Wird die Erbschaft innerhalb einer Frist von 6 Wochen nicht ausgeschlagen, dann gilt sie nach § 1943 BGB als angenommen. Die Erbfolge ist also die Regel, die Ausschlagung die Ausnahme. Wer nicht rechtzeitig ausschlägt, tritt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an die des Erblassers, übernimmt also den Nachlass mit allen Aktiva und Passiva. Stellt sich dann nachträglich heraus, dass der Nachlass überschuldet ist, dann haftet zwar zunächst der Erbe für die Schulden des Erblassers. Diese Haftung kann er aber dadurch entgehen, indem er die Annahme der Erbschaft anficht (OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2017 – 2 Wx 9/17).
Gesetzlicher Erbe geht von Werthaltigkeit des Nachlasses aus
Die Erblasserin wurde im Wege der gesetzlichen Erbfolge von ihrem Ehemann und ihren beiden Geschwistern beerbt. Während die Schwester die Erbschaft ausgeschlagen hatte, hat der Bruder die Ausschlagungsfrist verstreichen lassen. Er war dabei davon ausgegangen, dass der Nachlass werthaltig ist, denn die Erblasserin habe nach seinen Informationen ca. ein Jahr vor ihrem Ableben eine Abfindung in Höhe von 100.000 € erhalten. Außerdem war ihm ein Kontoauszug, der wenige Monate vor dem Ableben datierte bekannt, die ein Guthaben von rund 60.000 € ausgewiesen hat.
Erbe erklärte Anfechtung wegen Überschuldung des Nachlasses
Als sich das Krankenhaus, in dem die Erblasserin vor dem Ableben behandelt worden war, wegen offener Rechnungen an ihn wandte, erklärte er die Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Nachlassüberschuldung.
Dies zu Recht, denn der Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses beruht auf einer unrichtigen Vorstellung über die Zusammensetzung des Nachlasses, so dass ein Anfechtungsgrund nach § 119 Abs. 2 BGB gegeben sei, so die Richter.
Im Hinblick auf die Kenntnis des Erben davon, dass die Erblasserin ein Jahr auf dem Ableben eine Abfindung in Höhe von 100.000 € erhalten hatte und auch wenige Monate vor dem Tod noch 60.000 € an Bankguthaben auf einem Kontoauszug ausgewiesen waren, habe der Erbe von der Werthaltigkeit des Nachlasses ausgehen dürfen. Diese Erwartung habe sich dann jedoch nicht erfüllt. Da sein Bemühen vom Ehemann der Erblasserin Auskunft über den Verbleib des Geldes zu erhalten gescheitert war, habe der Erbe angesichts der drohenden Inanspruchnahme durch Nachlassgläubiger die Anfechtung erklären dürfen.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.