Wer sein Gebiss mittels Implantaten sanieren möchte, der muss dafür tief in die Tasche greifen. Deshalb ist es besonders ärgerlich, wenn der Zahnarzt pfuscht. In derartigen Fällen verliert der Zahnarzt dann aber auch seinen Honoraranspruch. Dies hat der BGH mit Urteil vom 13.09.2018 (III ZR 204/16) entschieden.
Zahnarzt verlangt 34.277,10 € für unbrauchbare Implantate
Im entschiedenen Rechtsstreit wollte die Beklagte ihr Gebiss mit Implantaten sanieren lassen. Zu der beabsichtigten prothetischen Versorgung kam es dann aber nicht mehr, weil die Beklagte das Vertrauen in den Zahnarzt verloren hatte und die Behandlung vorzeitig abbrach. Der Zahnarzt hatte seine Honoraransprüche an eine Verrechnungsstelle abgetreten, die für erbrachte Teilleistungen eine Rechnung über 34.277,10 € erstellte und, als die enttäuschte Patientin nicht zahlte, vor Gericht zog.
Die Beklagte hat sich dagegen darauf berufen, dass sämtliche Implantate unbrauchbar seien, weil sie nicht nur falsch positioniert, sondern auch nicht tief genug in den Kieferknochen eingebracht worden wären. Eine nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechende prophetischen Versorgung des Gebisses sei daher aufgrund der Fehler des Zahnarztes auch durch den nachbehandelnden Zahnarzt nicht mehr möglich. Es blieben nur noch „Notlösungen“, sodass sie nur zwischen „Pest und Cholera“ wählen könne.
BGH verneint Honoraranspruch des Zahnarztes
Während das Landgericht die Klage vollständig abgewiesen hatte, hat das OLG einen Honoraranspruch von 16.957,11 € für gerechtfertigt erachtet. Die dagegen gerichtete Revision zum BGH war erfolgreich.
Da ein eingeholtes Sachverständigengutachten den Sachvortrag der Beklagten zu den Behandlungsfehlern und den verbliebenen Optionen zur Nachbehandlung bestätigt hatte, haben die Richter einen Anspruch verneint, weil die vom Zahnarzt erbrachten Leistungen für die Beklagte insgesamt nutzlos waren, sodass nach § 628 Abs. 1 S. 2 Fall 2 BGB kein Honoraranspruch besteht.
Zwar handelt es sich bei dem Zahnarztvertrag um keinen Werkvertrag, sondern um einen Dienstvertrag über Dienste höherer Art, so das grundsätzlich kein Erfolg geschuldet ist. Der Zahnarzt verspricht nämlich regelmäßig nur eine den allgemeinen Grundsätzen der zahnärztlichen Wissenschaft entsprechende Behandlung, nicht aber ihr – immer auch von der körperlichen und seelischen Verfassung des Patienten abhängiges – Gelingen.
Da das Dienstvertragsrecht – im Gegensatz zum Werkvertragsrecht – keine Gewährleistungsregeln kennt, kann der Vergütungsanspruch bei einer unzureichenden oder pflichtwidrigen Leistung grundsätzlich nicht gekürzt werden oder entfallen. Liegt ein Behandlungsfehler vor, können sich allerdings Rechte und (Gegen-)Ansprüche des Patienten aus § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB beziehungsweise § 280 Abs. 1 BGB ergeben.
Soweit die Klägerin ein zahnärztliches Honorar für das Setzen von acht Implantaten begehrt, besteht gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB keine Vergütungspflicht, da der Zahnarzt durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten die Beklagte zur Kündigung des Behandlungsvertrags veranlasst hat und die erbrachten implantologischen Leistungen infolge der Kündigung für sie nutzlos sind.
