Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Weihnachtsfest, sondern auch die Nebenkostenabrechnung steht an. Hat der Mieter, was oft der Fall ist, zu wenig an Vorauszahlung geleistet, steht dem Vermieter ein Anspruch auf Nachzahlung zu. Kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen Vermieter und Mieter und muss deshalb die Forderung mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden, dann hat nunmehr der BGH mit seinem Urteil vom 22.10.2014 (VIII ZR 41/14) die Rechte des Vermieters dahingehend gestärkt, dass er diesem letztinstanzlich das Recht zugebilligt hat, Nebenkostennachforderungen grundsätzlich auch im Urkundenverfahren geltend zu machen.
Das Urkundenverfahren ist ein besonderes zivilrechtliches Verfahren, in dem meist sehr schnell ein Urteil erwirkt werden kann, weil keine umfangreichen Beweisaufnahmen erforderlich sind. Beweismittel sind nämlich nur Urkunden und die Parteieinvernahme. Zeugen werden dagegen (zunächst) nicht gehört. Auch wird (zunächst) kein Sachverständigengutachten eingeholt. Am Ende des Urkundenverfahrens ergeht ein sog. Vorbehaltsurteil. Hat der Mieter Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung, die er nicht mit Urkunden geltend machen konnte, dann muss er sich die Rechte für das sog. Nachverfahren vorbehalten. Erst in einem zweiten Verfahrensschritt, nachdem der Vermieter bereits einen Vollstreckungstitel in Händen hat, würden also dann solche Einwendungen noch geprüft werden. Das Verfahren empfiehlt sich insbesondere dann, wenn nicht mit ernsthaften Einwendungen des Mieters gerechnet werden kann. Ihm wird durch das Urkundenverfahren die Möglichkeit genommen das Verfahren unnötig zu verzögern.
Aus den Entscheidungsgründen:
„1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Geltendmachung einer Betriebskostennachforderung im Urkundenprozess statthaft ist, sofern der Vermieter die anspruchsbegründenden und beweisbedürftigen Tatsachen durch Urkunden belegen kann (§ 592 Satz 1, § 597 Abs. 2 ZPO).
a) § 592 Satz 1 ZPO eröffnet den Urkundenprozess unterschiedslos für alle Ansprüche, welche die Zahlung einer Geldsumme zum Gegenstand haben. Betriebskostennachforderungen sind davon nicht auszunehmen. Ebenso wenig wie bei Ansprüchen auf Miete aus Wohnraummietverträgen, für die der Senat bereits entschieden hat, dass diese im Urkundenprozess geltend gemacht werden können (Senatsurteile vom 1. Juni 2005 – VIII ZR 216/04, NJW 2005, 2701; vom 20. Dezember 2006 – VIII ZR 112/06, NJW 2007, 1061; vom 8. Juli 2009 – VIII ZR 200/08, NJW 2009, 3099; einschränkend für den Fall anfänglicher Mängel: Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 – VIII ZR 111/09, WuM 2010, 761 Rn. 11 f.), bestehen bei Betriebskostennachforderungen Gründe, den Wortlaut des § 592 ZPO in der Weise einzuschränken, dass solche Ansprüche generell vom Urkundenprozess ausgeschlossen wären.
Das entspricht der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum (Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 7. Aufl., J Rn. 84 ff.; Staudinger/Weitemeyer, BGB, Neubearbeitung 2014, § 556 Rn. 147; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. XIV 110; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 14. Aufl., Rn. 7017m; ders. MDR 2013, 1266, 1268; Fischer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap. IX Rn. 117; Both, NZM 2007, 156, 158; Flatow, DWW 2008, 88, 91 f.; Wichert/Sommer, ZMR 2009, 503, 509 f.; Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl., § 592 Rn. 9a; Bub/von der Osten, FD-MietR 2009, 292917; Herlitz, jurisPR-MietR 13/2014 Anm. 4; siehe auch KG, WuM 2012, 156; anders Blank, NZM 2000, 1083, 1084; differenzierend LG Bonn, WuM 2012, 155).
b) Entgegen der Auffassung der Revision setzt die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses nicht voraus, dass auch unstreitige Anspruchsvoraussetzungen mit Urkunden bewiesen werden. Vielmehr bedürfen unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen auch im Urkundenverfahren, abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall der Säumnis der beklagten Partei (§ 597 Abs. 2 ZPO), keines Beweises und somit auch keiner Urkundenvorlage (Senatsurteil vom 24. April 1974 – VIII ZR 211/72, BGHZ 62, 286, 289 ff.; BGH, Urteil vom 4. Februar 1985 – II ZR 142/84, WM 1985, 738 unter 2).
2. Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat der Kläger seinen Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten ausreichend mit Urkunden belegt. Er hat den Mietvertrag, aus dem sich die Kostentragungspflicht der Beklagten ergibt, sowie die Betriebskostenabrechnung mit einem Zugangsnachweis vorgelegt (zur im Urkundenprozess gebotenen Urkundenvorlage bei Nachforderungen aus einer Betriebskostenabrechnung siehe Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, aaO, Rn. J 85). Der Vorlage weiterer Urkunden, etwa zur Wohnflächenberechnung, bedurfte es im Streitfall nicht. Wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, hat der Vermieter die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung erst auf wirksames Bestreiten durch den Mieter zu beweisen, wobei im Urkundenprozess die Beweismittelbeschränkung der § 592 Satz 1, § 595 Abs. 2 ZPO zu beachten ist. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, ist das Bestreiten der Flächenwerte durch die Beklagte unsubstantiiert und damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unbeachtlich.
a) Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Vermieter, der eine Betriebskostennachforderung erhebt, die Darlegungs- und Beweislast für die Flächenansätze. Wenn er – wie hier – bestimmte Flächenwerte vorträgt, genügt dies den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, aaO, Rn. 7039; ders., ZMR 2009, 335, 336). Der sodann erklärungsbelastete Mieter hat – soll sein Vortrag beachtlich sein – auf die Behauptungen des Vermieters grundsätzlich ebenfalls substantiiert (d. h. mit näheren positiven Angaben) zu erwidern und muss erläutern, von welchen tatsächlichen Umständen er ausgeht, denn mit bloßem Bestreiten darf der Mieter sich nur bei pauschalem Vorbringen des Vermieters begnügen (Senatsurteil vom 20. Februar 2008 – VIII ZR 27/07, NJW 2008, 1801 Rn. 29).
