Papier ist bekanntlich geduldig. Deshalb kann vertraglich grundsätzlich auch alles Denkbare geregelt werden. Kommt es dann allerdings zum Streit, dann kann die ein oder andere Regelung, die auf dem Papier steht, nicht zur Geltung kommen, weil sie sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB und damit unwirksam ist. Diese Problematik ergibt sich insbesondere bei älteren Eheverträgen, in denen zum Nachteil eines Ehegatten, meistens der Ehefrau, ein zu weitgehender Anspruchsausschlusses für den Fall der Scheidung vereinbart worden ist. In einem solchen Fall taucht dann oft in einem 2. Schritt die Frage auf, ob der Berater, meistens ein Notar, manchmal auch ein Rechtsanwalt, dann demjenigen, zu dessen Lasten sich nur die Wirksamkeit des Vertrags auswirkt, auf Schadenersatz haftet. Mit einem solchen Fall hat sich das Landgericht Frankenthal in seinem Urteil vom 26.07.2021 (4 O 47/21) befasst und im Ergebnis die Haftung des Notars mit der Begründung abgelehnt, dass dieser nur hinsichtlich der bei Vertragsschluss geltenden Rechtslage beraten kann und muss, nicht aber für Änderungen in der Rechtsprechung einzustehen hat, die erst Jahre später auftauchen.
Streit um Wirksamkeit eines 30 Jahre alten Ehevertrags
Der Kläger hatte vor rund 30 Jahren bei einem Notar mit seiner zum damaligen Zeitpunkt bereits schwangeren Verlobten einen Ehevertrag abgeschlossen. Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass diese innerhalb der Ehe für Kindererziehung und Haushalt zuständig sein sollte, nicht aber ins Berufsleben eintreten werde. Dem Kläger kam es bei Vertragsschluss maßgeblich darauf an seinen landwirtschaftlichen Betrieb für den Fall eines Scheiterns der Ehe vor Ansprüchen zu schützen. Der beurkundende Notar hatte deshalb dahingehend beraten, dass die zukünftigen Eheleute für den Fall einer Scheidung auf sämtliche gegenseitigen ehe- und erbrechtlichen Ansprüche verzichten sollten. So wurde es dann gemacht. Dabei wurde auch auf Unterhaltsansprüche und den Versorgungsausgleich verzichtet.
Nachdem sich die Eheleute 2019 getrennt hatten kam es zum Streit über die Wirksamkeit des Ehevertrags. Weil das Familiengericht diesen für sittenwidrig und damit unwirksam ansah sah der Kläger sich daraufhin veranlasst im Wege des Vergleichs seiner Ehefrau zum Ausgleich eine Abfindung in Höhe von rund 300.000 € zu bezahlen.
Schadensersatzklage gegen beratenden Notar
Diese 300.000 € wollte nun der Ehemann von dem beurkundenden Notar ersetzt haben. Er sah in dem Abschluss des sittenwidrigen Ehevertrags einen Beratungsfehler und argumentierte damit, dass dann, wenn ihn der Notar auf die mögliche Sittenwidrigkeit des Ehevertrags hingewiesen hätte, er alles abgeblasen und nicht geheiratet hätte. Dann wäre es nicht zur Eheschließung gekommen und er hätte folglich auch bei einer Trennung keine Zahlung an seine Frau leisten müssen.
Keine schuldhafte Pflichtverletzung erkennbar
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Es war zum Ergebnis gelangt, dass keine schuldhafte Verletzung einer Amtspflicht des Notars zu erkennen sei. Dies deshalb, weil die Beratungspflichten eines Notars sich lediglich an der geltenden Rechtslage und der hierzu ergangenen Rechtsprechung orientiert. Als 1991 der Vertrag abgeschlossen wurde war aber der vertragliche Ausschluss sämtlicher Ansprüche eines Ehegatten, auch des Versorgungsausgleichs, von der Rechtsprechung grundsätzlich noch nicht als sittenwidrig angesehen worden. Die Rechtsprechung habe sich erst rund 10 Jahre später durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts geändert. Der Notar habe diese Entwicklung in der Rechtsprechung weder vorhersehen können noch müssen. Er müsse deshalb für negative Auswirkungen einer Rechtsprechungsänderung nicht einstehen.
Anmerkung:
Der Fall verdeutlicht, dass bei vertraglichen Regelungen stets zwischen Nutzen und Risiko abgewogen werden muss. Wer hier zu viel regelt, der riskiert, dass die Regelung wegen Sittenwidrigkeit gekippt und damit unwirksam ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn, so wie hier, der wirtschaftlich schwächere Teil unter Ausnutzung der Situation regelrecht über den Tisch gezogen wird. Der „Klassiker“ ist dabei der sog. Chefarztehevertrag. Bei diesem schwängert der Chefarzt mit hohem Einkommen die rechtlich schützenswerte Krankenschwester, die den Vertrag deshalb abschließt, weil sie sonst befürchten muss, trotz Schwangerschaft nicht geheiratet zu werden. Wer hier überregelt, der erlebt am Ende, so wie wir in dem oben geschilderten Fall der Landwirt, eine böse Überraschung.
Haben auch Sie einen Ehevertrag abgeschlossen und möchten Sie wissen, ob die getroffenen Regelungen im Fall der Fälle halten, dann beraten wir Sie gerne und diskret. Bundesweit.
Auch, wenn die Ehe weiter Bestand hat, kann es manchmal empfehlenswert sein, einen Altvertrag, der wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist, durch neue, angepasste Regelungen, zu ersetzen.