Bei Haftpflichtschäden kann der Geschädigte Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche direkt gegenüber der Haftpflichtversicherung geltend machen, wenn es sich hierbei um eine Pflichtversicherung nach dem Pflichtversicherungsgesetz handelt, wie bspw. bei einem Verkehrsunfall. Der Geschädigte kann in diesen Fällen die Haftpflichtversicherung zur Erklärung der Eintrittspflicht und auch zur Zahlung auffordern. Wird jedoch über das Vermögen des Schädigers das Insolvenzverfahren eröffnet, so können Geschädigte, wie alle anderen Gläubiger des Insolvenzschuldners, ihre Ansprüche, welche den Zeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffen, grundsätzlich nur dadurch geltend machen, dass sie diese zur Insolvenztabelle anmelden.
Das OLG Nürnberg hat nun mit Beschluss vom 21.06.2012 (5 W 1109/12) entschieden, dass bei einer Insolvenz des Schädigers auch dann kein unmittelbares Vorgehen des Geschädigten gegen die Versicherung möglich ist, wenn der Insolvenzverwalter den Deckungsanspruch aus der Insolvenzmasse freigibt. Denn eine Inanspruchnahme des Versicherers setze voraus, dass die Forderungen des Geschädigten zunächst zur Tabelle angemeldet und festgestellt werden müssen.
Dabei argumentierte das Oberlandesgericht, dass der Versicherer im Fall des § 110 VVG (also bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des versicherten Schädigers) nicht eher zur Zahlung verpflichtet sei, bevor nicht der Streit über das Bestehen der Schadensersatzforderung zwischen den Beteiligten (dem Geschädigten und dem Insolvenzverwalter) rechtskräftig ausgetragen ist. Dabei ersetze die Eintragung in die Insolvenztabelle gem. § 178 InsO für die festgestellten Forderungen ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter. Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie kein Widerspruch erhoben worden ist oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Die Feststellung zur Tabelle wirke auch gegenüber dem Haftpflichtversicherer.
Die vom Insolvenzverwalter erklärte Freigabe des Deckungsanspruches ändere hieran nichts. Die Freigabe einer Forderung aus der Insolvenzmasse sei keine Abtretung und bewirke lediglich, dass der Insolvenzschuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des freigegebenen Deckungsanspruches zurückerhalte. Sie könne aber keinen Einfluss auf die Fälligkeit der Versicherungsleistung nach § 106 VVG haben, da dem Geschädigten im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht an dem Deckungsanspruch zustehe, welches das Verfahren überdauere und sich als Pfandrecht an der Entschädigungsforderung selbst fortsetze.
Das OLG Nürnberg folgt mit seiner Entscheidung der Linie des BGH, welcher zuletzt zur Freigabe des Deckungsanspruchs gegenüber der Haftpflichtversicherung in der Insolvenz des Schädigers am 02.04.2009 (IX ZR 23/08) zu entscheiden hatte. Dabei stellt der BGH in seinem Urteil klar, dass ein Insolvenzverwalter den Deckungsanspruch auch freigeben kann, wenn er Rechtsstreitigkeiten und das damit verbundene Prozessrisiko mit dem Gläubiger oder Versicherer vermeiden will.
Es bleibt jedenfalls festzuhalten, dass der Insolvenzverwalter zur Vermeidung eines eigenen Haftungsrisikos den Haftpflichtanspruch eines Gläubigers zumindest vorläufig bestreiten, also nicht zur Tabelle feststellen, sollte, solange der Versicherer der Schadensregulierung nicht zugestimmt hat.