Wer als Geschäftsführer einer GmbH nicht binnen 3 Wochen nach Eintritt der Insolvenzreife Insolvenzantrag gestellt, der läuft Gefahr später vom Insolvenzverwalter für freigegebene Zahlungen persönlich zur Kasse gebeten zu werden. Die Regelung, die zunächst in § 64 GmbH-Gesetz a.F. geregelt war, ist zwischenzeitlich in § 15 b InsO enthalten. In massereiches Verfahren, in denen eine Inanspruchnahme des Geschäftsführers an sich nicht erforderlich ist damit die Gläubiger eine 100 %-Befriedigung erhalten, ist es vom Wortlaut der Vorschriften dennoch möglich, dass ein Insolvenzverwalter den Geschäftsführer aus Geschäftsführerhaftung in Anspruch nimmt. Gerade bei höheren Streitwerten, fließen durch einen solchen Rechtsstreit, zusätzlich Anwaltsgebühren in die Kasse der Insolvenzverwalterkanzlei und das, obwohl – aus Sicht der Masse – ein solcher Rechtsstreit nutzlos ist, weil nach der Rechtsprechung vom BGH-Vorbehalt der Insolvenzverwalter den erstritten Betrag später wieder an den Geschäftsführer zurückzahlen muss.
Wir haben gerade für einen Geschäftsführer eine Verfassungsbeschwerde gefertigt, der Unglaubliches erlebt hat: Obwohl im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme bereits absehbar war, dass die Gläubiger nach § 38 InsO mit großer Wahrscheinlichkeit voll befriedigt werden, weil der Verwalter schon über 60 % teilausgeschüttet hatte und zum Zeitpunkt der Klageeinreichung bereits Vollbefriedigung vorlag, musste er zunächst einen Rechtsstreit bis zum BGH und zurück führen, weil weder sein Rechtsvertreter noch die damit befassten Gerichte (Anm: der BGH-Vorbehalt ist im Urteil von Amts wegen aufzunehmen) die Rechtsprechung vom BGH-Vorbehalt kannten und er am Ende so in die Enge getrieben wurde, dass er vor der Drohung des Gerichts ihn antragsgemäß im Rahmen einer Teilklage zur Zahlung von 1,3 Millionen € zu verurteilen und der Drohung des Insolvenzverwalters ihn durch die Zwangsvollstreckung dieser Forderung in die Privatinsolvenz zu treiben, einen für ihn wirtschaftlich ungünstigen Vergleich abschließen musste. Nachdem im nachfolgenden Regressprozess zunächst das Landgericht schon keine Pflichtverletzung des Rechtsanwalts erkennen konnte, das OLG dann in der Berufung zwar eine Pflichtverletzung annahm, aber die Kausalität für den Schadenseintritt verneint hat, und dabei willkürlich entscheidungserheblichen Vortrag übergangen hat, soll nun das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort sprechen.
Für den Fall, falls auch Sie sich als Geschäftsführer einer notleidenden GmbH in einer ähnlichen Situation befinden, sollten Sie dazu folgendes wissen:
Wortlaut der Vorschrift ist zu weit gefasst…
Nach dem zu weit gefassten Wortlaut von § 64 GmbH-Gesetz a.F. bzw. jetzt 15 b InsO kann ein Insolvenzverwalter grundsätzlich auch dann gegen den Geschäftsführer vorgehen, wenn dessen Zahlung zur Erreichung des Insolvenzzwecks im Sinne von § 1 InsO, die Gläubiger zu befriedigen, nicht erforderlich ist.
… daher ist Rückforderungsanspruch im Urteil vorzubehalten
Um dies zu verhindern hat der BGH (Urteil vom 11.07.2005 – II ZR 235/03) bereits entschieden, dass zur Vermeidung einer Bereicherung der Masse der beklagte Geschäftsführer das Recht hat, dass im Urteil vorzubehalten ist, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hat, nach der Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies nichts anderes, als dass der Geschäftsführer zunächst zur Masse zahlt, ihm dann aber das Recht vorbehalten ist, eine etwaige Überzahlung wieder zurückzuverlangen.
Einrede für den Geschäftsführer?
