Liegt kein wirksames Testament vor, dann greift gesetzliche Erbfolge ein. Dies ist hinlänglich bekannt. Was aber ist, wenn ein Erbrecht auf ein Dokument gestützt wird, dass vom Erblasser oder der Erblasserin mit dem Wort „Entwurf“ überschrieben worden ist? Kann es sich dabei gleichwohl um ein wirksames Testament handeln? Wie so oft kommt es auf den Einzelfall an, wie das OLG Frankfurt am Main mit Beschluss vom 30.08.2019 (10 B 38/19) entschieden und im konkreten Fall einem solchen Dokument aufgrund seiner Lückenhaftigkeit die Wirkung eines Testaments versagt hat.
Prozesskostenhilfe zur Rechtsverfolgung als testamentarische Erbin abgelehnt
Der Rechtsstreit war einem eigentlichen Erbrechtsstreit vorgelagert. Die Antragstellerin wollte mit Unterstützung von Prozesskostenhilfe ihre Erbenstellung als testamentarische Erbin feststellen lassen. Sie hat sich dabei auf ein „Testament“ berufen, dass man der Erblasserin mit „Entwurf“ überschrieben und noch nicht vollständig verfasst worden war. Gleichwohl war sie der Auffassung aus diesem Testament ein Erbrecht herleiten zu können.
Nachdem bereits das Landgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung abgelehnt hat, war auch die dagegen gerichtete Beschwerde zum OLG erfolglos.
Ausnahmsweise kann auch ein als Entwurf gekennzeichnete Schriftstück ein formwirksames Testament sein
Zur Begründung haben die Richter dazu ausgeführt, dass in Anlehnung an den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 21.07.1970 (NJW 1970, 2300) ausnahmsweise auch eine als „Entwurf“ bezeichnete Schriftstück ein gültiges Testament sein kann, wenn das Schriftstück nach dem feststellbaren Willen des Erblassers bereits als wirksame Verfügung von Todes wegen gelten soll. Das von der Erblasserin geschriebene Schriftstück sollte aber nach Auffassung der Richter nach dem feststellbaren Willen der Erblasserin kein gültiges Testament sei, weil in dem Schriftstück noch eine Reihe von Regelungen offengelassen worden waren, die ein gültiges Testament enthalten sollte.
So hat die Erblasserin beispielsweise den Ersatzerben nicht benannt („Ersatzerbe soll“). Der Empfänger eines steuerfreien Betrages von 5.200,00 € zuzüglich der Kosten für die Nachlassregelung bleibt offen („Ich verfüge, dass sie/er von meinem Guthaben … einen steuerfreien Betrag von 5.200,- EURO erhält, zuzüglich der Kosten für die Nachlassregelung“). Auch bei drei Geldvermächtnissen, hat es die Erblasserin unterlassen die zugewendeten Geldbeträge zu beziffern. Insbesondere bei der Vermächtnisnehmerin zu 1) hat die Erblasserin bereits das Zeichen „€“ vermerkt, davor jedoch keinen Betrag eingetragen. Angabe der Höhe dieser Vermächtnisse war jedoch erforderlich, um die „Restsumme“ ermitteln zu können, von denen die Vermächtnisnehmer zu 4) und 5) dann jeweils 50% erhalten sollten. Somit ist ausgeschlossen, dass die Erblasserin etwa den Vermächtnisnehmern zu 1) bis 3) jeweils ein Drittel ihrer Geldmittel zuwenden wollte. Weiter spricht für einen bloßen Entwurfswillen der Erblasserin, dass das Datum der Verfügung nicht angegeben worden ist und das Schriftstück auch nicht etwa die Unterschrift der Erblasserin aufweist, sondern nur die Paraphe „E Sch“.
Anmerkung:
Ein als Entwurf gekennzeichnete Schriftstück kann dann als wirksames Testament verstanden werden, wenn die in einer äußerlichen den vom Erfordernissen des § 2247 BGB entsprechende Urkunde Erklärungen enthält, die auf einen ernstlichen Testierwillen schließen lassen. Es muss daher außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die Urkunde als seine rechtsverbindliche letztwillige Verfügung betrachtet hat, also das bewussten hatte, dass das Schriftstück unter Umständen als ein Testament angesehen werden kann. Auch bei Einhaltung der Form im Übrigen darf also die Urkunde nach dem in ihr verlautbarten oder anderweitig feststellbaren Willen des Erblassers nicht als bloßer Entwurf gefertigt sein oder sonst eine nur vorbereitende oder ähnlich unverbindliche Bedeutung haben. Andererseits kann bei der Bedeutung, die dem Errichtungswillen des Erblassers zukommt, auch ein an sich formgültig, aber nur in einer vorläufigen Fassung erstelltes Schriftstück ein fertiges und wirksames Testament bilden, wenn es der Erblasser bis zur Abfassung einer neuen und endgültigen Urkunde als solches behandelt wissen wollte.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.