Der Fall Leo Kirch gegen die Deutsche Bank hat bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil zunächst das Landgericht München I, dann das Oberlandesgericht München und schließlich auch der BGH die (übermächtige) Bank zum Schadenersatz verurteilt, und so das Signal gesetzt, haben, dass Banken für das (gedankenlose) Handeln ihrer Mitarbeiter einzustehen haben. Die Gerichte haben dort entschieden, dass die Bank diejenigen Schäden zu ersetzen hat, die dem Kläger aufgrund einer Äußerung des Vorstandsvorsitzenden, die letztendlich den Zusammenbruch des Firmenimperiums herbeigeführt hat, entstanden sind. Nachdem die Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach festgestellt worden ist, haben sich dann später die Erben des Leo Kirch mit der Bank auf einen Zahlbetrag zum Ausgleich des Schadens geeinigt, so dass eine weitere Verurteilung der Bank unterbleiben konnte.
Wer aber glaubt, es würde sich dabei um einen krassen Ausnahmefall handeln, der irrt. In der Praxis kommt es nämlich immer wieder vor, dass Banken ihre Machtposition gegenüber ihren Kunden, sei es unbewusst oder bewusst, ausnutzen und diesen hierdurch erhebliche Schäden zufügen.
Wir haben heute im Mandantenauftrag eine Schadensersatzklage gegen die DZ Bank AG (Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank) eingereicht, bei der es ebenfalls darum geht, dass die Bank dazu verurteilt werden soll, bereits entstandene und zukünftig noch entstehende Schäden zu ersetzen, die durch eine pflichtwidrige Sperrung der Kreditlinie eines Rahmenkreditvertrages über einen Zeitraum von rund 5 Wochen entstanden sind.
Die Kreditnehmerin, ein mittelständisches Unternehmen, das seit mehr als 20 Jahren erfolgreich am Markt tätig ist und auch mehrfach ausgezeichnet worden ist, stand mit der DZ Bank seit 2008 in Geschäftsbeziehung. Im Jahr 2012 hatte sie mit der Bank einen weiteren Rahmenkreditvertrag zur Stärkung der Betriebsmittel abgeschlossen in dem die Bank sich verpflichtet hat für einen zeitlich näher bestimmten Zeitraum einen Kreditrahmen von 1,5 Millionen € zur Verfügung zu stellen. Der Kredit, der mit entsprechenden Sicherheiten hinterlegte Kredit war, war zunächst voll valutiert. In der Zeit von August bis November 2013 hatte die Kreditnehmerin dann rund 980.000 € zurückgeführt, weil zu diesem Zeitpunkt nicht benötigte Liquidität im Unternehmen vorhanden war. Vor der Rückführung hatte sich der Geschäftsführer noch mündlich vom zuständigen Firmenkundenbetreuerteam die Zusage geben lassen, dass ihm die rückgeführten Gelder jederzeit wieder zur weiteren Geschäftstätigkeit während der Vertragslaufzeit auf Abruf zur Verfügung stünden. Im November 2013 hat die Bank dem Unternehmen noch bescheinigt, dass es sich weiterhin gut entwickelt habe und das Geschäftsjahr aufgrund der vorgelegten Zahlen mit Gewinn abschließen werde. Seit November war der Kredit auch nur mit lediglich 530.000 € valutiert, so dass ein Verfügungsrahmen von 970.000 € bestanden hätte.
Mit Schreiben vom 16.01.2014 hat dann der zuständige Firmenkundenbetreuer mitgeteilt, dass die Kreditlinie bis auf weiteres eingefroren werde, weil er festgestellt habe, dass ein im Vertrag vereinbarter Covenant (Eigenkapitalquote) von 24 %, bezogen auf die Bilanz zum Stichtag 31.12.2012, lediglich 23,81 % betragen habe, also die Kennzahl (geringfügig) unterschritten sei. Die Auskunftei Creditreform hat zu diesem Zeitpunkt das Unternehmen mit einer sehr guten Bonität bewertet und bezogen auf die Bilanz 2012 eine Eigenkapitalquote von über 24 % ausgewiesen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, bei dem auf die Bilanz 2011 abgestellt worden war, betrug die Eigenkapitalquote lediglich rund 16 %. Aus den der Bank für das Jahr 2013 vorliegen Unterlagen hätte diese auch ohne weiteres erkennen können, dass selbst dann, wenn vor einem Jahr die Eigenkapitalquote knapp unter 24 % gelegen hatte, was streitig ist, zum Stichtag 31.12.2013, also wenige Tage bevor der Kredit eingefroren wurde, die Eigenkapitalquote deutlich über 24 % liegen wird. Sie lag dann nämlich bei rund 37 %.
