Im Erbscheinverfahren richten sich die Gerichtsgebühren und, soweit eine anwaltliche Vertretung vorliegt auch Anwaltsgebühren, nach dem Geschäftswert. Dieser bestimmt sich nicht nach dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers, sondern nach dem gesamten Reinnachlass (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2016 – 11 Wx 103/15).
Witwe und Tochter des Erblassers beantragen unterschiedliche Erbscheine
Gestritten hatten die Witwe und die Tochter des Erblassers darüber, ob – so wie von der Witwe beantragt – ein Erbschein zu erteilen ist, der die Witwe zu ½ und die Kinder zu jeweils 1/4 als Miterben ausweist oder aber, ob dem Antrag der Tochter zu entsprechen ist, die beantragt hatte einen Erbschein zu erteilen, der sie und ihren Bruder zu jeweils ½ ausweist. Hauptstreitpunkt war die Wirksamkeit einer Anfechtung eines vom Erblasser mit seiner früheren Ehefrau errichteten Testaments wegen Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten.
Beschwerdeführerin verlangt zur Bestimmung des Geschäftswert Begrenzung auf ihr wirtschaftliches Interesse
Nachdem das Nachlassgericht dem Antrag der Witwe entsprochen hatte und auch die Beschwerde der Tochter zum OLG erfolglos geblieben war, hat das Gericht den Geschäftswert unter Ansatz des gesamten Reinnachlasses festgesetzt. Das ging der Tochter entschieden zu weit. Sie war nämlich der Meinung, es käme maßgeblich auf ihr wirtschaftliches Interesse an und das betrage lediglich 1/8. Sie hätte lediglich einen hälftigen Erbteil in Anspruch genommen und 1/4 davon hätte ihr die Witwe schon selbst zugestanden. Hinzu käme, dass weiter der Pflichtteil der Witwe in Abzug zu bringen gewesen wäre.
OLG dagegen stellt auf Wert des gesamten Reinnachlasses ab
Diese Auffassung vermochte das Gericht nicht zu teilen, weil nicht auf die ermessensgeleitete Wertvorschrift des § 36 GNotKG, sondern auf § 40 GNotKG abzustellen sei. Bei dieser Vorschrift kommt es aber gerade nicht auf das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers an. Zugleich stellten die Richter fest, dass etwaige Pflichtteilsansprüche, die der Witwe bei Erfolg des Beschwerdeverfahren zugestanden hätten, den Geschäftswert nicht mindern, denn nach § 40 Abs. 1 S. 1 GNotKG werden lediglich die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten in Abzug gebracht.
Der Fall verdeutlicht, dass bereits im Erbscheinverfahren, jedenfalls dann, wenn dessen Erteilung in Streit steht, erhebliche Kosten entstehen können. Diese können nur dann vermieden wird, wenn die Beteiligten sich frühzeitig aufeinander zu bewegen und so bereits in einem recht frühen Stadium eine einvernehmliche Regelung anstreben.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.