Der Erblasser errichtete kurz vor seinem Tode noch ein notarielles Testament. Er setze seine Bekannte, mit der er die letzten zwei Jahre zusammen gelebt hatte, zu seiner Alleinerbin ein. Seine Schwestern schloss er von der Erbfolge aus. Nach Eintritt des Erbfalls wollten sich die Schwestern das nicht bieten lassen und machten gerichtlich die Unwirksamkeit des Testaments geltend. Sie begründeten ihre Klage damit, dass der Erblasser sich im fortgeschrittenen Stadium einer Krebserkrankung befunden hatte und aufgrund der starken Medikamente nicht mehr in der Lage gewesen sei einen freien Willen zu bilden.
Die sog. Testierfähigkeit ist die Fähigkeit, ein Testament rechtswirksam zu errichten, zu ändern und aufzuheben. Grundsätzlich gilt jede Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, als testierfähig. Eine schwere Krankheit bedeutet nicht automatisch, dass der Kranke testierunfähig ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Kranke noch in der Lage ist zu erkennen, was er tut und welche Folgen sein Tun hat.
Das OLG Bamberg (Beschluss vom 19.06.2012, 6 W 20/12) war im vorliegenden Fall von der Testierfähigkeit des Erblassers überzeugt und damit von der Wirksamkeit des Testaments. Der beurkundende Notar hatte nämlich dargelegt, dass er vor der Beurkundung ausführlich mit dem Erblasser gesprochen hatte. Der Erblasser konnte seinen Willen ohne Einschränkungen frei bilden. Diese Beurteilung wurde noch durch den Hausarzt des Erblassers gestützt, der dem Gericht mitteilte, dass sich der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung aufgrund der Erkrankung zwar in einem Ausnahmezustand befunden habe. Er habe Nahrung nicht mehr selbständig aufnehmen können, habe stark abgenommen und sei sehr geschwächt gewesen. Der Erblasser sei jedoch nicht wegen Verwirrtheitszuständen oder Nachlassens der geistigen Fähigkeiten aufgefallen.
Ein Sachverständigengutachten über die Frage der Testierfähigkeit – wie es die Schwestern forderten – wäre nur einzuholen gewesen bei konkreten Anhaltspunkten für eine eingeschränkte geistige Fähigkeit. Das war hier nicht der Fall, so dass der letzte Wille des Erblassers Bestand hatte.
Tipp:
Ein Testament muss nicht notariell abgefasst werden, sondern auch ein privatschriftliches Testament ist grundsätzlich rechtsgültig. Wer nicht rechtzeitig daran gedacht hat seinen Nachlass zu regeln, solange er noch im Vollbesitz seiner Kräfte ist, sollte aber auf jeden Fall ein notarielles Testament errichten, weil sich regelmäßig der Notar bei der Aufnahme des letzten Willens davon überzeugen wird, dass die Testierfähigkeit noch gegeben ist. Bereits aus diesem Grund ist ein solches Testament schwieriger anzugreifen. Auch ist es sinnvoll, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch seinen Hausarzt hinzuzieht, da auch dieser, wie der vorliegende Fall gezeigt hat, eine wertvolle Stütze sein kann, wenn es darum geht den letzten Willen des Erblassers zu verteidigen.
Rechtsanwalt Graf ist Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V.). Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig vom Amtsgericht Wolfratshausen als Nachlasspfleger bestellt.
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