Deliktische Forderungen stehen der Stundung der Verfahrenskosten gem. § 4 a InsO nicht entgegen, auch wenn sie über 75% der Gesamtverschuldung ausmachen. Dies entschied nunmehr das AG Göttingen mit Beschluss vom 09.12.2015 (71 IN 101/15 NOM), obwohl nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Stundung der Verfahrenskosten ausscheiden soll, wenn ein Schuldner auch aufgrund anderer Umstände Restschuldbefreiung offensichtlich nicht erlangen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16.12.2004, IX ZB 72/03). Dies soll nach dem BGH der Fall sein, wenn die wesentlichen am Verfahren teilnehmenden Forderungen gemäß § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, also bspw. auf vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen beruhen und vom Gläubiger unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs.2 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet werden.
Bei der Auffassung des BGH bleibt jedoch unklar, welcher Prozentsatz für die Wesentlichkeit zugrunde zu legen ist. Nach Ansicht des AG Göttingen ist daher diese Rechtsprechung abzulehnen, denn eine prozentuale Grenzziehung sei problematisch und eine Wertung anhand der Gesamtumstände wenig verlässlich. Zudem seien die Erkenntnismöglichkeiten des Insolvenzgerichts zum Vorliegen deliktischer Forderungen eingeschränkt und von Zufällen (oder freimütigen Angaben des Schuldners) abhängig.
Unklar ist bei Verfahrenseröffnung und Entscheidung über den Stundungsantrag zudem, ob die Deliktsgläubiger die Forderung tatsächlich als deliktische Forderung anmelden werden. Liegt der Anteil einer deliktischen Forderung z. B. bei 25%, wird aber nur diese Forderung angemeldet, steigt der Anteil der deliktischen Forderung auf 100%. In diesem Fall kann die Stundung schwerlich nachträglich aufgehoben werden.
Hinzu komme noch folgendes: Für die ab dem 01.07.2014 beantragten Verfahren ist die Bereichsausnahme in § 302 Nr.1 InsO erweitert um vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährten Unterhalt und bei Verurteilungen wegen einer Steuerstraftat gem. §§ 370 AO, 373 AO, 374 AO.
Bei Unterhaltsforderungen bestehen eine Vielzahl von Zweifelsfragen und bei der Einbeziehung von Verurteilungen gem. §§ 370, 373, 374 AO muss aus Gründen der Arbeitserleichterung für das Insolvenzgericht die Verurteilung rechtskräftig sein. Bei Anmeldung der Deliktseigenschaft muss die Rechtskraft aber noch nicht vorliegen, wie aus der von § 302 Nr.1 InsO abweichenden Formulierung in § 174 Abs.2 InsO aE folgt.