Bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dieses unterliegt dem Grundsatz der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit, vergl. § 109 GewO.
Naturgemäß gehen die Auffassungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber hier oft auseinander. Dies insbesondere dann, wenn das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Arbeitgebers beendet worden ist. Während manche Arbeitgeber weitgehend schmerzfrei dem ausscheidenden Arbeitnehmer alles bescheinigen, was er möchte, nur um keinen weiteren Rechtsstreit über den Inhalt des Zeugnisses führen zu müssen, nehmen es andere Arbeitgeber sehr genau und kommen dem Arbeitnehmer selbst hinsichtlich des Beendigungsdatums und Ausstellungsdatums des Arbeitszeugnisses nicht entgegen. Dies zu Recht, wie ein Urteil des BAG vom 14.06.2016 (9 AZR 8/15) verdeutlicht.
Hier wollte der Arbeitnehmer, der erstinstanzlich einen Kündigungsrechtsstreit gewonnen und im Rahmen eines sog. Prozessarbeitsverhältnisses zunächst weiter beschäftigt worden war, den Rechtsstreit dann aber zweitinstanzlich verloren hatte, eine Berichtigung des Zeugnisses dahingehend, dass nicht als Beendigungs- und Ausstellungsdatum das Datum der vorangegangenen fristlosen Kündigung im Zeugnis erscheint, sondern die Weiterbeschäftigung im Rahmen des Rechtsstreits Niederschlag findet.
Weiterbeschäftigung im Rahmen eines Rechtsstreits über fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses
Der Kläger war bei einer Fluggesellschaft als Purser (Flugbegleiter) beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 17.11.2011 fristlos. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage war zunächst vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom 21.06.2012 fest, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die vorgenannte Kündigung noch durch eine später erklärte weitere Kündigung beendet worden sei und verurteilte die Beklagte den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
Zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen hat die Beklagte dann den Kläger vom 21.06.2012 bis zum 23.01.2013 weiter beschäftigt. An diesem Tag hat nämlich das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG hat dieses am 01.07.2013 zurückgewiesen, so dass damit die Kündigung wirksam war.
Arbeitgeber beschränkt Zeugnis auf die Zeit bis zum Zugang der fristlosen Kündigung
Das Prozessarbeitsverhältnis wurde von der Beklagten bei der Zeugniserstellung nicht berücksichtigt. Vielmehr erhielt der Kläger von der Beklagten ein Zeugnis in welchem zur Dauer der Beschäftigung ausgeführt wurde:
„Herr S., geboren am ***1971, war vom 01.12.1994 bis zum 17.11.2011 in unserem Hause als Flugbegleiter und Purser tätig.“ Weiter heißt es im vorletzten Absatz des Zeugnisses: „Das Arbeitsverhältnis endet am 17.11.2011.“ Ferner enthielt das Zeugnis das Ausstellungsdatum des 17.11.2011.“
Neue Klage, diesmal auf Zeugnisberichtigung
Damit wollte sich der Kläger nicht zufriedengeben. Er erhob eine neue Klage und beantragte die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zeugnis mit teilweise geändertem Text auszustellen. Der Kläger begehrte insbesondere die Änderung des von der Beklagten angegebenen Datums, 17.11.2011, im Hauptantrag in 30.06.2013, hilfsweise in 28.06.2013 und äußerst hilfsweise in 23.01.2013.
Zur Begründung trug der Kläger vor, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Zustellung des zurückweisen Beschlusses der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesarbeitsgericht am 01.07.2013 geendet habe. Er werde auch durch die Angabe des Datums 17.11.2011 erheblich in seinem beruflichen Fortkommens behindert. Da er im Rahmen der Prozessbeschäftigung auch tatsächlich gearbeitet habe, also Arbeitsleistung erbracht worden ist, sei jedenfalls dieser Zeitraum mit in das Zeugnis aufzunehmen. Das Prozessarbeitsverhältnis habe erst mit Verkündung des Urteils des LAG, das das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und seine Klage zurückgewiesen habe, geendet.
Kein Anspruch auf Berücksichtigung des Prozessarbeitsverhältnisses wegen Vorrangs der Zeugniswahrheit
Sowohl Arbeitsgericht als auch Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Letzteres hat aber die Revision zum BAG zugelassen, so dass nun dieses letztinstanzlich über das Klagebegehren entschieden und dem Kläger ebenfalls eine Absage erteilt hat.
Zeugnisanspruch bereits erfüllt
Der Arbeitgeber erfüllt seinen Zeugnisanspruch, so die Richter, dann, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspreche. Daraus ergäben sich als inhaltliche Anforderungen der Grundsatz der Zeugniswahrheit und der in § 109 GewO auch ausdrücklich normierte Grundsatz der Zeugnisklarheit.
Klagebegehren widerspricht Grundsatz der Zeugniswahrheit
Das Begehren des Klägers widerspräche aber dem Grundsatz der Zeugniswahrheit. Als Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers und Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber muss das Zeugnis inhaltlich wahr und zugleich von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein. Es dürfe dessen berufliches Fortkommen nicht unnötig erschweren. Die Wahrheitspflicht umfasse dabei alle Fragen des Zeugnisrechts und damit den gesamten Inhalt eines Zeugnisses.
Die Beklagte verstieße aber, so das Gericht, gegen die bereits Pflicht, wenn sie dem Kläger in dem begehrten Arbeitszeugnis bescheinige, dass das Arbeitsverhältnis am 30.06.2013, am 28.06.2013 oder am 23.01.2013 geendet habe, weil mit der die Kündigungsschutzklage abweisenden und rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 21.01.2013 feststehe, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Zugang der außerordentlichen Kündigung beim Kläger am 17.11.2011 geendet habe. Mit der Prozessbeschäftigung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung werde kein Arbeitsverhältnis begründet. Auch werde hiermit nicht die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Es werde vielmehr ein faktisches Beschäftigungsverhältnis begründet, das entfalle, sobald das die Weiterbeschäftigungspflicht aussprechende Urteil aufgehoben werde. Es komme nicht maßgeblich auf den tatsächlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern auf den rechtlichen Bestand an, so dass das Arbeitsverhältnis am 17.11.2011 geendet habe. Hinzu kommt, dass bei einer Übernahme der vom Kläger geforderten Daten, so die Richter, dem Leser suggeriert werden würde, das Arbeitsverhältnis habe lückenlos fortbestanden. Dies sei aber gerade nicht der Fall gewesen, weil der Kläger im Zeitraum vom 18.11.2011 bis zum 20.06.2012, also vom Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung bis zum Urteil des Arbeitsgerichts, gerade nicht beschäftigt gewesen war. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit bewegt damit mögliche negative Folgen für den Arbeitnehmer.