In der aktuellen Debatte um die Neuregelung der Grundsteuer in Deutschland hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit seinen Beschlüssen vom 23. November 2023 (Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23) in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein starkes Signal gesetzt und den ein Anträge von 2 Eigentümern gegen die sie ergangen Steuerbescheide stattgegeben und deren Vollziehung ausgesetzt. Die Entscheidungen, die Vollziehung der Grundsteuerwertbescheide auszusetzen, werfen fundamentale Fragen zur Rechtmäßigkeit der neuen Bemessungsgrundlagen auf. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte und betrachtet kritisch, ob die neuen Regelungen den Grundsätzen des Gleichheitsgebots nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes entsprechen.
Hintergrund
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 10. April 2018 unter den Aktenzeichen 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12 entschieden, dass die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in Deutschland seit dem 1. Januar 2002 unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes sind.
Dieses Urteil bezieht sich auf die Art und Weise, wie Einheitswerte für Grundbesitz festgestellt wurden, die nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes in den „alten“ Bundesländern noch auf der Grundlage der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964 ermittelt wurden. Diese Werte bildeten die Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die Regelungen zur Einheitsbewertung zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen führten, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gab.
Insbesondere wurde kritisiert, dass die langjährige Aussetzung der notwendigen Hauptfeststellungen zu erheblichen Wertverzerrungen innerhalb des Grundvermögens führte. Das Bewertungssystem sollte eigentlich sicherstellen, dass Einheitswerte ermittelt werden, die dem Verkehrswert der Grundstücke zumindest nahekommen. Allerdings hat der Gesetzgeber den Zyklus der periodischen Wiederholung von Hauptfeststellungen ausgesetzt und seitdem nicht mehr aufgenommen. Dies führte zu zunehmenden Wertverzerrungen, die eine gleichheitsgerechte Besteuerung in Frage stellten.
Das Gericht urteilte, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, bis spätestens zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt durften die als unvereinbar mit dem Grundgesetz festgestellten Regeln über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden. Nach der Verkündung einer Neuregelung dürfen die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden.
Die neuen Regelungen zur Grundsteuerbemessung sehen nun vor, dass die Bemessungsgrundlage anhand des Grundsteuerwerts eines Grundstücks, festgestellt zum 1. Januar 2022, bestimmt wird.
In den vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz betrachteten Fällen wurden ernsthafte Bedenken an der Rechtmäßigkeit dieser Bewertungsmethode geäußert. Hierbei spielen insbesondere die Bodenrichtwerte und deren Ermittlung eine zentrale Rolle.
Juristische Analyse
a) Einfachrechtliche Bedenken: Die Entscheidungen des FG werfen Fragen hinsichtlich der Bodenrichtwertbestimmung auf. Es besteht die Sorge, dass diese Werte möglicherweise nicht rechtmäßig zustande gekommen sind, was ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grundsteuerwertfeststellungen begründet. Dies könnte einen Verstoß gegen die im Bewertungsgesetz verankerten Prinzipien darstellen.
b) Verfassungsrechtliche Bedenken: Das FG äußerte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsregelungen, insbesondere in Bezug auf den allgemeinen Gleichheitssatz. Die typisierte und pauschalierte Bewertungsmethode könnte zu einer Ungleichbehandlung führen, indem sie bestimmte Immobilien über- oder unterbewertet. Dies könnte gegen den Grundsatz der realitäts- und relationsgerechten Bewertung verstoßen, der vom Gleichheitssatz gefordert wird.
c) Verfahrensrechtliche Aspekte: Das FG stärkt die Rechtschutzmöglichkeiten der Steuerpflichtigen, indem es den Finanzrechtsweg für diese Art von Streitigkeiten eröffnet. Dies verhindert eine aufwendige doppelte Rechtsverfolgung in unterschiedlichen Gerichtszweigen.
Eigene Meinung und Perspektiven
Aus Sicht des Verfassers ist die Kritik des Finanzgerichts berechtigt. Eine Grundsteuerbemessung, die systematische Verzerrungen erzeugt, ist problematisch. Insbesondere die typisierte Bewertungsmethode scheint zu stark zu vereinfachen und berücksichtigt nicht ausreichend die individuellen Merkmale der Grundstücke. Dies könnte zu Ungleichbehandlungen führen, die mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht vereinbar sind.
Eine andere Perspektive könnte jedoch die Notwendigkeit einer praktikablen und effizienten Steuererhebung sein. Eine zu starke Individualisierung der Bewertung könnte den Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig erhöhen. Hier gilt es, einen ausgewogenen Weg zwischen Gerechtigkeit und Praktikabilität zu finden.
Fazit
Die Entscheidungen des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz werfen wichtige Fragen zur Rechtmäßigkeit der neuen Grundsteuerbemessung in Deutschland auf. Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof diese Fragen beurteilen wird. Für die Praxis ist es entscheidend, dass ein gerechtes und verfassungskonformes Grundsteuersystem etabliert wird, das sowohl den Anforderungen der Steuergerechtigkeit als auch der administrativen Praktikabilität gerecht wird. Bis dahin sollten Sie, wenn Sie als Eigentümer betroffen sind, verhindern, dass entsprechende Bescheide bestandskräftig werden, also dagegen Einspruch einlegen, um die weiteren Entwicklungen abwarten zu können.