Nachdem es in letzter Zeit ruhig geworden war um Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing, nicht zuletzt, weil insoweit nahezu alle Rechtsfragen obergerichtlich ausgeurteilt worden waren, sorgt nun doch wieder eine Entscheidung für Aufsehen. Das Landgericht Frankfurt hat nämlich mit Urteil vom 29.10.2020 (2-03 O 15/19) zugunsten eines Großvaters und seines 11-jährigen Enkelsohns entschieden, obwohl der Enkel ein Wochenende bei seinem Großvater genutzt hatte, um über dessen Internetanschluss die beanstandeten Rechtsverletzungen zu begehen. Die Richter waren dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass dem 11-jährigen Täter die erforderliche Einsichtsfähigkeit in die Rechtswidrigkeit seines Handelns gefehlt habe und dem Großvater keine Aufsichtspflichtverletzung vorgeworfen werden könne.
Enkel nutzt Wochenende beim Großvater, um urheberrechtlich geschütztes Computerspiel herunterzuladen
Im Jahr 2014 war der Beklagte zu 2) 11 Jahre alt. Er nutzte ein Wochenende bei seinem Großvater, dem Beklagten zu 1, um sich über dessen Internetanschluss die Software Bittorent zu installieren, um sich im Anschluss das urheberrechtlich geschützte Computerspiel der Klägerin herunterzuladen. Seine Kenntnisse wie dies funktioniert, hatte er einem Anleitungsvideo auf YouTube entnommen.
Beim sog. Filesharing über ein Peer-to-Peer-Netzwerk wie es die Software Bittorent ermöglicht, wird nicht nur die Software von einem anderen Rechner heruntergeladen, sondern gleichzeitig wieder anderen Nutzern, die nach dieser Software suchen, die Möglichkeit eingeräumt, nun ihrerseits die Software herunterzuladen. Die Software wird damit im Sinne des Urheberrechts verbreitet.
Getreu dem Motto „viel hilft viel“ hat die Klägerin gesamtschuldnerisch Ersatz der Abmahngebühren und Schadenersatz sowohl gegen den Großvater als auch den minderjährigen Enkel geltend gemacht.
Keine Aufsichtspflicht des Großvaters
eine Haftung des Großvaters hat das Gericht mit der Begründung verneint, dass diesen schon keine gesetzliche Aufsichtspflicht im Sinne von § 832 Abs. 1 BGB treffe. Die liegt nämlich bis zur Volljährigkeit bei den Eltern des Kindes. Aber auch eine vertragliche Übernahme der Aufsichtspflicht nach § 832 Abs. 2 BGB, die auch stillschweigend erfolgen könne, scheidet aus. An eine solche konkludente Übernahme seien nämlich strenge Anforderungen zu stellen, um überraschende Haftung schlagen für den Dritten zu vermeiden. Dass der Enkel das Wochenende bei seinem Großvater verbracht hat, reiche dafür jedenfalls, so die Richter, nicht aus.
11-jährigem Enkel fehlt die Einsichtsfähigkeit
Das Gericht hat dann aber auch eine Inanspruchnahme des zwischenzeitlich volljährig gewordenen Enkels, der zum Tatzeitpunkt 11 Jahre alt war, abgelehnt. Dieser sei zwar unstreitig Täter der Urheberrechtsverletzung, so das grundsätzlich Ansprüche nach §§ 97 Abs. 2, 97 a UrhG bestehen könnten. Diesem habe aber zur Tatzeit die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsichtsfähigkeit im Sinne von § 828 Abs. 3 BGB gefehlt. Einem 11-jährigen Kind, so die Richter fehle regelmäßig noch das Verständnis für die Rechtswidrigkeit des „Downloadens“ eines Computerspiels in das Netz. Bei der Urheberrechtsverletzung aufgrund der Nutzung eines „Filesharing“-Netzwerkes handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplexe Verletzungshandlung, die nicht allein darin besteht, eine Datei unentgeltlich aus dem Internet herunterzuladen, sondern diese bei dem Vorgang und aufgrund der Funktionsweise von einem „Filesharing“-Netzwerk wiederum gleichzeitig auch anderen Nutzern zum „Download“ anzubieten. Der genutzte Computer wird insofern Teil des Netzwerkes, über das die Datei zum „Download“ bereitgehalten wird. Fehlt dem Beklagten zu 2) die Verantwortlichkeit für sein Tun, haftet er weder auf Schadensersatz noch für die Abmahnkosten.