Werden Rechtsverletzungen im Internet begangen, dann gilt grundsätzlich ein sog. fliegender Gerichtsstand. Dies bedeutet, dass der Anspruchsteller bei jedem Gericht, in dessen Bezirk die Rechtsverletzung begangen werden kann, seine Ansprüche rechtshängig machen kann. Damit wird der Grundsatz durchbrochen, dass grundsätzlich die Klage am Wohnsitz des Beklagten einzureichen ist.
Abmahnkanzleien, die meist bundesweit Abmahnungen aussprechen suchen sich daher oft ein Gericht, bei dem sie wissen, dass dieses ihre Rechtsauffassung teilt oder aber, aus Gründen der Effektivität, wird der Kanzleisitz als Gerichtsort gewählt, um so möglichst ohne großen Aufwand Massenverfahren bearbeiten zu können. Für denjenigen, der eine solche Abmahnung erhält, ist dies nachteilig, weil gerade dann, wenn der Gerichtsort weit entfernt ist, die Rechtsverteidigung mit erheblichen Mehrkosten verbunden ist und damit erheblich erschwert wird.
Gerade bei sog. Filesharingfällen versuchen Abmahnkanzleien unter Berufung auf den fliegenden Gerichtsstand, nicht zuletzt auch, um den Abgemahnten zur Bezahlung des geforderten Betrag zu bewegen, oft Gerichtsorte zu wählen, die weit vom Wohnort des Anspruchsgegners entfernt sind.
Das Amtsgericht Köln hat nun in seinem Beschluss vom 01.08.2013 (137 C 99/13) die Anwendbarkeit des fliegenden Gerichtsstands auf Filesharing Fälle verneint und den Rechtsstreit an das Wohnsitzgericht des Antragsgegners verwiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
„Das angerufene Gericht ist nicht örtlich zuständig gemäß § 32 ZPO.
Dass der Beklagte die unerlaubte Handlung in seinem Bezirk beging, ist nicht dargelegt.
Dass er bei seinem Handeln das Ziel verfolgte, dass eine von ihm im Netz zum Herunterladen zur Verfügung gestellte Datei auch hier herunter geladen wird, behauptet sie zwar, tritt hierfür, d.h. für die innere Tatsache der Zielrichtung, nicht Beweis an und will dies nach dem Eindruck des Gerichts auch nicht, sondern verlegt sich darauf, die Zielrichtung des Beklagten aus seinem Handeln abzuleiten.
Der von der Klägerin angetretene Beweis bezieht sich nur darauf, dass der Beklagte sich eine Kopierbörse mithilfe eines Programms azureus 4.2.0.2 zu Nutze machte. Das geschieht jedoch nicht bezüglich der Bestimmung, das heißt dem behaupteten Ziel, dass ein Herunterladen dann im Bezirk des angerufenen Gerichts erfolgt oder erfolgen kann.
Beide Tatsachen sind nicht identisch. Die erste ist in der Tat doppelt relevant und daher im Rahmen der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit als wahr zu unterstellen. Das gilt hingegen nicht für die zweite Tatsache, die behauptete Zielgerichtetheit des Handelns des Beklagten. Sie ist für die Begründetheit ohne Bedeutung. Für die Haftung des Beklagten dem Grunde und der Höhe nach ist es nicht entscheidend, ob er bei seiner Handlung das Ziel verfolgte, ein Herunterladen der Datei im Bezirk des angerufenen Gerichts zu ermöglichen.
Allerdings wäre dem Beklagten, hätte er die vorgeworfene Handlung begangen, wohl kaum unbekannt gewesen, dass die daraus folgende Herunterlademöglichkeit – auch – im Bezirk des angerufenen Gerichts bestehen würde. Das wäre dann von ihm auch billigend in Kauf genommen worden.
Ein solcher bedingter Vorsatz reicht aber nicht aus für die Annahme, dass die hiesige Herunterlademöglichkeit seiner Bestimmung entsprach. Erforderlich dafür ist vielmehr Absicht im engeren Sinne, d.h. es hätte ihm darauf ankommen müssen, dass hier herunter geladen werden kann.
Ein anderes Verständnis von dem, was bestimmungsgemäß ist, führt zu beziehungsarmen Gerichtsständen, die zu vermeiden sind, weil sie Sinn und Zweck von § 32 ZPO nicht gerecht werden (vgl. BGH MDR 2011,812; MDR 2010,744). Dieser geht dahin, dass das Gericht eine gewisse Sachnähe haben soll, etwa weil typischer Weise im gleichen Großraum Zeugen ansässig sind oder eine Ortsbesichtigung stattzufinden hat. Reicht es für die Bestimmungsgemäßheit dagegen aus, dass die Herunterlademöglichkeit lediglich billigend in Kauf genommen wird, besteht ein ubiquitärer Gerichtsstand, d.h. es können Gerichte angerufen werden, die keinerlei näheren Sachbezug haben als andere. Dieser ist abzulehnen (vgl. Zöller – Vollkommer, 29. Auflage, § 32 Rn. 17, Stichwort „Internetdelikte“ mwN).
Eine Zuständigkeit des Gerichts ist auch nicht gemäß § 39 S. 1 ZPO eingetreten. Dem steht S. 2 der Bestimmung entgegen. Das Gericht hat den Beklagten nicht gem. § 504 ZPO auf seine örtliche Unzuständigkeit und die Folgen eines rügelosen Verhandelns zur Sache hingewiesen, sondern lediglich die Klägerin, dass die örtliche Zuständigkeit fraglich ist.
Aus gegebenem Anlass sei auf Folgendes hingewiesen:
Das Gericht handelt mit der Verweisung nicht willkürlich, selbst wenn andere Gerichte – möglicherweise überwiegend, aber im Übrigen auch nicht ausschließlich (vgl. Amtsgericht Frankfurt/Main ZUM – RD 2012,565, ZUM – RD 2012,165; Landgericht Hamburg Beschluss vom 9.6.2012 – 303 O 197/10) – dies anders sehen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17. 9. 2012 – 32 SA 80/12; OLG München IBR 2012, 59).“