Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Auch, wenn diese aus dem lateinischen stammende Volksweisheit eigentlich meint, dass niemand mit Sicherheit den Ausgang eines Rechtsstreits voraussagen kann, weil Gerichte, ähnlich wie die hohe See, unberechenbar sind, zeigt die nachfolgende Entscheidung, dass manchmal Gerichte auch dazu neigen Bürger mit Auflagen und Sanktionen zu gängeln, ohne dass dafür eine rechtliche Legitimation vorhanden wäre.
In dem vom OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 18.05.2016 (11 W 41/16 (Wx)) entschieden Rechtsstreit hatte das Nachlassgericht dem Sohn der Erblasserin, der deren testamentarischer Alleinerbe war, mit Verfügung vom 05.05.2015 gebeten, die Anschriften seiner Geschwister mitzuteilen. Als dieser darauf nicht reagiert hatte, erinnerte ihn das Nachlassgericht mit Schreiben vom 01.12.2015 nochmals an die Mitteilung und drohte gemäß § 35 FamFG die Verhängung eines Zwangsgeldes an. Da der Erbe auch hierauf nicht reagiert hat verhängte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 23. Februar 2016 gegen diesen gemäß § 35 FamFG ein Zwangsgeld in Höhe von 250 € und begründete dies mit der unterlassenen Adressmitteilung.
Gegen diesen Beschluss legte der Erbe „Widerspruch“ ein und entschuldigte die unterbliebene Antwort damit, dass seine Mutter und er schon seit über 20 Jahren keinen Kontakt mehr zu seinen Schwestern gehabt hätten. Er nannte dann zwei Adressen als Ergebnis seiner Recherche und bat das Zwangsgeld aufzuheben, was aber vom Nachlassgericht abgelehnt worden war.
Das OLG Karlsruhe, hatte dann aber doch einsehen und hob in der vorgenannten Entscheidung den fehlerhaften Beschluss auf.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Der Zwangsgeldbeschluss ist bereits deshalb aufzuheben, weil es an einer Rechtsgrundlage dafür fehlt, dem Beschwerdeführer die Adressermittlung weiterer Beteiligter in einer mit Zwangsmitteln durchsetzbaren Weise aufzugeben. Unzutreffend geht das Nachlassgericht davon aus, dass die von ihm erteilten Auflagen generell als mit Zwangsmitteln nach § 35 FamFG erzwingbar seien. Eine solche Sichtweise verkennt, dass § 35 FamFG dem Gericht nicht die unbeschränkte Befugnis einräumt, einem Beteiligten Verpflichtungen beliebigen Inhalts aufzuerlegen; vielmehr muss eine andere Vorschrift des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts dem Gericht die Befugnis zur Auferlegung der jeweiligen Verpflichtung geben. Dies bestätigt auch die Gesetzesbegründung des FGG-Reformgesetzes, die als Beispiele für mit Zwangsmitteln nach § 35 FamFG erzwingbaren Anordnungen nur solche aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigungen wie z.B. die Ablieferung von Testamenten nach § 358 FamFG oder die Zwangsberichtigung des Grundbuchs nach § 32 GBO nennt. Die Amtsermittlungspflicht des § 26 FamFG ist keine gesetzliche Ermächtigung im vorgenannten Sinn. § 26 FamFG statuiert die gesetzliche Verpflichtung des Gerichts, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen von Amts wegen festzustellen. Befugnisse des Gerichts dahingehend, einen Beteiligten zu Angaben zu zwingen, lassen sich hieraus nicht ableiten. Eine hinreichende gesetzliche Ermächtigung stellt auch nicht § 27 FamFG dar, wonach die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken haben. Diese Bestimmung begründet zwar Verfahrenspflichten, ist aber keine konkrete Ermächtigungsnorm, um eine nach § 35 FamFG erzwingbare Verpflichtungsanordnung zu erlassen.“
Anmerkung:
Der Fall zeigt, dass manche Gerichte völlig „schmerzfrei“ sind und regelrecht aus dem Bauch heraus Entscheidungen treffen, die keine Stütze im Gesetz haben. Während der Betroffene nicht nur den Ärger, die Unsicherheit und damit verbundene Kosten hat, bleibt der gegen für Gerichte ein solches Verhalten meist sanktionslos. Verfahren gegen Richter wegen Rechtsbeugung werden nämlich nur selten eingeleitet.
Wir hatten letztes Jahr einen nicht minder kuriosen Fall vor dem Landgericht Ingolstadt erlebt. Das Gericht hatte dort das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet. Obwohl seitens der beklagten Partei neben der Verteidigungsanzeige noch keine Klageerwiderung im Urkundenverfahren eingereicht worden war, so das damit zu rechnen war, dass diese entweder nicht erscheint oder etwaiges Vorbringen verspätet und damit präkludiert ist und deshalb ohnehin zu Gunsten unseres Mandanten entschieden werden muss und wir eine in diesen Fällen erforderliche Vollmacht nach § 141 Abs. 3 ZPO vorgelegt hatten, die die Partei vom persönlichen Erscheinen entbindet, und der erschienene Beklagte dann auch ein Anerkenntnis unter Vorbehalt erklärt hatte, hatte der Richter gleichwohl wegen Nichterscheinens der Klagepartei ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € verhängt, unsere dagegen gerichtete Beschwerde nicht bearbeitet und gleichzeitig die zwangsweise Beitreibung der Forderung in Auftrag gegeben. Mündlich hatte der Richter seine Entscheidung damit begründet, dass dann, wenn die Partei erschienen wär, es ihm auch möglich gewesen wäre, diese zu einem Vergleichschlusses zu bewegen und damit den Rechtsstreit endgültig zu beenden, was ihm nun unmöglich gemacht worden sei. Deshalb erachte er die Festsetzung eines Zwangsgeldes für angemessen, weil seine Anordnung und damit seine Autorität missachtet worden sei. Die Entscheidung war so fehlerhaft, dass dies auf den ersten Blick bereits erkennbar war. Da der störrische Richter kurz vor seiner Pensionierung stand, hat sich der Fall dann dadurch in Wohlgefallen aufgelöst, dass sein Rechtsnachfolger unverzüglich nach Amtsübernahme über unsere Beschwerde entschieden und die fehlerhaften Entscheidung wieder aufgehoben hat. Beide Fälle machen deutlich, dass es zwar für den Bürger extrem ärgerlich ist, mit solcher Ignoranz und Inkompetenz konfrontiert zu werden, das aber derjenige der nicht kämpft und solches Fehlverhalten akzeptiert auch schon verloren hat.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.