Der Behandlungsvertrag konnte als Dienstvertrag über Dienste höherer Art gemäß § 627 BGB jederzeit ohne Gründe gekündigt werden. Indem die Beklagte die Behandlung wegen anhaltender Beschwerden abbrach und sich von einem anderen Zahnarzt weiterbehandeln ließ, hat sie den Behandlungsvertrag vorzeitig durch konkludente Kündigung beendet.
Das schuldhafte und nicht nur geringfügig vertragswidrige Verhalten des Zahnarztes ist darin zu sehen, dass er sämtliche Implantate unter Verletzung des geschuldeten Facharztstandards fehlerhaft positioniert hat. Die dem Streithelfer bei dem Setzen der Implantate unterlaufenen gravierenden Behandlungsfehler haben dazu geführt, dass die von ihm erbrachten implantologischen Leistungen für die Beklagte im Sinne von § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Interesse mehr haben. Eine Leistung ist für den Dienstberechtigten infolge der Kündigung ohne Interesse, wenn er sie nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann, sie also für ihn nutzlos geworden ist. Es genügt einerseits nicht, dass die Leistung objektiv wertlos ist, wenn der Dienstberechtigte sie gleichwohl nutzt, zum anderen aber auch nicht, dass der Dienstberechtigte sie nicht nutzt, obwohl er sie wirtschaftlich verwerten könnte.
Letzteres kommt beim Zahnarztvertrag dann in Betracht, wenn ein nachbehandelnder Zahnarzt auf Leistungen des Erstbehandlers aufbauen oder durch eine Nachbesserung des gefertigten Zahnersatzes Arbeit gegenüber einer Neuherstellung ersparen könnte. Allerdings lässt nicht jede technische Möglichkeit, auf der Leistung des Vorbehandlers in irgendeiner Weise aufzubauen, die Nutzlosigkeit entfallen. Vielmehr muss die Weiterverwendung der fehlerhaften Leistung für den Patienten auch zumutbar sein, was regelmäßig nur der Fall ist, wenn sie zu einer Lösung führt, die wenigstens im Wesentlichen mit den Regeln der zahnärztlichen Kunst vereinbar ist.
Gemessen an diesen Kriterien erweist sich die Würdigung des Berufungsgerichts, die weitere Verwendung der implantologischen Leistungen sei „jedenfalls eine Option“ als fehlerhaft. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Nachbehandler nur die Wahl zwischen „Pest und Cholera“, also zwischen zwei gleich großen Übeln.
Die eingesetzten Implantate sind objektiv und subjektiv völlig wertlos, da es keine der Beklagten zumutbare Behandlungsvariante gibt, die zu einem wenigstens im Wesentlichen den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechenden Zustand hinreichend sicher führen könnte. Bei Beibehaltung der fehlerhaft positionierten Implantate, deren Lage auch durch Nachbehandlungsmaßnahmen nicht zu korrigieren ist, besteht mittel- oder langfristig ein erhöhtes Verlustrisiko, weil es zu einer Periimplantitis (Entzündung des Implantatbettes mit Knochenabbau) kommen kann.
Es ist der Patientin daher auch nicht zuzumuten, zumindest einzelne Implantate weiterzuverwenden und das mit deren fehlerhafter Positionierung untrennbar verbundene erhöhte Entzündungsrisiko jahrelang hinzunehmen. Bei einer Entfernung der Implantate besteht hingegen das Risiko, dass ein neuer erheblicher Knochendefekt herbeigeführt wird und unsicher ist, ob das neue Implantat wieder ausreichend befestigt werden kann.
Soweit die Klägerin überdies für die nicht indizierte unnötige Versorgung mit Keramik-Inlays und die völlig unsachgemäße Anwendung eines Präparats zur Parodontosebehandlung ein Honorar beansprucht, muss die Beklagte keine Vergütung entrichten, weil ihr insoweit ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB zusteht, der auf Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet ist.
Ob die geplagte Patientin nun ihrerseits Schadenersatz und Schmerzensgeld geltend macht ist nicht bekannt.