Was aber ist, wenn bereits zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme absehbar ist oder feststeht, dass zur Befriedigung der Gläubiger die dem Grunde nach geschuldete Zahlung des Geschäftsführers gar nicht erforderlich ist? Darf hier der Geschäftsführer gleichwohl zunächst in Anspruch genommen werden, damit dann der Insolvenzverwalter bei Abschluss des Verfahrens den Überschuss wieder an ihn ausgekehrt, sodass seine Inanspruchnahme einem Null-Summen-Spiel gleichkommt? Oder aber kann der Geschäftsführer der Inanspruchnahme mit der sog. dolo-agit-Einrede (Rechtsmissbrauch) entgegnen?
Parallele zum Anfechtungsrecht
Im Insolvenzrecht gibt es zwei rechtlich vergleichbare Sachverhalte, bei denen ein Insolvenzverwalter befugt ist, Vermögensabflüsse bei der Schuldnerin zur Mehrung der Masse zurückzuholen. Dies sind neben der Geschäftsführerhaftung die insolvenzrechtlichen Anfechtungsansprüche.
Für die Insolvenzanfechtung gemäß § 129, 143 InsO hat der BGH (Urteil vom 20. Februar 2014 – IX ZR 164/13 – juris, Rn. 20) bereits entschieden, dass ein solcher Anfechtungsanspruch mangels Gläubigerbenachteiligung nicht besteht, wenn die Masse ohne Anfechtung ausreicht, um alle Gläubiger zu befriedigen.
In der Literatur hat sich in der Folge wegen des engen inhaltlichen und systematischen Zusammenhangs zwischen der Insolvenzanfechtung gemäß den §§ 129, 143 InsO und dem Erstattungsanspruch des Geschäftsführers gemäß § 64 GmbHG eine Auffassung herausgebildet, wonach auch der Erstattungsanspruch nach § 64 GmbHG entfällt, wenn die Insolvenzmasse neben den Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ausreicht, um alle Insolvenzgläubiger zu befriedigen (Baumbach/Hueck/Haas, GmbH-Gesetz, 22. Auflage, § 64 Rn. 27a; Haas, Festschrift für Wimmer, 2017, S. 243, [257 f.]). Wegen des nach der Lebenserfahrung geltenden Anscheinsbeweises dafür, dass in einem eröffneten Verfahren die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu befriedigen, ist von dem Anfechtungsgegner bzw. dem Geschäftsführer jedoch substantiiert darzulegen, dass die Masse ausreicht, um alle zu berücksichtigenden Gläubigerforderungen zu tilgen (BGH – IX ZR 164/13 – a.a.O. – juris, Rn. 20 f.).
Anmerkung:
Losgelöst von der vom BGH noch nicht entschiedenen Frage, ob die Vollbefriedigung bereits per se einer gerichtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers entgegengestanden hat, hätte dieser – bei sachgerechter Beratung -, anstatt bis zum BGH und zurück darüber zu prozessieren, ob überhaupt eine Insolvenzreife vorgelegen hat, für sich selbst kostengünstig die Angelegenheit dadurch beenden können, dass er entweder mit dem Insolvenzverwalter eine Vereinbarung darüber trifft, dass er auf die Einrede der Verjährung verzichtet und dieser so die Möglichkeit hat abzuwarten, ob eine Inanspruchnahme des Geschäftsführers überhaupt erforderlich ist oder aber jedenfalls, wenn der Insolvenzverwalter sich nicht von einem Rechtsstreit hätte abbringen lassen, die Forderung unter Vorbehalt anerkannt worden wäre. Dann wäre er lediglich mit den Verfahrenskosten für das Anerkenntnisurteil belastet worden, hätte aber seine Zahlung an die Masse zurückbekommen.
In dem vorgenannten Rechtsstreit hätte der Insolvenzverwalter das Verfahren bereits nach einem Jahr abschließen können. Durch den Rechtsstreit gegen den Geschäftsführer hat er die Verfahrensdauer auf 9 Jahre verzögert. Der Insolvenzverwalter hatte sich auch selbst für den Rechtsstreit beauftragt, hatte also entgegen seiner Verpflichtung versäumt die Entscheidung der Gläubigerversammlung zu überlassen, wobei zu vermuten ist, da die Gläubiger durch diesen Prozess keinen Vorteil haben, er sich den lukrativen Prozess nicht entgehen lassen wollte.