Wer als Besteller ein mangelhaftes Werk trotz Kenntnis des Mangels abnimmt und sich dabei nicht die Mangelgewährleistungsrechte vorbehält, verliert den Anspruch auf Schadenersatz wegen der Mangelbeseitigungskosten. Er kann allenfalls noch Ersatz des sogenannten Mangelfolgeschadens verlangen. Dies hat das OLG Schleswig, mit Urteil vom 18.12.2015 (1 U 125/14) so entschieden.
In dem entschiedenen Rechtsstreit hatten die Kläger Vorschuss für die Mängelbeseitigung verlangt, weil entgegen der vertraglichen Vereinbarung die Fenster im Obergeschoss nicht mit Rollläden ausgestattet waren. Trotz dieser offensichtlichen Mangelhaftigkeit hatten sie zunächst das Bauwerk abgenommen und dann erst später, gemeinsam mit anderen aufgetretenen Mängeln, dies gerügt.
Aus den Entscheidungsgründen:
„1. Den Klägern steht gegen die Beklagten kein durchsetzbarer Anspruch auf Kostenvorschuss aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB – hinsichtlich der Beklagten zu 1. und 2. i. V. m. § 128 HGB analog – wegen des Fehlens der Rollläden im Obergeschoss zu.
a) Das Fehlen der Rollläden stellt allerdings einen Mangel dar. Ein Mangel liegt nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB u. a. vor, wenn das Werk nicht die vereinbarten Eigenschaften hat. In diesem Fall haben die Parteien vereinbart, dass auch die Fenster im Obergeschoss mit Rollladensystemen ausgerüstet werden sollten….
…
b) Die Kläger können ihren Kostenvorschussanspruch wegen des Mangels nach § 640 Abs. 2 BGB nicht durchsetzen. Nach dieser Vorschrift stehen dem Besteller die Mangelgewährleistungsrechte nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB nur zu, wenn er sie sich bei der Abnahme vorbehält, falls er das Werk trotz Kenntnis eines Mangels abnimmt. Die Vorschrift räumt dem Werkunternehmer eine Einrede ein (MK-BGB/ Busche, 6. Auflage, § 240, Rn. 35.; Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, § 340 BGB, Rn. 291; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Stand 2014, § 340, Rn. 64). Die Beklagten berufen sich auf den Rechtsverlust.
Die Abnahme erfolgte am 09.07.2011. Ausweislich des Protokolls (Anlage K 2, AB) ist das Objekt ordnungsgemäß übergeben worden. Darin liegt die körperliche Entgegennahme des Werks durch die Kläger und die Anerkennung als vertragsgerecht. Ein Vorbehalt wegen Mangelgewährleistungsrechten ergibt sich aus dem Protokoll nicht, und er ist auch sonst nicht von den Klägern behauptet worden.
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Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Kläger bei der Abnahme am 09.07.2011 gewusst haben, dass die Fenster im Obergeschoss nicht mit Rollläden ausgestattet waren. Das beruht auf der Aussage des Zeugen Z, der bekundet hat, er habe einige Zeit vor der Stellung seiner Rechnung vom 30.06.2011 (Anlage K 17, Bl. 352 d. A.) mit dem Kläger zu 2. die Stellen im Erdgeschoss der Doppelhaushälfte angesehen, an denen die Schalter für die Betätigung der Rollläden durch Zeitschaltuhren ersetzt werden sollten. Der Kläger zu 2. habe dabei geäußert, es sei schade, dass im Obergeschoss keine Rollläden seien.
Die Aussage des Zeugen Z ist glaubhaft. Der Senat ist davon überzeugt, dass er wahrheitsgemäß seine tatsächliche Erinnerung an den Vorfall geschildert hat. Er gibt mit der Äußerung des Klägers zu 2. ein ungewöhnliches Detail wieder, sodass seine Erinnerung daran trotz des Zeitablaufs und der mutmaßlich vielen ähnlichen Gesprächen in seinem Berufsleben plausibel ist. Seine Aussage war neutral und unabhängig von den Behauptungen der Parteien. So hat der Zeuge Z entgegen der Behauptung der Beklagten bestätigt, dass die Lage der Schalter bereits festgelegt war. Auch hat er die Äußerung des Klägers zu 2. erst im Verlauf seiner Aussage wiedergegeben. Sie stand für ihn offensichtlich nicht im Mittelpunkt des damaligen Termins. Hätte der Zeuge Z einseitig zugunsten der Beklagten aussagen wollen, wäre ein anderes Aussageverhalten zu erwarten gewesen.
Der Senat ist davon überzeugt, dass auch die Klägerin zu 1. das Fehlen der Rollläden im Obergeschoss kannte, wenn der Kläger zu 2. es kannte. Die Annahme, der Kläger zu 2. habe eine solche Erkenntnis der Klägerin zu 1., mit der er bereits damals zusammenlebte und mit der er mit dem Kauf der Doppelhaushälfte eine nennenswerte Investition tätigen wollte, verschwiegen, ist lebensfern.
