Wo Licht ist, ist auch Schatten. Als vor einigen Jahren das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eingeführt wurde, wollte der Gesetzgeber damit erreichen, dass niemand bei der Arbeitssuche beispielsweise wegen seines Geschlechts, seines Alters, seiner Herkunft etc. diskriminiert wird. Verstöße sind mit Entschädigungszahlungen und Schadenersatz durch den Arbeitgeber sanktioniert. Findige Geschäftemacher haben aber sehr schnell gemerkt, dass sich mit dem Gesetz, oft unterstützt von überlasteten oder arbeitsunwilligen Arbeitsrichtern, schnelles Geld verdienen lässt.
So gibt es zwischenzeitlich eine ganze „Branche“, die darauf spezialisiert ist, Stellenanzeigen nach vermeintlichen Verstößen zu durchforsten, sich dann zum Schein auf diese Stellenanzeige zu bewerben, um anschließend von dem potentiellen Arbeitgeber eine Zahlung zu „erpressen“. Wer nicht freiwillig bezahlt, wird meist beim Arbeitsgericht auf Entschädigung und Schadenersatz verklagt. Da Arbeitsgerichte stets überlastet sind und Arbeitsrichter deshalb am liebsten Rechtsstreitigkeiten durch Vergleich beenden, werden dann oft Arbeitgeber zu vergleichsweisen Zahlungen mit Hilfe des Gerichts „überredet“.
Wir selbst vertreten derzeit vor dem Arbeitsgericht München einen Versicherungsvertreter, der über eine Kleinanzeige in einem Anzeigenblatt eine „Telefonistin auf 400 € Basis“ gesucht hatte. Ein ehemaliger Bankangestellter fühlte sich durch diese Anzeige, auf die er sich dann auch beworben hatte „diskriminiert“, weil ihn der potentielle Arbeitgeber zunächst zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, sich dann aber entschlossen hatte, die Stelle überhaupt nicht zu besetzen und dem Bewerber deshalb abgesagt hat.
Klageweise wurden 1600 € geltend gemacht. Bereits außergerichtlich hat der Bewerber seine Forderung auf 400 € reduziert. Obwohl wir im Gütetermin aufzeigen konnten, dass der Bewerber bereits mindestens 20 ähnliche Verfahren geführt hat und nicht einmal über eine richtige Wohnanschrift im Bereich des Arbeitsgerichts München verfügt, hat das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber zu einer Zahlung geraten und einen Betrag von 299 € vorgeschlagen.
Da es sich hier um Bagatellbeträge handelt, bei denen sich ein Rechtsstreit nicht lohnt, wird ein wirtschaftlich denkender Arbeitgeber anstatt einen langwierigen Rechtsstreit zu führen regelmäßig in den sauren Apfel beißen und bezahlen.
Weniger Glück dagegen hatte ein 59 Jahre alter, promovierter Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei, der sich auf eine Stellenanzeige für einen Juristen mit 1 bis 3 Jahre Berufserfahrung beworben hatte und, als seine Bewerbung unberücksichtigt geblieben ist, dafür 60.000 € Entschädigung haben wollte. Das mit der Angelegenheit befasste LAG Berlin-Brandenburg hat in seinem Urteil vom 31.10.2013 (21 Sa 1380/13) die Klage abgewiesen, weil es dem Kläger bei seiner Bewerbung ausschließlich darum gegangen sei, eine Abfindung zu erhalten.
Das Gericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass sich der Kläger zuvor unabhängig vom Rechtsgebiet, der Kanzlei oder dem Einsatzort vielfach auf Stellenanzeigen für Berufseinsteiger beworben und im Fall der Ablehnung eine Entschädigung von 60.000 € gefordert habe. Er habe zudem die Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle nicht erfüllt und sich mit einem kaum aussagekräftigen Bewerbungsschreiben um die Stelle beworben. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände müsse festgestellt werden, so die Richter, dass der Kläger nicht ernsthaft an der Stelle interessiert gewesen sei; sein Entschädigungsverlangen sei deshalb rechtsmissbräuchlich.