Unter einer sog. Schriftsatzkündigung versteht man die Kündigung eines Rechtsverhältnisses, die aus prozesstaktischen Gründen zusätzlich im Rahmen eines laufenden Rechtstreits als Inhalt eines Anwaltsschriftsatzes ausgesprochen wurde. Dies spielt insbesondere bei Arbeitsrechtsprozessen, aber auch in Mietrechtsprozessen eine Rolle, in denen das Gesetz eine Schriftform der Kündigung vorschreibt. Ausgangspunkt war dabei meistens, dass ein Rechtsstreit um die Wirksamkeit einer bereits ausgesprochenen Kündigung geführt wurde und dann im Rahmen eines der gewechselten Anwaltsschriftsätze bei Gericht, offen oder versteckt eine weitere Kündigung ausgesprochen wurde, um deren Wirksamkeit dann zusätzlich gestritten wurde. Nachdem allerdings seit dem 01.01.2022 Rechtsanwälte mit Gerichten ausschließlich elektronisch unter Verwendung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) kommunizieren müssen, also kein Schriftsatz mehr mit einer eigenhändigen Unterschrift des Rechtsanwalts bei Gericht eingeht, stellt sich die Frage, ob eine solche Schriftsatzkündigung, wenn das Gesetz Schriftform vorschreibt, überhaupt noch wirksam ausgesprochen werden kann.
Fristwahrung gegenüber dem Gericht…
Völlig unproblematisch ist, dass dann, wenn anwaltlich ein Schriftsatz unter Verwendung des Bea innerhalb der gesetzten Fristen bei Gericht eingereicht wird, die Frist gewahrt wurde, also beispielsweise wirksam eine Kündigungsschutzklage oder aber auch fristwahrend eine Berufung eingelegt werden konnte. Ebenso kann mit einer solchen elektronischen Klage eine laufende Verjährung unterbrochen werden. Eine Ausnahme gilt ausschließlich für die Kommunikation mit dem Bundesverfassungsgericht. Dort müssen Anträge nach wie vor schriftlich gestellt werden. Dies hat aber nur damit zu tun, dass das höchste deutsche Gericht bislang nicht am elektronischen Rechtsverkehr teilnimmt. Die Begründung dafür ist, dass der Gesetzgeber es bisher versäumt hat, das Bundesverfassungsgerichtgesetz entsprechend anzupassen …
…bedeutet nicht automatisch Wirksamkeit gegenüber dem Erklärungsempfänger
Auch, wenn es auf den ersten Blick befremdlich erscheint, dass einerseits mit einem elektronisch eingereichten Schriftsatz gerichtlich gesetzte Fristen gewahrt und Klagen und Rechtsmittel wirksam eingelegt werden können, daraus nicht rückgeschlossen werden kann, dass auch eine in einem solchen Schriftsatz ausgesprochene Kündigung damit automatisch formwirksam sein müsste. Dies deshalb, weil es für die Wirksamkeit der Kündigung nicht auf den Zugang beim Gericht ankommt, sondern auf den Zugang beim Empfänger.
