Eine Erbschaft bedeutet meistens Streit ums liebe Geld. Dies insbesondere, wenn der Nachlass unter Geschwistern ungleich verteilt wird, weil beispielsweise ein Kind erbt und das Geschwisterkind oder alle anderen Geschwister enterbt werden. Gerade dann, wenn die Beziehung zwischen den Beteiligten nicht von Anfang an so toxisch ist, dass gleich mit anwaltlicher Hilfe und vor Gericht um den Pflichtteilsanspruch gestritten wird, schrecken manche enterbte, in der Hoffnung den Familienfrieden nicht völlig zu zerstören, zunächst eine Zeit lang davor zurück, ihre Ihnen von Gesetzes wegen eingeräumten Rechte mit Nachdruck durchzusetzen. Wer hier zu lange wartet, der kann nicht nur am Ende zeitlich unter Druck geraten, sondern auch das Nachsehen haben, weil die Ansprüche der Verjährung unterliegen. Problematisch ist dabei aus Sicht der Erben, dass zwar die Dauer der Verjährung mit 3 Jahren für beide Anspruchsarten gleich ist, allerdings die Frist unterschiedlich berechnet werden.
Verjährung des Pflichtteilsanspruchs
Der Pflichtteilsanspruch, § 2303 BGB, betrifft den vorhandenen Nachlass. Die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs beginnt nach § 199 BGB erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Pflichtteil entstanden ist. Wenn also beispielsweise der Erbfall am 01.06.2022, eingetreten ist, dann beginnt die Verjährung am 01.01.2023 und endet am 31.12.2025.
Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
Der Pflichtteilergänzungsanspruch betrifft dagegen den fiktiven Nachlass, also anrechnungspflichtige Geschenke, die der Erblasser oder die Erblasserin lebzeitig, beispielsweise an Ehegatten, Kinder oder sonstige Dritte gemacht hat, § 2325 BGB. Soweit sich die Schenkung nicht durch Zeitablauf „aufgezehrt“ hat, was regelmäßig nach 10 Jahren der Fall ist (Ausnahme Schenkungen an Ehegatten oder Schenkungen bei denen sich der Erblasser/Erblasserin die wirtschaftliche Verfügungsbefugnis, beispielweise doch Einräumung eines Nießbrauchs vorbehalten hat).
Auf die Kenntnis der Schenkung kommt es an
Grundsätzlich gilt auch hier das Vorgesagte, allerdings mit der Besonderheit, dass dann, wenn der Pflicht als berechtigte erst Jahre später von der Schenkung Kenntnis erlangt, es für den Fristbeginn auf die Kenntnis ankommt und erst nach Ablauf von 30 Jahren keinerlei Ansprüche mehr geltend gemacht werden können, § 199 Abs. 3a BGB.
Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen Dritte verjähren früher
Eine weitere Besonderheit besteht allerdings dann, wenn sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht gegen den oder die Erben, sondern einen Dritten richtet. Hier beginnt die Verjährungsfrist bereits mit dem Eintritt des Erbfalls zu laufen, § 2332 BGB, , im oben genannten Beispielsfall also am 02.06.2022, so dass die Verjährung bereits am 01.06.2025 eingetreten ist. Dies bedeutet, dass diejenige, der bis zum letzten Drücker wartet und erst in der 2. Jahreshälfte 2025 seine Ansprüche geltend macht, hinsichtlich etwaiger Pflicht als Ergänzungsansprüche das Nachsehen hat. Dies jedenfalls dann, wenn der Erbe sich auf die Verjährung beruft. Bei der Verjährung handelt es sich nämlich um eine sogenannte Einrede. Dies bedeutet, dass das Gericht dies nicht von Amts wegen berücksichtigen, sondern nur dann, wenn zu Verjährung im Rechtsstreit vorgetragen wird.
Apropos Familienfrieden. Der Verfasser hat in seiner über 25-jährigen Tätigkeit im Erbrecht bislang noch nie erlebt, dass durch Abwarten bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen ein gestörter Familienfrieden wieder hergestellt worden wäre. Von daher bringen sich Pflichtteilsberechtigte nur in zeitliche Bedrängnis, wenn sie nicht zügig nach Eintritt des Erbfalls ihre Ansprüche, nötigenfalls mit anwaltlicher und gerichtlicher Hilfe, durchsetzen.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.