Die sich so aus der Aussage des Zeugen Z ergebende Kenntnis der Kläger vom Fehlen der Rollläden wird durch weitere Umstände gestützt. So ergibt sich aus der Rechnung über die Aufrüstung der Rollladensteuerung vom 30.06.2011 (Anlage K 17, Bl. 352 d. A.) dass nur vier Schalter durch Zeitschaltuhren ersetzt worden sind. Auch bei einer laienhaften Betrachtung des Hauses war offensichtlich, dass es über weit mehr als vier Fenster verfügte, wobei die überwiegende Zahl im Obergeschoss lag (vgl. die Bauzeichnungen, Anlagen 1 – 4 im Sachverständigengutachten vom 03.02.2013). Bei lebensnaher Betrachtung hätten sich die Kläger fragen müssen, ob nicht auch die weiteren Fenster mit einem elektrischen Antrieb auszurüsten seien.
Zudem haben die Kläger erst fünf Monate nach der Abnahme das Fehlen von Rollläden im Obergeschoss gerügt. Es wäre zu erwarten gewesen, dass sie das Fehlen nach der Inbenutzungnahme des Hauses eher festgestellt hätten, wenn sie Rollläden im Obergeschoss erwartet hätten, auch wenn sie das Haus alsbald vermietet haben. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein Bauherr, wenn nicht bereits bei der Abnahme, so doch innerhalb eines überschaubaren Zeitraums danach die Funktionsfähigkeit der Einrichtungen seines Hauses prüft. Das wäre erst recht zu erwarten, wenn das Haus vermietet werden soll, um Baumängel von Beschädigungen durch die Mieter abgrenzen zu können. Die Kläger haben auch durchaus das Haus auf Mängel geprüft und Mängel gerügt, wie sich aus den Schreiben ab dem 10.07.2011 (Anlagenkonvolut B 6, Bl. 190 – 194 d. A.) ergibt.
Die Kläger haben nicht erklären können, aus welchem Grund die Rüge erst mit Schreiben vom 09.12.2011 erfolgt ist. Sie haben nicht anschaulich erläutert, wann und wie ihnen das Fehlen der Rollläden aufgefallen ist. In ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung haben sie angegeben, dass für sie Feuchtigkeitsschäden im Fokus gestanden hätten und sie im Zuge der Untersuchung der Fenster auf Feuchtigkeit das Fehlen von Rollläden bemerkt hätten. Wie sich aus ihren Schreiben ergibt, haben sie aber auch andere Dinge als Feuchtigkeit gerügt, die zudem weniger offensichtlich sind als fehlende Rollläden, jedenfalls aber eine genaue Prüfung des Hauses zeigen, wie etwa eine laufende WC-Spülung, eine lose Übergangsleiste des Laminats, Verschmutzungen von Pflastersteinen oder nicht mehr schließende Türen.
2. Den Klägerin steht auch kein Schadenersatzanspruch in Höhe der Mangelbeseitigungskosten nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB zu. In diesem Umfang ist der Schadenersatzanspruch ausgeschlossen, wenn der Besteller das Werk in Kenntnis des Mangels abnimmt.
Nach altem Schuldrecht ist allerdings angenommen worden, dass auch nach rügeloser Abnahme der Schadenersatzanspruch die Mangelbeseitigungskosten umfasst (BGHZ 77, 134, 136 ff.). Das folge aus dem Wortlaut des § 640 Abs. 2 BGB [a. F.] und sei interessengerecht, weil der Besteller den verschuldensabhängigen Anspruch gegen den Werkunternehmer behalte, während die nicht verschuldensabhängigen Ansprüche untergingen. Zwar bestimme die Vorschrift des § 635 BGB [a. F.], dass der Anspruch auf Schadenersatz statt des Anspruches auf Wandelung oder Minderung geltend gemacht werden könne. Wenn diese jedoch wegfielen, verbleibe der Schadenersatzanspruch, soweit dessen Voraussetzungen gegeben seien.
Allgemein wird angenommen, dass dies auch nach der Schuldrechtsreform gilt (MK-BGB/ Busche, 6. Auflage, § 240, Rn. 33 f.; Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage, § 640, Rn. 13; BeckOK- BGB/Voit, Stand 01.02.2015, § 340, Rn. 41; Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, § 340 BGB, Rn. 290; wohl auch Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Stand 2014, § 340, Rn. 65).
