Onlinehändler haben es schwer. Nicht nur, dass eine teilweise ruinöser Wettbewerb herrscht und sich immer öfter mit Kunden auseinandersetzen müssen, die die vom Gesetzgeber aufgestellten weitreichenden Regelungen zum Schutz des Käufers missbrauchen, so sind sie oft auch schutzlos der Marktmacht der großen Handelsplattformen Amazon, eBay und Co. ausgeliefert. Dies insbesondere dann, wenn durch Fehler in den dortigen Systemen Angebote wettbewerbswidrig erscheinen, ohne dass der Händler aktiv dazu beigetragen hatte, und er deshalb von Mitbewerbern oder Wettbewerbsverbänden kostenpflichtig abgemahnt wird.
Das LG Arnsberg hat in einem solchen Fall mit Urteil vom 13.05.2015 (8 O 1/15) entschieden, dass ein Händler auch als mittelbarer Störer für die Rechtsverletzungen, die durch Amazon begangen werden, in Anspruch genommen werden kann. Gegenstand des Rechtsstreits war u.a. die von Amazon vorgehaltene Weiterempfehlungsfunktion, die vom Gericht als wettbewerbswidrig eingestuft worden ist.
Unter Aufgabe seiner vormalig vertretenen Auffassung (Urteil vom 30.10.2000 14,8 O 121/14) haben die Richter einen Händler zur Unterlassung verurteilt und zur Begründung ausgeführt:
„Die Beklagte ist als Störerin entgegen der von ihr vertretenen Ansicht auch passiv legitimiert; an einer früher in einem anderen Fall geäußerten in Fall hält die Kammer nicht fest:
a) Zwar folgt dieses Ergebnis nicht aus § 8 Abs. 2 UWG. Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen des OLG München (ZUM-RD 2014, 576 ff., zitiert nach „juris“, Teilziffer 49) an, das ausführt, eine Haftung nach dieser Norm setze voraus, dass der jeweilige Beauftragte in die betriebliche Organisation des diesen beauftragenden Unternehmens in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg der Geschäftstätigkeit des beauftragten Unternehmens dem Betriebsinhaber zu Gute kommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des beauftragten Unternehmens hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Wie das OLG München zu Recht dargelegt hat, ist weder von der Klägerin dargetan noch aus den Umständen des konkreten Falles ersichtlich, dass die Auftragserteilung der Beklagten an die Fa. b diese Voraussetzung erfüllte; denn wie in dem dort zu entscheidenden Fall lassen sich auch dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Beklagte in der Lage (gewesen) wäre, auf die jeweiligen Modalitäten der Veröffentlichungstätigkeit der Fa. b auf der von dieser Firma betriebenen Internetplattform entscheidenden Einfluss zu nehmen.
b) Jedoch kann die Beklagte trotz fehlender unmittelbarer Einstellung der beanstandeten Angaben auf der von der Firma b betriebenen Internetplattform „b“ – die dazu führt, dass die Beklagte nicht als unmittelbare Störerin angesehen werden kann – als sogenannte „mittelbare Störerin“ in Anspruch genommen werden, weil die beanstandeten Rechtsverletzungen, deren Unterlassung begehrt wird, auf einen willentlich geleisteten und adäquat kausalen Beitrag der Beklagten zurückzuführen sind und sie in der Lage ist, solche Störungen durch ihr zumutbare und erfolgversprechende Tätigkeiten zu verhindern:
aa) Ein willentlich und adäquat kausaler Beitrag zu der Rechtsverletzung, die durch die Bewerbung des genannten Sonnenschirms mit dem zu diesem Zeitpunkt nicht vergebenen Qualitätsmerkmal „TÜV / GS geprüft“ eingetreten ist, durch die Beklagte ist zu bejahen. Denn ohne jegliche Auftragserteilung der Beklagten an die Firma b wäre eine entsprechende Veröffentlichung nicht erschienen.
bb) Die Abweisung ähnlicher Unterlassungsanträge wie dem vorliegenden durch die Kammer in einem vergleichbaren Fall beruhte darauf, dass nach Ansicht der Kammer keine zumutbare Möglichkeit des jeweiligen Auftraggebers der Firma b – hier somit der Beklagten – bestand, solche letztlich durch die Firma b unmittelbar begangenen Rechtsverletzungen zu verhindern. Denn auch in Fällen, in denen sich die jeweiligen Auftraggeber an die Firma b gewandt hatten, um diese zur Unterlassung entsprechender Zusätze zu den beauftragten Werbemaßnahmen/Verkaufsanzeigen zu bewegen, sind in der Vergangenheit ohne Erfolg geblieben, wie der Kammer aus anderen Fällen bekannt ist; diese Feststellung ist auch von anderen Gerichten so getroffen worden. So führt das OLG München Folgendes aus (a. a. O., Teilziffer 46): „Gegen das Bestehen einer Prüfungspflicht bzw. deren Verletzung im Fall ihres Bestehens spricht aber vor allem, dass deren Einhaltung nicht dazu geführt oder beigetragen hätte, eine in der Zukunft drohende Rechtsverletzung zu verhindern oder zu unterbinden. . . . Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten erfolgversprechende Möglichkeiten (in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht) zur Verfügung gestanden hätten, auf eine Entfernung der Fotos hinzuwirken. Die Beklagte hat insoweit darauf hingewiesen, dass … die Produktabbildungen in der Vergangenheit selbst dann im Verkaufsportal von B. verblieben, wenn alle Händler von ihren Verkaufsangeboten Abstand genommen haben. Bei dieser Sachlage hat für die Beklagte keine das Bestehen einer Prüfungspflicht begründende hinreichende Möglichkeit bestanden, in zumutbarer Weise darauf hinzuwirken, dass weitere Rechtsverletzungen in Zukunft unterblieben.“
Ist demnach davon auszugehen, dass die Wahrnehmung der einem potentiellen mittelbaren Störer obliegenden Prüfpflichten – deren Umfang sich danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (OLG München, a. a. O., unter Hinweis auf BGH, GRUR 2011, GRUR Jahr 2011 Seite 152; 2010, GRUR Jahr 2010 Seite 633; 2008, GRUR Jahr 2008 Seite 702) – in tatsächlicher Hinsicht nicht dazu geführt hätte, dass die Bewerbung des genannten Sonnenschirms mit den Worten „TÜV/GS geprüft“ unterblieben wäre, bleibt als einzig mögliche Maßnahme, um den Eintritt einer solchen, letztlich auf das Verhalten der Fa. b zurückzuführenden Rechtsverletzung zu unterbinden, dass schon von vornherein von geschäftlichen Kontakten mit der Fa. b Abstand genommen wird.
