Wird ein Eigenantrag wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit gestellt, liegt der Schluss mehr als nahe, dass der Schuldner in einem Zeitraum von mehreren Wochen vor der Antragstellung zumindest drohend zahlungsunfähig war. Dies hat nun das LG Hamburg am 16.03.2015 (318 S 38/14) entschieden. Eine derartige Indizwirkung soll jedenfalls dann gelten, wenn keine anderweitigen Anhaltspunkte vorliegen und es auch unstreitig ist, dass erhebliche Liquiditätsprobleme der Schuldnerin nicht erst in dem kurzen Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlungen und dem Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergeben haben.
In dem vom Landgericht Hamburg zu entscheidenden Fall hatte der Anfechtungsgegner keine konkreten Umstände benannt, die es für die Kammer überhaupt nahegelegt hätten, dass die Liquiditätskrise der Schuldnerin zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlungen noch hätte abgewendet werden können.
Zahlungsunfähigkeit droht jedoch bereits dann, wenn zu prognostizieren ist, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung. Droht die Zahlungsunfähigkeit, bedarf es konkreter Umstände, die es nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann. Diese Grundsätze gelten nach gefestigter Rechtsprechung des BGH auch dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird. Die Art und Weise der Ermittlung der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und hängt auch von den wirtschaftlichen Verhältnissen im Einzelfall ab.
Die Behauptung des Anfechtungsgegners, wonach über 95% der Verbindlichkeiten des Schuldners zum maßgeblichen Zeitpunkt noch gar nicht geltend gemacht worden seien, ist grundsätzlich nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit des § 17 S. 2 InsO zu erschüttern. Denn dies bedeute im Umkehrschluss, dass fällige Forderungen von rund 5% bis zum Eigenantrag der Schuldnerin nicht mehr beglichen wurden. Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung zwar grundsätzlich für die Annahme der Zahlungsfähigkeit des Schuldners eine Liquiditätslücke von weniger als 10% seiner Gesamtverbindlichkeiten ausreichen lässt, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10% erreichen wird, so wird die 10%-Regel hinsichtlich der Vermutung der Zahlungsunfähigkeit nicht starr angewandt. Es kommt darauf an, ob die Liquiditätslücke nicht so unwesentlich gewesen war, dass sie in absehbarer Zeit beseitigt werden konnte. So hat der BGH mit Beschluss vom 26.02.2013 fällige Verbindlichkeiten von mehr als EUR 15.000,00, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr ausgeglichen wurden, bei festgestellten Gesamtverbindlichkeiten von rund EUR 400.000,00, also unter 5%, als nicht unerheblich angesehen.