Wer im Onlinehandel tätig ist weiß, dass dann, wenn nicht alle maßgeblichen Rechtsvorschriften beachtet werden, kostenpflichtige Abmahnungen durch Mitbewerber drohen. Wird die geforderte Unterlassungserklärung nicht (rechtzeitig) abgegeben, muss damit gerechnet werden, dass der Mitbewerber sofort eine einstweilige Verfügung beantragt, weil hiermit nochmals Gebührenerstattungsansprüche entstehen. Vom Gedanken des Gesetzgebers dient dies der Lauterkeit des Wettbewerbs. In der Praxis wird das Wettbewerbsrecht – gerade im Onlinehandel – aber oft von Rechtsanwälten und damit verbundenen Strukturen missbraucht, um Gebühren zu generieren.
Das Landgericht Hamburg hat nunmehr in einem von unserer Kanzlei erstrittenen Beschluss vom 21. November 2012 (327 O 338/12) einem solchen Geschäftsgebaren einen Riegel vorgeschoben und einem Antragsteller die Kosten für die vorschnell beantragte einstweilige Verfügung auferlegt.
Der Antragsteller aus dem Großraum München hatte einen ebenfalls im Großraum München ansässigen Mitbewerber wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung abmahnen lassen. Da aus vorausgegangen Streitigkeiten bekannt ist, dass dieser Antragsteller, um die Rechtsverfolgung zu erschweren, seine Anträge nicht in München, sondern immer in Hamburg anhängig macht, hatte sich der Antragsgegner entschlossen, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber in der Sache verbindlich, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und zwar vorab per Telefax am letzten Tag der gesetzten Frist. Hier konnte die Unterlassungserklärung zunächst nicht übermittelt werden, weil die Rechtsvertreter des Antragstellers ihr Telefaxgerät ausgestellt hatten. Eine Übermittlung ist dann am nächsten Morgen, einem Freitag, erfolgt. Dabei ist in einem Anschreiben mitgeteilt worden, dass der Antragsgegner kein Interesse daran habe einen weiteren Rechtsstreit in Hamburg führen zu müssen und deshalb ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aber in der Sache verbindlich die geforderte Unterlassungserklärung abgeben wird. Dem Schreiben war eine (durch ein Büroversehen) nicht unterschriebene Unterlassungserklärung beigefügt worden. Der Antragsgegner hatte aber offensichtlich gar kein Interesse an einer Unterlassungserklärung, sondern seine Rechtsanwälte wollten stattdessen lieber noch einen Rechtsstreit in Hamburg führen. Deshalb haben sie noch am gleichen Tag um 14:50 Uhr dann in Hamburg per Telefax den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Erst mit Telefax um 17:52 Uhr haben sie dann, obwohl sie noch mehr als 2 Wochen Zeit gehabt hätte eine einstweilige Verfügung zu beantragen, dem Antragsgegner mitgeteilt, dass die übermittelte Unterlassungserklärung nicht unterzeichnet gewesen sei, worin sie einen „Trick“ vermuteten und weswegen sie nun bereits den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt haben. Auch an diesem Abend, es war ein Freitag und das gesamte Wochenende, hatten die Rechtsvertreter des Antragstellers ihr Telefaxgerät ausgeschaltet, so dass eine unterschriebene strafbewehrte Unterlassungserklärung erst am nächsten Montag dort per Telefax eingegangen ist. Einige Tage später ist die einstweilige Verfügung dann zunächst erlassen worden. Der Antragsteller hatte zwischen zeitlich auch die unterschriebene Unterlassungserklärung im Original vorliegen. Dennoch hat er die einstweilige Verfügung dem Antragsgegner zustellen lassen. Erst auf den Widerspruch des Antragsgegners hat er dann den Rechtsstreit für erledigt erklärt, wollte aber dennoch, dass der Antragsgegner die Verfahrenskosten zu tragen hat.
