Streit am Gartenzaun kann nicht nur nervig sein, sondern auch teuer werden. Dies insbesondere dann, wenn ohne Zustimmung des Nachbarn eigenmächtig ein Rückschnitt von störenden Pflanzen auf dem Nachbargrundstück vorgenommen wird. Die Bedeutung dieses Themas spiegelt sich in einem aktuellen Fall wider, der vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (Urteil vom 06.02.2024 – 9 U 35/23) verhandelt wurde. Hierbei geht es um die Frage, unter welchen Umständen und in welcher Höhe Schadensersatz für zerstörte Bäume zu leisten ist. Der Fall illustriert eindrucksvoll, dass die Entscheidung nicht nur von den spezifischen Eigenschaften des Baumes, sondern auch von seiner Funktion für das Grundstück abhängig gemacht wird.
Rückschnittexzess durch Nachbarn
In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine äter Dame ein großzügiges Grundstück mit altem Baumbestand. Im hinteren Bereich des Gartens standen zwei rund 70 Jahre alte Bäume, eine Birke und ein Kirschbaum. Dort grenzt auch das Nachbargrundstück an. Die alte Dame hatte dem Nachbarn erlaubt die auf sein Grundstück ragenden Zweige zu kürzen. Dieser Verstand das Entgegenkommen seiner Nachbarin aber offensichtlich falsch und beschränkte sich nicht darauf überhängenden Zweige zurückzuschneiden. Vielmehr betrat er das Grundstück seiner Nachbarin und verpasste den beiden Bäumen einen radikalen Zuschnitt. An der Birke verblieb kein einziges Blatt mehr. Auch der Kirschbaum, der kurz vor der Ernte stand, wurde von ihm nicht verschont, sondern radikal zurückgeschnitten. Das fand die alte Dame aber gar nicht lustig, sondern zog vor Gericht und verlangte Schadenersatz, den sie in Höhe von knapp 35.000 Euro bezifferte. Das Landgericht (LG) Frankfurt a.M. sprach ihr zunächst nur gut 4.000 Euro zu, woraufhin sie Berufung einlegte. Das OLG Frankfurt am Main hob das Urteil auf und verwies den Fall zur weiteren Aufklärung zurück an das LG (Urteil vom 06.02.2024 – 9 U 35/23), um dann noch einmal über die Höhe des Schadenersatzes zu entscheiden.
Rechtlicher Hintergrund
Das deutsche Recht sieht vor, dass bei der Zerstörung eines Baumes der Schadensersatz grundsätzlich nicht durch Naturalrestitution, also die Ersatzbeschaffung eines ausgewachsenen Baumes, zu leisten ist. Dies ist in der Regel mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. Stattdessen wird eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen, jungen Baumes und ein Ausgleichsanspruch für die Werteinbuße des Grundstücks angestrebt. Relevant sind hier insbesondere die §§ 823, 249 BGB, die die Grundlagen des Schadensersatzanspruchs und die Art und Weise der Schadenswiedergutmachung regeln.
Die Richter am OLG wiesen aber ihre Kollegen am Landgericht darauf hin, dass dies kein Automatismus sei, sondern es Ausnahmefälle gäbe, in denen die vollen Wiederbeschaffungskosten erstattet werden können. Dies sei der Fall, wenn die Art, der Standort und die Funktion des Baumes den Ersatz durch einen gleichartigen ausgewachsenen Baum als wirtschaftlich vernünftige Maßnahme erscheinen lassen.
Das OLG Frankfurt am Main legt in seinem Urteil besonderen Wert auf die Funktion, die der zerstörte Baum für das Grundstück und dessen Besitzerin hatte. Die Eigentümerin gab an, dass ihr neben der ästhetischen Gestaltung ihres Gartens auch die Schaffung eines Lebensraums für Vögel und andere Tiere sowie die Umwandlung von CO2 in Sauerstoff wichtig sei. Diese ökologischen und sozialen Funktionen können die Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzes erheblich beeinflussen.
Fazit
Der Fall unterstreicht die Notwendigkeit, die individuelle Situation und die Bedeutung eines Baumes für das Grundstück bei der Bemessung des Schadensersatzes zu berücksichtigen. Er zeigt auf, dass nicht nur der materielle, sondern auch der immaterielle Wert eines Baumes rechtlich anerkannt und entschädigt werden kann. Dieser Umstand macht deutlich, dass bei der Zerstörung von Bäumen auf fremden Grundstücken mit erheblichen finanziellen Forderungen zu rechnen ist, insbesondere wenn die Bäume eine spezielle Funktion für das Ökosystem oder das persönliche Wohlbefinden der Grundstückseigentümer erfüllen. Das Bewusstsein für den Wert von Bäumen, sowohl im ökologischen als auch im rechtlichen Sinne, ist daher von zentraler Bedeutung.
Neben zivilrechtlichen Forderungen haben derartige Aktionen aber auch stets eine strafrechtliche Komponente, weil die vorsätzliche Beschädigung fremden Eigentums als Sachbeschädigung strafbar ist und derjenige, der für einen ungenehmigten Rückschnitt eigenmächtig das Grundstück des Nachbarn betritt, sich auch noch eines Hausfriedensbruchs schuldig macht. Dass derartige Aktionen das Verhältnis zum Nachbarn nicht gerade verbessern, liegt auf der Hand. Deshalb Hände weg von Nachbars Baum.