Eltern schulden ihren Kindern Unterhalt. Dies ist hinlänglich bekannt. Eine solche Verpflichtung gilt regelmäßig auch gegenüber volljährigen Kindern, wenn sich das Kind beispielweise noch in der Schulausbildung befindet.
Das Unterhaltsrecht ist allerdings keine Einbahnstraße. Gerade aufgrund des demographischen Wandels kommt es in der Praxis immer öfters vor, dass Kinder von Sozialträgern in Anspruch genommen werden, wenn die Eltern nicht in der Lage sind aus eigenen Mitteln die Kosten für eine Heimunterbringung zu tragen. Deshalb wird die Generation der heute 40-60 jährigen teilweise auch als Sandwichgeneration bezeichnet, weil oftmals einerseits noch für die eigenen Kinder Unterhalt gezahlt werden muss und andererseits, zumindest dann, wenn es die Einkommenssituation hergibt, auch noch Unterhalt für die Eltern verlangt wird.
Haben sich die Eltern des nun in Anspruch genommenen Kindes scheiden lassen, und hat das Kind dann bei nur einem Elternteil gelebt, so kann es trotzdem grundsätzlich auch dem anderen Elternteil zum Unterhalt verpflichtet sein. Das OLG Oldenburg hat nun allerdings in seinem Urteil vom 25.10.2012 (14 UF 80/12) festgestellt, dass dies ausnahmsweise dann nicht gilt, wenn nach der Scheidung das Familienband durch unwürdiges Verhalten des bedürftigen Elternteils zerrissen worden ist.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Eltern trennten sich Anfang der 1970er-Jahre. Das Kind war zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt. In der Trennungssituation wurde das Kind Zeuge und Opfer von Handgreiflichkeiten des Vaters. Der anfangs lose Kontakt zwischen dem Kind und seinem Vater ebbte bald ab. Der Vater zeigte weder Interesse daran, dass das Kind das Abitur bestanden, noch daran, dass es sich verlobt hatte. Nicht einmal auf der Beerdigung des Großvaters wechselten Vater und Kind persönliche Worte. 1998 errichtete der Vater ein Testament und enterbte sein Kind, da seit 27 Jahren kein Kontakt bestanden habe.
Obwohl das Kind zum Zeitpunkt der Trennung der Eltern bereits volljährig war, sieht das Gericht hier den Vater in der Verantwortung und zieht bei seiner Entscheidung § 1618 a BGB, wonach Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schulden, heran. Die Richter ziehen daraus den Schluss, dass es die Aufgabe des Vaters gewesen wäre, den endgültigen Bruch zu verhindern. Das Verhalten des Vaters offenbart einen groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme. Die Zurückweisung der Kontaktversuche des Kindes (Mitteilungen von dem bestandenen Abitur und der beabsichtigten Verlobung) wertet das OLG als besonders kränkend für das Kind. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass der Vater vorsätzlich handelte. Dies wird nicht dadurch relativiert, dass sich die Eltern nach langjährigen Ehekonflikten getrennt hatten, und berechtigte den Vater nicht dazu, sich auch gegenüber seinem Kind zurückzuziehen. Da § 1611 Abs. 1 BGB vorsieht, dass Unterhaltsansprüche verwirkt sind, wenn sich der Unterhaltsbedürftige vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht und § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII den Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger verhindert, wenn die Inanspruchnahme eine unbillige Härte wäre, hat das Gericht die Klage des Sozialhilfeträgers abgewiesen.
Hinweis:
Da die Verwirkung von Unterhaltsansprüchen der Eltern bei Scheidungskindern nach Auffassung der Richter eine grundsätzliche Bedeutung hat, wurde die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen. Dieser wird also mit einer Grundsatzentscheidung künftig den Instanzgerichten den Weg vorgeben.