Zu Unrecht meinte das Landgericht Hamburg, denn der Antragsteller hatte die einstweilige Verfügung ohne zeitliche Not zu einer Zeit beantragt, als er nicht nur Kenntnis davon hatte, dass der Antragsgegner eine Unterlassungserklärung abgeben wird, sondern auch bereits wirksame abgegeben hat, weil im kaufmännischen Geschäftsverkehr kein Formzwang besteht, also eine Glücks im Unterlassungserklärung sogar mündlich abgegeben werden könnte. Bereits die Mitteilung kein Interesse an einem weiteren Rechtsstreit zu haben und die geforderte Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber in der Sache verbindlich, abzugeben, hat ausgereicht das Rechtschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Verfügung entfallen zu lassen. Erst recht die nicht unterschriebene Unterlassungserklärung.
Im Einzelnen hat das Gericht seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
„Nach dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO, der auch im Rahmen der Entscheidung nach § 91 a ZPO Anwendung findet, sind im Falle des sofortigen Anerkenntnisses dem Antragsgegner die Kosten nicht aufzuerlegen, sofern er keine Veranlassung für die Erhebung der Klage gegeben hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn der Antragsgegner hat vor Einreichung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, jedenfalls aber angezeigt, dass eine solche abgegeben werden soll und die Angelegenheit damit auch ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe im Interesse der Antragstellerin erledigt werden würde.
a) Bereits das Schreiben des Antragsgegnervertreters vom 28.06.2012 gemäß Anlage AG 1, das unstreitig den Antragstellervertreter am Morgen des 29.06.2012 erreicht hat, stellt eine wirksame strafbewehrte Unterlassungserklärung dar. Für die Unterwerfungserklärung besteht im kaufmännischen Verkehr kein Formzwang, §§ 350, 343 HGB (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aulig. 2012, § 12 Rdnr. 1.103f). Die Erklärung ist daher auch mündlich oder ohne Unterschrift gültig. In diesem Fall kann der Gläubiger aber bei einer telekommunikativen Übermittlung der Unterwerfungserklärung (per Telefax oder E-Mail) nach § 127 Abs. 2 S. 2 BGB eine mit verbindlicher Unterschrift versehene Bestätigung verlangen (Köhler/Bornkamm, aaO. Rdnr. 1.104 m.w.N.). Der Schuldner muss dabei bereit sein, dem Gläubiger die Erklärung auf dessen Verlangen auch in einer Form abzugeben, die im Streitfall die Durchsetzung ohne rechtliche Zweifelsgründe und Beweisschwierigkeiten ermöglicht (BGH, GRUR 1990, 530, 532 – Unterwerfung durch Fernschreiben). Erst wenn der Schuldner diesem Verlangen nicht nachkommen sollte, kann die Erklärung wegen des Fehlens ernsthafter Unterwerfungsbereitschaft als wirkungslos angesehen werden (vgl. BGH, aaO.).
b) Soweit die Antragstellerin einwendet, dass sie nicht habe ausschließen können, dass es sich bei der Übersendung einer nicht unterschriebenen Unterlassungserklärung um einen „Trick“ des Antragsgegnervertreters gehandelt haben könnte, kann dem nicht gefolgt werden. Ein solcher angeblicher „Trick“ bei der Abgabe einer Willenserklärung wäre nach den Vorgaben des § 116 S. 1 BGB als geheimer Vorbehalt unbeachtlich. Beachtlich ist vielmehr, dass das am Morgen des 29.06.2012 übersandte (und sogar unterschriebene) Anschreiben zur Auslegung der Willenserklärung des Antragsgegners heranzuziehen ist, um den wirklichen Willen der Erklärung(en) zu erforschen, § 133 BGB. Hier stand zwischen den Parteien ein konkretes Rechtsverhältnis im Räume, das durch den Inhalt der Abmahnung präzise umrissen war. Es stand auch im Räume, dass der Antragsgegner eine Unterlassungserklärung abgeben könnte, jedenfalls hatte die Antragstellerin ihn dazu mit ihrer Abmahnung ausdrücklich aufgefordert. Wenn die Antragstellerin dann vor Einreichung des Antrages bei Gericht ein (unterschriebenes) Anschreiben des Antragsgegnervertreters erreicht, in welchem er mitteilt, „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aber in der Sache verbindlich, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben.“ und weiter mitteilt, eben diese Erklärung in der Anlage beigefügt zu haben, kann die Auslegung nach dem wirklichen Willen nach § 133 BGB nur die Abgabe einer verbindlichen Unterlassungserklärung ergeben. Die fehlende Unterschrift unter die Anlage ist dabei nicht erforderlich, ja selbst die Beifügung der Anlage selbst wäre aufgrund der Formfreiheit unter Kaufleuten nicht erforderlich gewesen. Die Gläubigerin hätte dann vernünftigerweise lediglich zu Beweiszwecken auf einer schriftlichen und auch förmlichen Bestätigung dieser Unterwerfung gemäß der Rechtsprechung bestehen können; an dem Umstand der wirksamen Unterwerfung hätte dies jedoch nichts geändert.
