Der Energieausweis ist ein wichtiges Dokument, das Käufer oder Mieter bei der Entscheidung für eine Immobilie unterstützt. Doch was passiert, wenn sich die Angaben im Energieausweis als falsch herausstellen? Dieser Artikel untersucht die rechtliche Situation anhand eines praktischen Beispiels, der gerade auf dem Schreibtisch des Verfassers gelandet ist, und zeigt, ob Ansprüche gegen den Veräußerer, den Ersteller des Energieausweises oder den Vermieter bestehen können.
Der Fall: Falsche Angaben im Energieausweis beim Immobilienkauf
Hans Huber (Name geändert) hat sich im Sommer 2023 den Traum von der eigenen Immobilie erfüllt und ein gebrauchtes Einfamilienhaus erworben. Im Kaufvertrag ist, wie beim Erwerb gebrauchter Immobilien üblich, geregelt, dass die Gewährleistung ausgeschlossen ist. Außerdem wird festgehalten, dass ihm ein Energieausweis übergeben wurde. Nähere Angaben dazu enthält der notarielle Kaufvertrag nicht. Der übergebene Ausweis gibt den Energiebedarf des Gebäudes mit 89,1 kWh/m²a an, was auf eine gute energetische Qualität hinweist.
Bereits nach dem ersten Winter ist der stolze Eigenheimbesitzer überrascht, dass trotz der guten Werte im Energieausweis der Energiebedarf recht hoch ist, er also jede Menge Gas verfeuern muss, um das Haus für sich und seine Familie warm zu bekommen. Er lässt sich deshalb im Frühjahr einen Sanierungsfahrplans erstellen, um das Energiesparpotenzial seines Hauses besser einschätzen zu können. Auch würde er gerne die bestehende Heizanlage durch eine Wärmepumpe ersetzen. So hofft er künftig die Heizkosten moderat zu halten.
Er traut seinen Augen nicht, als ihm der Energieberater den Sanierungsfahrplan vorlegt, denn danach beträgt der tatsächliche Energiebedarf 415,1 kWh/m²a liegt – mehr als das Vierfache des angegebenen Wertes. Dies bedeutet, dass die Kosten für eine energetische Sanierung um ein Vielfaches höher liegen, als dann, wenn die Angaben im Energieausweis richtig gewesen werden. Hans Huber fühlt sich getäuscht und überlegt, ob er deswegen Schadensersatzansprüche gegen den Verkäufer und/oder den Ersteller des Energieausweises geltend machen kann.
Ansprüche gegen den Verkäufer
1. Sachmängelhaftung (§ 434 BGB)
Ein Sachmangel liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Immobilie von der vereinbarten oder üblichen Beschaffenheit abweicht. Im beschriebenen Fall wurde im Kaufvertrag lediglich die Übergabe des Energieausweises geregelt, ohne die dortigen Angaben als Beschaffenheit der Immobilie zu vereinbaren.
Fehlende Vereinbarung: Da keine Zusicherung der energetischen Qualität getroffen wurde, scheidet ein Anspruch aus § 434 BGB aus.
Haftungsausschluss: Ein wirksam vereinbarter Haftungsausschluss schützt den Verkäufer vor Mängelansprüchen, es sei denn, er hat den Mangel arglistig verschwiegen (§ 444 BGB).
2. Arglistige Täuschung (§ 123 BGB)
Der Haftungsausschluss greift nicht, wenn der Verkäufer den Käufer arglistig getäuscht hat. Eine Arglist liegt vor, wenn der Verkäufer von den tatsächlichen energetischen Mängeln wusste oder hätte wissen müssen und diese verschwiegen hat. Hinweise auf Arglist könnten sein:
- Der Verkäufer kannte hohe Heizkosten oder hatte Zugang zu Gutachten, die eine schlechte energetische Qualität offenbarten.
- Die Werte im Energieausweis sind offensichtlich fehlerhaft oder unrealistisch.
3. Fazit zur Verkäuferhaftung
Ohne nachweisbare Arglist besteht bei falschen Angaben im Energieausweis in der Regel keine Haftung des Verkäufers. Der Käufer müsste im Streitfall die Arglist beweisen, was oft schwierig ist.
