Aus Sicht des Konsumenten sind Amazon und Co. eine feine Sache. Keine lange Suche und nach wenigen Mausklicks wird die begehrte Ware, oft sogar ohne Versandkosten, direkt nach Hause geliefert. Das Geschäftsmodell von Amazon ist dabei umso genialer, weil nicht alles, was über den Marktplatz angeboten wird, auch tatsächlich von Amazon stammt. Dies deshalb, weil dort auch externe Händler ihre Waren Kunden zum Kauf anbieten. Für Kunden ist dies gleichgültig, weil meist alles gleich gut reibungslos läuft. Deshalb sagen Sie auch nicht, sie haben bei Meier, Müller oder Schulze gekauft, sondern bei Amazon. Dieses Geschäftsmodell hat in marken- und wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten schon öfters die Justiz beschäftigt, weil durch die Möglichkeit des sog. Anhängen an fremde Angebote, der Text modifiziert werden kann und sich dann manchmal aus rechtlicher Sicht Fehler einschleichen, die findige Abmahner auf den Plan rufen, und dann die Händler zur Kasse bitten. Justitia hat Einwände der betroffene Händler oft damit abgeschmettert, dass es auf ein Verschulden nicht ankomme und derjenige, der nicht Gefahr laufen wolle, durch die Handlung eines anderen vor dem Kadi zu landen, eben nicht auf Amazon verkaufen dürfe. Dies ist natürlich für die meisten Händler ein ziemlich lebensfremdes Argument, weil bekanntermaßen dann wenn Waren über Amazon angeboten werden, ganz andere Umsätze erzielt werden können, als wenn der Händler diese lediglich auf seine eigene Internetseite, die auch vollständig kontrollieren kann, anbietet. Und Amazon selbst, war dies relativ egal, weil kaum ein Händler es sich mit Amazon verderben wollte und deshalb etwaige Regressansprüche nie gerichtsanhängig geworden sind.
Nun allerdings hat sich das Blatt gewendet, denn der EuGH hat mit Urteil vom 22.12.2022 (C-148/21; C-184/21) entschieden, dass Amazon selbst zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn Markenrechtsverletzungen durch Werbeanzeigen Dritter begangen werden, aber beim Nutzer der Eindruck entsteht, dass Amazon selbst die Ware verkauft. Hier könne davon ausgegangen werden, dass ein Nutzen des eingetragenen Warenzeichens durch Amazon selbst vorliegt, wobei es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt.
Rote Schuhsohlen bringen Amazon Schlappe vor Gericht ein
Geklagt hatte der Schuhdesigner Christian Louboutin, der seinen Luxusdamenschuhen nicht nur eine rote Sohle verpasst hat, sondern diese sich auch als EU-Marke hat markenrechtlich schützen lassen. Auslöser für das Verfahren war, dass auf Amazon regelmäßig Werbung von Schuhen mit roter Sohle gezeigt wurde, die ohne seine Zustimmung von Dritten in den Verkehr gebracht werden. Er sah darin, obwohl Amazon selbst nicht der Verkäufer war, gleichwohl seine Markenrechte verletzt.
Amazon haftet auch für Anzeigen Dritter
Nach Auffassung der obersten europäischen Richter spielte es dabei keine Rolle, dass die Schuhe nicht direkt von Amazon verkauft worden sind, sondern von Dritten, weil beim Nutzer jedenfalls der Eindruck entstehen konnte, dass die Pumps auf Namen und Rechnung von Amazon verkauft werden. Eine markenmäßige Nutzung des eingetragenen Zeichens sei immer dann anzunehmen, wenn Amazon alle Anzeigen auf der Webseite einheitlich gestaltet, sein eigenes Händlerlogo auch auf den Anzeigen von Drittverkäufern präsentiert und zudem die Ware lagert und verschickt.
Damit ist der Rechtsstreit aber noch nicht endgültig entschieden, denn der Designer hatte in Belgien und Luxemburg gegen Amazon geklagt. Mit diesen Vorgaben der EU-Richter geht der Rechtsstreit nun zurück an die nationalen Gerichte, damit dort aufgeklärt wird, ob tatsächlich anhand der vorgenannten Kriterien eine Markenrechtverletzung vorgelegen hat.
Anmerkung:
Das Urteil kam überraschend, weil der Generalanwalt noch im Juni in seinem Gutachten die Auffassung vertreten hatte, dass Amazon nicht unmittelbar dafür verantwortlich gemacht werden könne, dass die Rechte eines Markeninhabers durch Angebote Dritter auf seiner Plattform verletzt werden. Überraschend deshalb, weil der EuGH sich regelmäßig den Ausführungen des Generalsanwalts anschließt.