c) Aber selbst wenn man mit der Antragstellerin die fehlende Unterschrift für problematisch erachten sollte (quod non), fehlt es an der Veranlassung der Antragstellung im Sinne des § 93 ZPO. Denn die Antragstellerin war aufgrund des Anschreibens gemäß Anlage AG 1 gewahr, dass der Antragsgegner sich zu unterwerfen beabsichtigte. Es wäre Sache der Antragstellerin gewesen, sofern bei ihr Unklarheiten über die Wirksamkeit dieser Erklärung bestanden haben sollten, schlichtweg nachzufragen und zwar – nicht wie hier – erst nach Einreichung der Antragsschrift, sondern vorab. Daran war die Antragstellerin nach der ihr hinlänglich bekannten Dringlichkeitsrechtsprechung der zuständigen Kammer(n) des Landgerichts auch nicht aus Dringlichkeitsgesichtspunkten gehindert, zumal eine solche Nachfrage verbunden mit einem gewissen Zeitverlust allenthalben als nicht dringlichkeitsschädliches Verhalten eingestuft wird. Eine Veranlassung zur Antragstellung gab es vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht. Die Unterlassungserklärung steht dem Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO gleich.“
Fazit:
Ein altes deutsches Sprichwort sagt: „Wer anderen eine Grube gräbt fällt selbst hinein.“ Im vorliegenden Fall wurde durch das Verhalten des Antragstellers und seiner Rechtsvertreter nicht nur deutlich, dass es diesen weniger darum gegangen ist, eine Unterlassungserklärung zu halten, sondern Anwaltsgebühren zu verdienen. Deshalb wurde anstatt kurz telefonisch die fehlende Unterschrift zu monieren zunächst die einstweilige Verfügung beantragt und erst danach, außerhalb üblicher Geschäftszeiten an einem Freitag per Telefax mitgeteilt, dass die Unterlassungserklärung nicht unterschrieben war.
Der Fall zeigt aber auch, dass gerade im Bereich des Wettbewerbsrechts fundierte, fachübergreifende Rechtskenntnisse des Rechtsanwalts unverzichtbar sind. Dort, wo die Rechtsvertreter des Antragstellers, zumindest bei der Verteidigung ihres Kostenanspruchs, damit argumentiert haben, sie mussten sofort die einstweilige Verfügung beantragen, weil sie befürchteten, bei der Abgabe einer nicht unterschriebene Unterlassungserklärung würde es sich um einen „Trick“ des Rechtsvertreters des Antragsgegners handeln, offenbaren sie in Wahrheit mangelnde Rechtskenntnis im Handelsrecht. Aus den §§ 350, 343 HGB lässt sich nämlich ableiten lässt, dass zwischen Kaufleuten die Schriftform gerade keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Unterlassungserklärung ist. In der Praxis wird diese vielmehr regelmäßig nur deshalb schriftlich verlangt, um die eigene Beweissituation im Hinblick auf weitere Verstöße und eine damit verwirkte Vertragsstrafe, zu verbessern. Wird die Unterlassungserklärung auf ausdrückliche (Nach-)Forderung nicht schriftlich abgegeben, dann fehlt es der Unterlassungserklärung an der notwendigen Ernsthaftigkeit. Ein solcher Fall lag hier aber gerade nicht vor. Es handelt sich hier also um einen reinen Anwaltsfehler, denn der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung hätte schon nicht mehr gestellt werden dürfen. Erst recht hätte die Verfügung dann auch nicht mehr zugestellt werden dürfen.