Wer die Frage, ob die Kopie eines handschriftlichen Testaments zum Nachweis der Erbenstellung ausreichen kann vorschnell verneint, der greift zu kurz.
Sicherlich ist es grundsätzlich so, dass ein privatschriftliches Testament, um formwirksam zu sein, handgeschrieben und vom Erblasser auch eigenhändig unterschrieben sein muss. Die Kopie eines Testaments erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Gleichwohl kann aber, wenn ein Testament unauffindbar ist, von der Kopie auf die wirksame Testamentserrichtung geschlossen werden, wenn derjenige, der sich darauf beruft, den Nachweis für die formwirksame Errichtung und den Inhalt erbringen kann. Dies hat das OLG Köln in seinem Beschluss vom 02.12.2016 (2 Wx 550/16) entschieden.
Erbrechtliche Ausgangssituation
In dem entschiedenen Rechtsstreit hatten Ehegatten sich zunächst in einem gemeinschaftlichen notariellen Testament aus dem Jahr 1995 zu Erben eingesetzt und dabei folgendermaßen testiert:
„…sie erklären ein gemeinschaftliches, wechselbezügliches Testament (her-vorgehoben im Original) errichten zu wollen. … Wir heben die vorbezeichneten letztwilligen Verfügungen auf. Wir nehmen gleichzeitig Bezug auf die Erbverzichtsverträge mit Abfindungsvereinbarungen, die der Ehemann mit seinem Sohn und die Ehefrau mit ihrer Tochter geschlossen haben. Wir widerrufen vorsorglich jede eventuell andere, heute nicht erwähnte früher errichtete letztwillige Verfügung und erklären unseren letzten Willen nunmehr wie folgt:
§ 1
Wir setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zum alleinigen Erben ein.
§ 2
Zu unserem Erben nach dem Tode des Längstlebenden von uns berufen wir beide die … e.V. in …
§ 3
Weitere Anordnungen treffen wir nicht.“
Die in diesem Testament genannten Erbverzichtsverträge mit Abfindungsvereinbarung waren am selben Tage der Testamentserrichtung geschlossen worden.
Nachdem der Ehemann vorverstorben war errichtete die Erblasserin 2014 ein weiteres notarielles Testament. In diesem erklärte sie, dass das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1995 nicht wechselbezüglich sei und verwies zusätzlich auf die Rechtsprechung, wonach bei der Einsetzung einer gemeinnützigen oder karitativen Organisation als Schlusserbe von einer Wechselbezüglichkeit dieser Erbeinsetzung nicht ausgegangen werden kann. Sodann setzte sie ihren Enkel zu ihrem Alleinerben ein.
Im gemeinschaftlichen Testament benannter Schlusserbe beantragt und erhält Erbschein
Der im gemeinschaftlichen Testament als Schlusserbe benannte… e.V. beantragte und erhielt vom Nachlassgericht einen Erbschein. Dieses begründete seine Entscheidung u.a. damit, dass die Überschrift „Gemeinschaftliches, wechselbezügliches Testament“ ebenso für eine bindend gewollte Erbeinsetzung der … e.V. spreche, wie der Umstand, dass Erbverzichtsverträge und Abfindungsvereinbarungen mit den jeweiligen Kindern geschlossen wurden. Die gegen den Erbschein gerichtete Beschwerde des am Verfahren beteiligten Enkels hat das OLG zurückgewiesen.
Übergangener Erbe legt Kopie eines handschriftlichen weiteren Testaments vor
Nach Abschluss des Verfahrens legte der als Erbe übergangene Enkel die Kopie eines handschriftlichen Testaments vom 26.04.2011, das von der Erblasserin errichtet und von deren Ehemann unterzeichnet und den Enkel als Schlusserben auswies vor. Gleichzeitig beantragte er die Erteilung eines auf ihn lautenden Erbscheins und die Einziehung des bereits erteilten Erbscheins.
Auch die Kopie eines handschriftlichen Testaments kann zum Nachweis der Erbfolge ausreichen
Da das Nachlassgericht die Anträge zurückgewiesen hat, landete der Rechtsstreit neuerlich beim OLG. Dieses sei die Rechtslage nicht so eindeutig zulasten des Enkels, ob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Nachlassgericht zurück.
Dies deshalb, weil ein nicht mehr vorhandenes Testament, so die Richter, nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig ist. Es besteht im Falle der Unauffindbarkeit eines Testaments auch keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser vernichtet worden und deshalb gemäß § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist. Die Vorfrage, ob das Testament vom 26.04.2011 wirksam errichtet worden ist, durfte das Nachlassgericht aufgrund des Sachvortrags des Antragstellers nicht offen lassen. Das Nachlassgericht wird daher zu ermitteln haben, ob das Testament vom 26.04.2011 formwirksam errichtet worden ist. Wer sich, wie der Antragsteller, auf ein unauffindbares Testament beruft, muss die formgültige Errichtung und den Inhalt des Testaments beweisen und trägt im Verfahren auf die Erteilung eines Erbscheins insoweit die Feststellungslast. An den Nachweis sind wegen der für die Errichtung des Testaments geltenden Formvorschriften strenge Anforderungen zu stellen. Eine Kopie des Originaltestaments kann als Nachweis aber ausreichen, wenn mit ihr die formgerechte Errichtung eines Originaltestaments nachgewiesen werden kann. Durch das Nachlassgericht wird daher zu klären sein, ob das Testament vom 26.04.2011 im Original von der Erblasserin und ihrem Ehemann unterschrieben worden ist. Hierzu ist ein graphologisches Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Ob der Sachverständige zu der Beweisfrage Feststellungen wird treffen können, wird der Sachverständige zu bewerten haben und nicht – wie im angefochtenen Beschluss geschehen – das Nachlassgericht.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.