auch ein Sicherungsbedürfnis bejaht, denn dieses ist dann gegeben, wenn ohne Eingreifen des Nachlassgerichts der Bestand des Nachlasses gefährdet ist. Dies beurteilt sich ausschließlich nach den Interessen der endgültigen Erben.
Ein Sicherungsbedürfnis nach § 1960 BGB kann zwar fehlen, wenn dringliche Nachlassangelegenheiten von einer bevollmächtigten, handlungsfähigen Person erledigt werden können und missbräuchliche Verfügungen vor Erbscheinerteilung ausgeschlossen sind. Das Vorliegen einer bloßen Generalvollmacht genügt dafür allerdings nicht. Da hier eine missbräuchliche Verwendung der Generalvollmacht nicht ausgeschlossen werden kann, kam es, so die Richter, nicht entscheidend darauf an, ob diese vom Nachlasspfleger wirksam widerrufen worden ist. Weiter hat das Gericht ausgeführt, dass die Erbenermittlung zu den zentralen Aufgaben des Nachlasspfleger zählt. Deshalb kann sich das Sicherungsbedürfnis bereits daraus ergeben, dass mögliche Erben noch zu ermitteln sind. Eine bloß mögliche Verwandtschaft der Beschwerdeführerin zum Erblasser ändere daran nichts.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.