Grundlage für die früheren Entscheidungen der Kammer, in denen dieses Verhalten als unzumutbar im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung angesehen wurde, war der Aspekt, dass es sich bei der Fa. b um eine Marktführerin handelt und es nach Ansicht der Kammer für die einzelnen Händler unzumutbar war, von weiteren geschäftlichen Kontakt mit der Fa. b abzusehen, weil dies die Gefahr eines erheblichen wirtschaftlichen Nachteils in Wettbewerbshinsicht nach sich gezogen hätte. Diese Bedenken der Kammer bestehen grundsätzlich fort. Sie können nicht mit der von anderen Gerichten gegebenen Begründung fortgewischt werden, durch die Beauftragung der Fa. b mache sich der jeweilige Auftraggeber – hier somit die Beklagte – die Handlungen der Fa. B „zu eigen“ und müsse sich die Angaben der Fa. b deshalb „als eigene Angaben zurechnen lassen“ (so OLG Köln, Urt. vom 28.05.2014 – OLGKOELN Aktenzeichen 6U17813 6 U 178/13 -). Ein „zu eigen machen“ kann nach Ansicht der Kammer keinesfalls bejaht werden: „Sich etwas zu eigen machen“ bedeutet das Gleiche wie „sich etwas aneignen“ und/oder „etwas übernehmen“. Dass derjenige Anbieter, der die Dienste der Fa. b nutzt, sich gleichzeitig deren gegen deutsches Recht verstoßendes Verhalten aneignet und/oder übernimmt, ist nach Auffassung der Kammer nicht zutreffend. Dem jeweiligen Anbieter – hier: der Beklagten – ist das Verhalten der Fa. b in der Regel nicht Recht, weil er kein eigenes Interesse daran hat, sich mit rechtswidrigem Verhalten einverstanden zu erklären; denn er weiß, dass er sich damit der Gefahr aussetzt, mit (wettbewerbsrechtlichen) Klagen überzogen zu werden, so dass die Wortlautauslegung das vom OLG Köln gefundene Ergebnis nicht bestätigt.
Dementsprechend findet sich in anderen Urteilen auch die konsequente Begründung, dass der jeweilige Anbieter von geschäftlichen Kontakten mit der Fa. b Abstand nehmen müsse, wenn er davon ausgehen müsse, dass – entgegen dem von ihm erteilten Auftrag – die Firma b eigenmächtig Veränderungen an der jeweils beauftragten Werbe-/Verkaufsanzeige vornehme, die mit wettbewerbsrechtlichen Vorschriften nicht in Übereinstimmung zu bringen seien.
Wie bereits dargelegt, hat die Kammer ein solches Verhalten in der Vergangenheit als unzumutbar angesehen. Nachdem jedoch die überwiegende Anzahl der die Problematik entscheidenden Gerichte zu einer anderen Beurteilung gelangt ist, sieht die Kammer keine Möglichkeit mehr, das Unzumutbarkeitsdogma aufrecht zu erhalten. Denn wenn die überwiegende Anzahl der entscheidenden Gerichte eine solche Unzumutbarkeit verneint mit der Folge, dass im Wettbewerb stehende (juristische) Personen zu entsprechenden Unterlassungshandlungen verurteilt werden mit der sich daraus ergebenden weiteren Folge, dass sie regelmäßig vom geschäftlichen Kontakt mit der Fa. b Abstand werden nehmen müssen, kann es für die Beklagte nicht mehr unzumutbar sein, ebenfalls entsprechende Unterlassungspflichten zu erfüllen, sei es durch gesteigerte Wahrnehmung der ihr – wie oben bereits dargelegt – obliegenden Prüfpflichten, durch Einflussnahme auf die Fa. b, das oben dargestellte Verhalten zu unterlassen, oder dadurch, dass sie von (weiteren) Auftragserteilungen an die Fa. b Abstand nimmt.“
Anmerkung:
Wer also als Händler für Rechtsverstöße von Amazon in Anspruch genommen wird, wird es künftig schwer haben, sich erfolgreich eines Angriffs eines Mitbewerbers zu erwehren. In einem Rechtsstreit sollte dann auf jeden Fall Amazon der Streit verkündet werden, so dass – wenn beabsichtigt ist, Regressansprüche geltend zu machen – der Ausgang des Verfahrens (gleichgültig, ob Amazon dann aufgrund der Streitverkündung dem Rechtsstreit beitritt oder nicht) auch Bindungswirkung gegenüber Amazon entfaltet. Losgelöst von der rechtlichen Seite sollte wirtschaftlich aber stets bedacht werden, dass Amazon keinen Kontrahierungszwang hat. Dies bedeutet, dass es künftig, ohne dass es dafür eines besonderen Grundes bedarf, einen renitenten Händler auch ganz von seiner Plattform ausschließen könnte.