Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist ein essenzieller Bestandteil des deutschen Arbeitsrechts und im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt. Grundsätzlich steht Arbeitnehmern, die ohne eigenes Verschulden arbeitsunfähig werden, eine Fortzahlung ihres Gehalts durch den Arbeitgeber zu. Doch was passiert, wenn gleichzeitig ein Beschäftigungsverbot vorliegt, wie es im Zuge der Corona-Pandemie häufig der Fall war? Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. September 2024 (Az. 5 AZR 241/23) wurde erneut verdeutlicht, dass die Frage der „Monokausalität“ entscheidend ist.
Hintergrund des Falls
Im verhandelten Fall weigerte sich eine Krankenschwester, die Corona-Schutzimpfung durchzuführen. Die gesetzlichen Bestimmungen der damaligen Zeit machten jedoch den Nachweis einer Impfung oder Genesung zur Voraussetzung, um in Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen zu arbeiten. Die örtlichen Gesundheitsbehörden verhängten daher ein Beschäftigungsverbot für die Arbeitnehmerin, da sie diese Voraussetzung nicht erfüllte.
Am selben Tag, an dem das Beschäftigungsverbot in Kraft trat, erkrankte die Krankenschwester und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vor. Sie verlangte vom Arbeitgeber weiterhin die Fortzahlung ihres Entgelts im Krankheitsfall gemäß § 3 EFZG. Der Arbeitgeber verweigerte dies jedoch, mit der Begründung, dass die Arbeitnehmerin ohnehin nicht hätte arbeiten dürfen, da das behördlich verhängte Beschäftigungsverbot unabhängig von der Erkrankung wirksam war.
Die Entscheidung des BAG
Das BAG bestätigte in seinem Urteil die Auffassung des Arbeitgebers. Das Gericht führte aus, dass die sogenannte „Monokausalität“ für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entscheidend ist. Das bedeutet, dass die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sein muss.
Im vorliegenden Fall lag jedoch gleichzeitig ein Beschäftigungsverbot vor. Das Gericht entschied, dass die Krankenschwester auch ohne ihre Erkrankung nicht hätte arbeiten dürfen, da sie gegen die damaligen Infektionsschutzbestimmungen verstieß. Diese parallele Ursache, das behördlich verhängte Beschäftigungsverbot, verhinderte daher den Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nur dann, wenn der Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte.
Monokausalität im Arbeitsrecht
Der Grundsatz der Monokausalität wurde bereits in früheren Entscheidungen des BAG festgelegt, wie beispielsweise im Urteil vom 24. März 2004 (Az. 5 AZR 355/03) und erneut im Urteil vom 20. März 2024 (Az. 5 AZR 234/23). Das Gericht stellte dabei klar, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur dann besteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit die einzige Ursache für die Verhinderung der Arbeitsleistung ist. Liegt eine weitere Ursache vor, die unabhängig von der Erkrankung das Arbeiten unmöglich macht, entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Beispiele für den Ausschluss der Entgeltfortzahlung
Der Fall der Krankenschwester ist nur ein Beispiel, wie der Grundsatz der Monokausalität zur Anwendung kommt. Es gibt auch andere Szenarien, in denen Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben:
Fehlende gesetzliche oder arbeitsschutzrechtliche Voraussetzungen: Wenn ein Arbeitnehmer aufgrund fehlender vorgeschriebener Eignungsuntersuchungen nicht arbeiten darf, entfällt der Entgeltfortzahlungsanspruch, auch wenn eine Krankheit vorliegt.
Wegfall einer Berechtigung: Hat ein Berufskraftfahrer beispielsweise seinen Führerschein verloren und ist daher nicht in der Lage zu arbeiten, so kann eine spätere Erkrankung keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung begründen.
Unberechtigte Arbeitsverweigerung: Wenn ein Arbeitnehmer sich weigert, die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen, verliert er ebenfalls den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Fazit
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18. September 2024 bestätigt erneut die Bedeutung der Monokausalität im Arbeitsrecht. Arbeitnehmer haben nur dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wenn die Arbeitsunfähigkeit die einzige Ursache für das Ausbleiben der Arbeitsleistung ist. Liegt eine weitere Ursache vor, wie zum Beispiel ein behördlich verhängtes Beschäftigungsverbot, entfällt der Anspruch. Arbeitgeber sollten sich dieser Regelung bewusst sein und sorgfältig prüfen, ob zusätzliche Ursachen für den Arbeitsausfall vorliegen. Arbeitnehmer hingegen sollten darauf achten, dass sie alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, um Missverständnisse und den Verlust von Ansprüchen zu vermeiden.
Auf die Frage, ob ein Beschäftigungsverbot im Gesundheitswesen für Ungeimpfte überhaupt gerechtfertigt war, woran in der Rückschau erhebliche Zweifel bestehen, war für den entschiedenen Rechtsstreit ohne Belang.