Obwohl der Geschäftsführer den Bankmitarbeiter sofort darauf hingewiesen hat, dass das Einfrieren der Kreditlinie erhebliche wirtschaftliche Schäden für das Unternehmen zur Folge haben wird, insbesondere dann 2 anstehende Großaufträge mit einem Auftragslungen von jeweils über 1 Mio € nicht angenommen werden könnten und bei Wegfall dieser Aufträge für einen Zeitraum von mindestens 4 Monaten keine ausreichende Beschäftigung für die Mitarbeiter vorhanden sei, war die Bank erst nach 5 Wochen zähen Verhandlungen bereit den Kredit wieder zu öffnen. Von ihren ursprünglich erhobenen Forderungen, nämlich dass weitere Sicherheiten gestellt werden müssten und ein von ihr benannter Unternehmensberater im Unternehmen zum Einsatz kommt, ist sie vollständig abgerückt. Zunächst wollte sie für die Öffnung der Kreditlinie noch zur Bedingung machen, dass das Unternehmen sich verpflichtet auf etwaige Schadenersatzansprüche zu verzichten. Erst als der Geschäftsführer damit gedroht hat, dass dann, wenn der Kredit nicht sofort wieder freigegeben werde, er gezwungen sei unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen, hat die Bank den Kredit wieder in vollem Umfang geöffnet.
Die Auswirkungen auf das Unternehmen sind fatal. Nur durch eine Massenentlassung, durch die die Mitarbeiterzahl halbiert wurde, kann eine plötzlich drohende Insolvenz abgewendet werden. Zwei Großaufträge mit einem Auftragsvolumen von jeweils über 1 Million € gingen verloren. Der durchschnittliche Monatsumsatz halbiert sich im Vergleich zum Vorjahr. Der Ruf des Unternehmens, das zum Zeitpunkt als die Bank den Kredit eingefroren hatte, bei Creditreform noch mit einer sehr guten Bonität gelistet war, wird so beschädigt, dass in dem sensiblen Markt, in dem es tätig ist, Großaufträge – auch durch langjährige Geschäftspartner – nicht mehr platziert werden. Zu groß ist die Furcht, dass erneut durch die Blockadehaltung der Bank eine wirtschaftliche Schieflage herbeigeführt wird und diese dann auf den Auftrag durchschlägt.
Der Fall Kirch war spektakulär, weil die Äußerung des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank nicht nur das Ansehen der Bank erheblich beschädigt hat, sondern die nach langwierigen Rechtsstreitigkeiten im Vergleichsweg ausgehandelten Zahlungen die Bank, und damit auch den Aktionär, Milliarden gekostet haben. Spektakulär aber auch deshalb, weil sich nun einige der auf Seiten der Bank beteiligten Akteure strafrechtlich noch gegen den Vorwurf eines versuchten Prozessbetrugs vor dem Landgericht München I verantworten müssen.
Unser Fall erreicht wirtschaftlich zwar nicht die Dimension einer Kirchpleite. Dennoch sind die Fälle vergleichbar, denn hier wie da hat der Fehler eines Bankmitarbeiters, dort Vorstand, hier Firmenkundenbetreuer, ein Unternehmen erheblich geschädigt, ohne dass die Bank für den entstandenen Schaden einstehen, sondern diesen auf den Kunden abwälzen möchte.
Wir werden an dieser Stelle von Zeit zu Zeit über den Fortgang des Verfahrens berichten. Haben Sie ähnliches erlebt? Dann schreiben Sie uns. Wir denken, dass dies keine Einzelfälle sind, viele aber mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Beteiligten nicht weiter verfolgt werden.
Anmerkung:
Der Rechtsstreit ist zwischenzeitlich vergleichsweise beigelegt worden.