Grundsätzlich kann schriftliche Form durch elektronische Form ersetzt werden
In § 126 Abs. 1 BGB ist geregelt, was Schriftform bedeutet, nämlich eigenhändige Unterzeichnung durch den Aussteller oder notariell beglaubigtes Handzeichen. In Abs. 3 ist dann aber geregelt, dass schriftliche Form durch elektronische Form ersetzt werden kann, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
Qualifizierte elektronische Signatur erforderlich
Allerdings ist dann in § 126 a Abs. 1 BGB geregelt, dass dann, wenn die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden soll, der Aussteller diese Erklärung nicht nur seinen Namen hinzufügen muss, sondern das elektronische Dokument muss zusätzlich mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden. Diese Anforderung genügt aber die bloße Versendung über das beA gerade nicht, weil dort nur die Identität des Ausstellers gewährleistet wird, aber grundsätzlich keine solche qualifizierte elektronische Signatur erfolgt. Und hier genau steckt das Problem, denn das Gericht leidet entweder den Schriftsatz selbst elektronisch an einen weiteren Empfänger, also den Gegenanwalt, weiter, oder aber druckt das elektronisch eingegangene Dokument aus und leitet es analog per Post weiter. Hierdurch werde die elektronische Form im Verhältnis zwischen Absender und Empfänger nicht eingehalten, denn die Legitimationswirkung der Absendersignatur bestünde nur gegenüber dem Gericht, während der vom Gericht per Postzustellung übersandte Ausdruck weder der Schriftform noch der elektronischen Form im Sinne der vorgenannten Vorschriften genügen würde. Es fehle damit an einem wirksamen Zugang der Kündigung Erklärung im Sinne von § 130 Abs. 1 S. 1 BGB (so Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 25.02.2022, 48 C 304/21 zu einer vermieterseitigen Schriftsatzkündigung).
Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass der Ausspruch von Schriftsatzkündigungen durch die zwangsweise Einführung der elektronischen Kommunikation im anwaltlichen Rechtsverkehr erheblich erschwert worden sind, weil Anwaltsschriftsätze regelmäßig ohne eine solche qualifizierte elektronische Signatur eingereicht werden und sich hier deshalb schnell Fehler einschleichen können.
Anmerkung:
Die aufgezeigte Problematik gilt nicht nur für Schriftsatzkündigung, sondern auch immer dann, wenn ein Rechtsanwalt im Auftrag eines Mandanten eine Kündigung ausspricht. Ist der Kündigungsempfänger anwaltlich vertreten, dann darf nach Standesrecht der Anwalt nicht mehr mit diesen persönlich, sondern nur noch mit dessen Rechtsvertreter kommunizieren. Er wird deshalb versucht sein, wenn er den Auftrag erhält eine Kündigung aussprechen, aus Gewohnheit auch diese Kommunikation unter Nutzung des beA zu führen. Kommt es dann zum Rechtsstreit, dann kann für Anwalt und Mandant eine unliebsame Überraschung dadurch entstehen, dass der Gekündigte sich dann erfolgreich auf die Formunwirksamkeit der Kündigung beruft und damit, um das Rechtsverhältnis wirksam zu beenden, die Kündigung erneut und diesmal analog, ausgesprochen werden muss.
dass die aufgezeigte Problematik überhaupt zutage tritt, ist letztlich darauf zurückzuführen, dass nach Auffassung des Verfassers auch hier der Gesetzgeber seine Regelungen nicht praxisgerecht zu Ende gedacht hat. Sachdienlich wäre es vielmehr gewesen, die Formvorschriften entsprechend zu vereinheitlichen. Wäre also gleich das elektronische Anwaltspostfach so ausgestaltet worden, dass dort auch stets eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich ist, dann hätten die Anbieter von Anwaltssoftware das entsprechend umgesetzt und damit eine Fehlerquelle und damit ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko für Anwälte ausgeschlossen. Entsteht dem Mandanten nämlich dadurch, dass der Anwalt die Kündigung formunwirksam ausgesprochen hat, ein nachweisbarer Schaden, da steht der nächste Rechtsstreit in Form eines Haftungsprozesses ins Haus, in dem dann darum gestritten werden kann, ob das Versäumnis des Anwalts auch wirklich kausal für den Schaden geworden ist. Ein formunwirksam gekündigterArbeitnehmer, der aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung oder langer Betriebszugehörigkeit eine lange Kündigungsfrist hat, könnte es beispielsweise auf die Spitze treiben, in dem er die Kündigung nicht unmittelbar angreift, sondern zunächst einfach zuwartet, bis die Kündigungsfrist zu Ende geht und dann Weiterbeschäftigung mit der Begründung beansprucht, dass die Kündigung formunwirksam gewesen sei.