Bietet ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine kostenlose Grippeschutzimpfung an, dann ist er weder verpflichtet die Arbeitnehmer über mögliche Nebenwirkungen der Grippeschutzimpfung aufzuklären noch haftet er dafür, wenn der behandelnde Arzt eine solche Aufklärung unterlassen hat, sodass er vom Arbeitnehmer nicht auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden kann (BAG, Urteil vom 21.12.2017 – 8 AZR 853/16).
Arbeitnehmerin verlangt vom Arbeitgeber mindestens 150.000 € Schadenersatz wegen behauptetem Impfschaden bei betrieblich bezahlter Grippeschutzimpfung
Undank ist der Welten Lohn möchte man sagen, wenn man sich den Sachverhalt näher ansieht, mit dem sich in dem vorgenannten Urteil das Bundesarbeitsgericht letztinstanzlich befassen musste. Im entschiedenen Rechtsstreit hatte der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine freiwillige kostenlose Grippeschutzimpfung, die von einer Betriebsärztin bei interessierten Arbeitnehmern vorgenommen worden war, angeboten. Die klagende Arbeitnehmerin, die ohne jeglichen Behandlungsfehler sich hat freiwillig auf Kosten des Arbeitgebers impfen lassen, kam dann anschließend nicht nur auf die Idee nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen, sondern den Arbeitgeber auf mindestens 150.000 € Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz aller weiteren Schäden zu verklagen, weil sie angeblich einen Impfschaden erlitten habe und vom Arbeitgeber darüber nicht aufgeklärt worden sei.
Zur Begründung führte sie aus, sie habe durch die Grippeschutzimpfung einen erheblichen Folgeschaden erlitten. Es sei bei ihr bereits wenige Stunden nach der Impfung zu starken Schmerzen mit erheblicher, andauernder Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule gekommen. Sie leide an einer akuten entzündlichen Erkrankung von Gehirn und Rückenmark, mit andauernden wiederkehrenden Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen, sodass sie fortan nicht mehr arbeitsfähig sei. Es handle sich dabei um typische Nebenwirkungen des verwendeten Impfstoffs, wie sie in dessen Beipackzettel beschrieben werden. Sie sei vor der Impfung nicht hinreichend darüber aufgeklärt worden. Im Falle einer solchen Aufklärung hätte sie von der Impfung Abstand genommen. Deshalb sei der Arbeitgeber zum Schadenersatz verpflichtet.
Kein Behandlungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Erstaunlich ist, dass der Rechtsstreit dann doch bis zum BAG hochgegangen ist, denn dort ist er mit der lapidaren Begründung abgewiesen worden, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kein Behandlungsvertrag besteht, aus dem sich für den Arbeitgeber die Pflicht ergeben hätte, die Arbeitnehmerin über mögliche Nebenwirkungen einer solchen Impfung aufzuklären. Im Übrigen müsse sich der Arbeitgeber auch einen etwaigen Verstoß der Ärztin gegen die Aufklärungspflicht, auch wenn diese von ihm bezahlt worden ist, nicht zurechnen lassen.
Der Laie staunt und der Fachmann wundert sich…
Erstaunlich ist auch, welche Rechtsstreitigkeiten von Rechtsschutzversicherungen (manchmal) finanziert werden, denn anders ist ein solches Verfahren bei den Streitwerten wohl kaum denkbar. Erstaunlich deshalb, weil nicht nur in der Juristenausbildung die Wunschvorstellung der Klägerin als unbeachtliche „Begehrensneurose“ eingestuft wird, so dass bereits auf den ersten Blick ersichtlich ist, dass die Vorstellungen der Arbeitnehmerin reine Wunschvorstellungen sind, die keine rechtliche Basis haben, sondern gerade in Arbeitsrechtssachen oft die Korrespondenz, die der Rechtsanwalt mit der Rechtsschutzversicherung führen muss, um am Ende diese dazu zu bewegen, die Verfahrenskosten zu übernehmen, fast aufwendiger ist, als der Arbeitsrechtsstreit selbst. Es ist nämlich keineswegs so, dass die Versicherungsbranche in Arbeitsrechtssachen großzügig Kosten übernimmt. Oft muss erbittert bis ins kleinste Detail um Kleinbeträge gestritten werden, deren Übernahme (meist) zu Unrecht abgelehnt wird.