Diese Auffassung ist nicht überzeugend. Vom Wortlaut des § 640 Abs. 2 BGB her bleibt dem Besteller zwar der Anspruch auf Ersatz von Mangelschäden und Mangelfolgeschäden erhalten. Die Vorschrift berührt Ansprüche aus § 634 Nr. 4 BGB nicht und differenziert so nicht zwischen diesen beiden Schadensarten. Es erscheint jedoch kaum interessengerecht, dass dem Besteller auch der Anspruch auf Ersatz des Mangelschadens erhalten bleiben soll. Er verhält sich nämlich widersprüchlich, wenn er zwar einerseits das Werk trotz des ihm bekannten Mangels als vertragsgerecht annimmt, andererseits jedoch später die Mittel ersetzt haben möchte, um den Mangel zu beseitigen.
Dabei ist die Differenzierung zwischen verschuldensabhängigen und verschuldensunabhängigen Ansprüchen wenig überzeugend. Angesichts des Umstandes, dass der Werkunternehmer jeden Verstoß gegen die Regeln der Technik zu vertreten hat, wird man ohnehin im Regelfall von einem Verschulden ausgehen müssen, so dass auch die Ansprüche nach § 634 Nr. 1 bis 3 danach nicht entfallen müssten (Messerschmidt/Voit, a. a. O.).
Vor allem jedoch lassen sich die Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs nicht mehr erreichen. Denn er setzt nach § 281 Abs. 1 BGB voraus, dass der Besteller dem Werkunternehmer fruchtlos eine Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt hat. Das setzt wiederum einen durchsetzbaren Anspruch auf Nacherfüllung voraus, den der Besteller durch die rügelose Abnahme gerade verloren hat. Nicht umsonst stellte der BGH in seiner Entscheidung heraus, dass nach Wegfall der anderen Mangelgewährleistungsansprüche der Schadenersatzanspruch erhalten bleibe, wenn dessen Voraussetzungen vorlägen. Im entschiedenen Fall sollten die Voraussetzungen deswegen vorliegen, weil der Unternehmer die Mangelbeseitigung verweigert hatte (BGHZ 77, 134, 138). Darin liegt jedoch ein logischer Bruch, weil der Werkunternehmer die Nachbesserung nach der rügelosen Abnahme verweigern darf. Der Anspruch auf Nacherfüllung nach § 634 Nr. 1 BGB (§ 633 BGB a. F.) soll dem Besteller gerade nicht mehr zustehen.
Anders wäre es nur, wenn man davon ausginge, dass in der Abnahme in Kenntnis eines Mangels ein Grund liegen könnte, um nach §§ 281 Abs. 2, 636 BGB ohne Fristsetzung sofort Schadenersatz verlangen zu können. Das scheint angesichts des einseitigen, gegen eigene Interessen verstoßenden Verhaltens des Bestellers als nicht überzeugend.
Damit fehlt die doppelte Vertragsuntreue des Werkunternehmers, die zur Begründung der scharfen Sanktion des Schadenersatzanspruches herangezogen wird. Einerseits ist das Werk vom Besteller als vertragsgerecht anerkannt worden, andererseits darf der Werkunternehmer die Nachbesserung verweigern. Faktisch wäre er dazu allerdings gezwungen, um dem Schadenersatzanspruch zu entgehen. Im Ergebnis müsste der Besteller trotz der rügelosen Abnahme und entgegen der Regelung des § 640 Abs. 2 BGB kaum eine Einschränkung seiner Rechte hinnehmen.
Es kommt danach nicht mehr darauf an, dass die Kläger einen Schadenersatzanspruch in diesem Verfahren nicht mehr geltend machen könnten, weil der Übergang vom Vorschussanspruch auf einen Schadenersatzanspruch eine Klageänderung darstellen und eine Anschlussberufung der Kläger voraussetzen würde.
Der Übergang vom Vorschussanspruch zum Schadenersatzanspruch stellt eine Klageänderung dar (BGH NJW-RR 1998, 1006, 1007; Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage, § 263, Rn. 7). Denn Vorschussanspruch und Schadenersatzanspruch gehen auf qualitativ unterschiedliche Leistungen. Der Vorschuss soll nur vorübergehend in das Vermögen des Auftraggebers übergehen und alsbald zur Finanzierung der Selbstvornahme aufgewendet werden. Nach Durchführung der Selbstvornahme ist über die Verwendung abzurechnen. Dagegen soll der Schadenersatz endgültig in das Vermögen des Bestellers übergehen, der überdies in der Verwendung des Betrages frei ist. Soweit vertreten wird, es handele sich bei diesen unterschiedlichen Ausgestaltungen von Ansprüchen nur um eine Rechtsanwendung durch das Gericht, so dass der Anspruchsteller nicht klarstellen müsse, welchen Anspruch er geltend mache und von einem Anspruch auf den anderen übergehen könne (so OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 386), ist das angesichts der unterschiedlichen Anspruchsinhalte nicht überzeugend.“