Wenn Sie glauben, dies sei nicht möglich, dann irren Sie sich. Denn eben dies hat der BGH letztinstanzlich mit Urteil vom 28. Februar 2018 (XII ZR 94/17) bestätigt. In dem entschiedenen Rechtsstreit hatte der Ehemann, um zu sparen, den Versicherungsschutz für das Familienauto, bei dem die Ehefrau Versicherungsnehmerin war, dahingehend reduziert, dass er die Vollkaskoversicherung gekündigt hatte. Als es später dann zum Unfall kam wollte die Frau die Kündigung nicht gegen sich gelten lassen und verlangte von der Versicherung die Regulierung des Schadens. Zu Unrecht, wie nun die Bundesrichter entschieden haben, denn die Vollkaskoversicherung hatte durch die vom Ehemann ausgesprochene Kündigung geendet.
Versicherungsnehmerin verlangt von Vollkaskoversicherung Schadensregulierung, obwohl der Ehemann die Versicherung gekündigt hatte
Die Ehefrau als Versicherungsnehmerin hatte im Oktober 2015 einen Verkehrsunfall verschuldet. Dabei war am eigenen Fahrzeug ein Schaden von knapp 13.000 € entstanden. Diesen verlangte sie von der Vollkaskoversicherung erstattet.
Die Vollkaskoversicherung lehnte allerdings die Regulierung mit der Begründung ab, dass kein Versicherungsschutz mehr bestehen würde. Der Ehemann der Versicherungsnehmerin habe nämlich bereits Ende Oktober 2014 den Versicherungsschutz für das Fahrzeug reduziert und die Vollkaskoversicherung gekündigt. Sie habe dementsprechend auch bereits einen neuen Versicherungsschein ausgestellt und die anteilige Überzahlung erstattet. Weiter führte die Versicherung aus, dass, obwohl Versicherungsnehmerin die Ehefrau gewesen sei, der Ehemann gleichwohl habe wirksam kündigen können, weil es sich dabei um ein Rechtsgeschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs gehandelt hätte.
Die Ehefrau hat daraufhin die Kündigung widerrufen, aber auch das half ihr nicht weiter
Ehefrau als Versicherungsnehmerin zieht erfolglos vor Gericht
Da die Ehefrau als Versicherungsnehmerin die Entscheidung der Vollkaskoversicherung nicht akzeptieren wollte landete der Rechtsstreit schließlich vor Gericht. Dort hatte sie allerdings kein Glück, denn nachdem sie bereits vor dem Landgericht und Oberlandesgericht unterlegen war, hat nun der BGH letztinstanzlich bestätigt, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen richtig gewesen sind, denn auch bei der Kündigung eines Versicherungsvertrags könne es sich um ein Rechtsgeschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs im Sinne von § 1357 BGB handeln, so dass der Ehemann die Frau wirksam vertreten habe.
Zwar bedeutet eine Ehe, so die Richter, nicht automatisch, dass die Ehegatten sich untereinander wirksam rechtsgeschäftlich vertreten könnten, denn das BGB kennt keine generelle gesetzliche Vertretungsmacht der Ehegatten. Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn es sich um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs handelt. Dann kann auch eine für den anderen Ehegatten ausgesprochene Kündigung wirksam sein. Die Richter haben dabei die Kündigung als Spiegelbild des Abschlusses eines Versicherungsvertrags angesehen und daher zunächst geklärt, ob der Abschluss einer Vollkaskoversicherung für ein Familien-Kfz ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs sei. Es komme dabei auf den individuellen Zuschnitt der Familie an, so die Richter. Sofern ein ausreichender Bezug zum Familienunterhalt vorliegt, kann auch der Abschluss einer Vollkaskoversicherung in den Anwendungsbereich des § 1357 Abs. 1 BGB fallen.
Dies wurde von den Richtern aufgrund der besonderen Umstände des Falls bejaht, denn das Fahrzeug, bei dem es sich um das einzige Familienfahrzeug gehandelt hat, war auf den Ehemann zugelassen, obwohl die Ehefrau Versicherungsnehmerin war. Da die Prämie für die Vollkaskoversicherung mit rund 145 €/Monat sich nach Auffassung der Richter noch in einem Rahmen bewegt hat, bei dem eine vorherige Verständigung der Ehegatten untereinander über den Abschluss einer Vollkaskoversicherung nicht erforderlich erscheint, wäre hier der Ehemann auch in der Lage gewesen den Versicherungsschutz wirksam um eine Vollkaskoversicherung zu erweitern. Weiter hat das Gericht dann ausgeführt, dass durch den Abschluss einer solchen Versicherung die Ehegatten zu Gesamtgläubigern würden. Auch, wenn Gesamtgläubiger grundsätzlich ein Vertragsverhältnis nur gemeinsam kündigen könnten, würde hier wegen der Regelung des § 1357 Abs. 1 BGB etwas Anderes gelten. Wenn nämlich der Ehegatten einerseits erlaubt ist, mit Wirkung für und gegen den anderen einen solchen Versicherungsvertrag abzuschließen, dann muss umgekehrt ist einem Ehegatten auch erlaubt sein einseitig den Versicherungsvertrag zu kündigen.
Die Klägerin konnte die Kündigung auch nicht wirksam widerrufen, denn als einseitige Gestaltungserklärung ist ein solcher Widerruf nach Zugang nicht mehr möglich, sodass der Widerruf ins Leere ging.
Mangels bestehendem Versicherungsantrag war daher die Klage abzuweisen und die Klägerin ging leer aus.
Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an
Der Fall verdeutlicht, dass das, was auf den ersten Blick nicht ganz einleuchtend ist zwar sein kann, aber nicht zwingend sein muss. Verallgemeinern lässt sich die Entscheidung nämlich nicht. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an.
Wenn beispielsweise die Ehegatten jeweils ein eigenes Kfz haben und ein Ehegatte die Vollkaskoversicherung, aus welchen Gründen auch immer, für das Kfz des anderen Ehegatten ohne dessen Einverständnis kündigt, dann würde wohl die Rechtslage durchaus anders zu beurteilen sein. Im nun abschließend vom BGH entschiedenen Rechtsstreit war ohnehin nicht auszuschließen, dass aufgrund der Gesamtkonstellation die Ehefrau von der Kündigung wusste und damit auch einverstanden war und erst dann, als später der selbstverschuldeten Unfall entstanden war, die Idee „geboren“ wurde, gleichwohl die Versicherung dafür in Anspruch zu nehmen und sich deshalb auf die Unwirksamkeit der Kündigung zu berufen. Wir hoffen für die Klägerin, dass der sie vertretende Rechtsanwalt von vornherein darüber aufgeklärt hat, dass eine solche Klage nicht nur bedenklich ist, sondern auch rechtlich keine großen Erfolgsaussichten haben wird. Die Vorschrift über die Regelung zu den Geschäften zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs ist nämlich kein Spezialwissen, sondern zählt zum kleinen Einmaleins der Juristenausbildung. Deshalb staunt der Laie und wundert sich der Fachmann, dass bei einer solch klaren Rechtssituation überhaupt das OLG auf die Idee gekommen ist, die Revision zum BGH zuzulassen. Eine solche Zulassung ist nämlich nicht die Regel, sondern die absolute Ausnahme.