Die Verpflichtung zu einem substantiierten Gegenvortrag setzt voraus, dass ein solches Vorbringen der erklärungsbelasteten Partei möglich und zumutbar ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben (siehe BGH, Beschluss vom 25. März 2014 – VI ZR 271/13, NJW-RR 2014, 830 Rn. 7; Urteile vom 11. März 2010 – IX ZR 104/08, WM 2010, 815 Rn. 16; vom 6. Juli 2007 – V ZR 128/06, juris Rn. 17; vom 7. Dezember 1998 – II ZR 266/97, BGHZ 140, 156, 158; vom 6. Oktober 1989 – V ZR 223/87, NJW-RR 1990, 78 unter II 3 b aa; vom 17. März 1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 196; jeweils mwN).
b) aa) Nach diesen Grundsätzen genügte ein einfaches Bestreiten der Wohnfläche der von der Beklagten gemieteten Wohnung bereits deshalb nicht, weil er hätte substantiiert darlegen müssen, dass die vom Vermieter angegebenen Quadratmeterzahlen unrichtig sind (Staudinger/Weitemeyer, aaO § 556a Rn. 23). Unabhängig davon, ob die Größe der gemieteten Wohnung in der Mietvertragsurkunde angegeben ist oder nicht, ist es dem Mieter in aller Regel selbst möglich, die Wohnfläche der gemieteten Wohnung zu vermessen und seinerseits einen bestimmten Flächenwert vorzutragen (Langenberg, aaO, J Rn. 36).
Im Schrifttum wird zwar vereinzelt die Auffassung vertreten, dass eine Flächenberechnung der eigenen Räume vom Mieter nicht verlangt werden könne, weil billigerweise nicht zu erwarten sei, dass er über die Anwendung der Berechnungsmethoden Bescheid wisse (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, aaO, Rn. 7040; ders., ZMR 2009, 335, 337; zu den Berechnungsmethoden siehe Eisenschmid in Eisenschmid/Wall, Betriebskosten-Kommentar, 3. Aufl., Rn. 4008 ff.; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, aaO, Rn. 4127a). Substantiiertes Bestreiten verlangt jedoch nicht, dass der Mieter sich an einer bestimmten Berechnungsmethode, etwa den Vorgaben der Wohnflächenverordnung, orientiert, zumal die Berechnung etwa bei Dachgeschosswohnungen aufgrund von Schrägen und Winkeln kompliziert sein kann (vgl. Senatsurteil vom 22. September 2010 – VIII ZR 285/09, NZM 2010, 858 Rn. 29). Um die vom Vermieter vorgetragenen Quadratmeterzahlen wirksam zu bestreiten, genügt es daher, wenn ihm der Mieter das Ergebnis einer laienhaften, im Rahmen seiner Möglichkeiten liegenden Vermessung entgegen hält.
bb) Auch die Gesamtwohnfläche des Gebäudes hat die Beklagte unzureichend bestritten. Selbst zu äußerlich wahrnehmbaren Gegebenheiten, wie Gebäudezuschnitt sowie Anzahl der Wohnungen und Stockwerke, aus denen sich Ansatzpunkte für Zweifel an der behaupteten Gesamtwohnfläche ergeben könnten, hat die Beklagte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Angaben gemacht.
cc) Schließlich lässt sich dem pauschalen Bestreiten der Flächenangaben nicht entnehmen, dass das in der Betriebskostenabrechnung angenommene Verhältnis der Fläche der Mietwohnung (40 m²) zur Gesamtwohnfläche (240 m²) zu Lasten der Beklagten unrichtig ist. Es wird nicht deutlich, dass das Verhältnis der Fläche der Mietwohnung zur Gesamtwohnfläche für die Beklagte günstiger ist, denn ihr Bestreiten lässt nicht erkennen, ob die von ihr gemietete Wohnung (wesentlich) kleiner oder die Gesamtwohnfläche größer sein soll als vom Kläger vorgetragen.
3. Der danach zulässig im Urkundenprozess geltend gemachte Anspruch auf Nachzahlung von Betriebskosten ist begründet, weil die Beklagte keine nach § 595 Abs. 2 ZPO beachtlichen Einwendungen vorgebracht hat.“
Anmerkung:
Das Urkundenverfahren empfiehlt sich übrigens auch für rückständige Mietzahlungen. Hier reicht regelmäßig die Vorlage des Mietvertrags und der Vortrag dazu aus, dass der Mieter nicht die vertraglich vereinbarte Miete bezahlt hat.
Hat der Mieter wegen behaupteter Mangelhaftigkeit der Mietsache die Miete gemindert, so wird er im Urkundenverfahren damit nicht gehört, sondern zur Zahlung der rückständigen Miete verurteilt. Der Vermieter hat so die Möglichkeit, gerade wenn zu befürchten ist, dass der Mieter finanziell klamm ist, rasch seine Ansprüche durchzusetzen und gegebenenfalls auch zwangsweise durchzusetzen.