Ansprüche gegen den Ersteller des Energieausweises
1. Vertragliche Haftung
Der Energieausweis wird meist vom Verkäufer beauftragt. Der Käufer steht in keinem direkten Vertragsverhältnis zum Ersteller. Eine Haftung könnte sich dennoch aus einem sogenannten Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ergeben, wenn:
- Der Energieausweis erkennbar zur Vorlage an den Käufer erstellt wurde.
- Der Käufer durch die fehlerhaften Angaben geschädigt wurde.
Die Rechtsprechung sieht diese Schutzwirkung jedoch kritisch. So hat das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil vom 04.08.2016, Az.: 1 U 136/16) entschieden, dass ein Käufer keinen Anspruch gegen den Aussteller hat, wenn die Haftung des Verkäufers ausgeschlossen wurde.
2. Deliktische Haftung (§ 823 BGB)
Eine deliktische Haftung des Erstellers könnte in Betracht kommen, wenn er grob fahrlässig gehandelt hat, etwa durch die Verwendung falscher Daten oder fehlerhafter Berechnungen. Allerdings müsste der Käufer auch hier den Schaden und das Verschulden des Erstellers nachweisen.
3. Fazit zur Erstellerhaftung
Die Haftung des Erstellers ist stark eingeschränkt und wird von der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen anerkannt. Ohne grobe Fahrlässigkeit des Erstellers bestehen kaum Erfolgsaussichten.
Wie verhält es sich bei Mietverhältnissen?
Auch Mieter können durch falsche Angaben im Energieausweis benachteiligt werden, insbesondere wenn sie höhere Heizkosten tragen müssen als erwartet. Welche Rechte stehen ihnen zu?
1. Ansprüche gegen den Vermieter
Der Vermieter ist verpflichtet, dem Mieter bei der Neuvermietung einen Energieausweis vorzulegen (§ 80 Abs. 2 GEG). Falsche Angaben im Ausweis können unter Umständen einen Mangel der Mietsache darstellen (§ 536 BGB), wenn der Mieter nachweisen kann, dass er die Wohnung gerade wegen der angegebenen Werte angemietet hat.
Mängelrechte: Der Mieter könnte eine Mietminderung geltend machen, wenn die tatsächlichen Heizkosten erheblich höher ausfallen als die prognostizierten Werte im Energieausweis.
Kein Verschulden des Vermieters: Der Vermieter haftet jedoch nicht, wenn er die falschen Angaben gutgläubig weitergegeben hat.
2. Ansprüche gegen den Ersteller
Wie beim Immobilienkauf bestehen auch hier hohe Hürden für Ansprüche gegen den Ersteller des Energieausweises. Ohne ein direktes Vertragsverhältnis oder grobe Fahrlässigkeit wird die Haftung des Erstellers oft verneint.
Fazit
Falsche Angaben im Energieausweis führen nicht automatisch zu einer Haftung des Verkäufers, Vermieters oder Erstellers.
Beim Immobilienkauf ist eine Haftung des Verkäufers meist nur bei Arglist möglich, während Ansprüche gegen den Ersteller an hohen Nachweishürden scheitern.
Bei Mietverträgen kann der Mieter unter Umständen eine Mietminderung verlangen, wenn die tatsächlichen Heizkosten erheblich von den Angaben im Energieausweis abweichen.
In beiden Fällen ist eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls erforderlich. Wer sich auf die Werte im Energieausweis verlässt, sollte die tatsächliche energetische Beschaffenheit der Immobilie zusätzlich prüfen, um spätere Enttäuschungen zu vermeiden. Wer sicherstellen möchte, nicht ähnlich unangenehm überrascht zu werden, wie hier unsere Käufer, der sollte darauf bestehen, dass die Angaben aus dem Energieausweis zum Gegenstand des notariellen Kaufvertrags gemacht werden.
Wenn man bedenkt, dass die Deutsche Umwelthilfe e.V. ein lukratives Geschäftsmodell dadurch betreibt, dass sie bundesweit Immobilienmakler, die Immobilienanzeigen keine oder nicht genügende Angaben zum Energieausweis machen, kostenpflichtig abgemahnt und sich hohe Vertragsstrafen versprechen lässt, und diese Vorgehensweise von der Rechtsprechung regelmäßig abgesegnet wird, dann lässt sich dies kaum damit vereinbaren, dass dann, wenn ein Energieausweis vorgelegt wird, die darin enthaltenen Angaben regelmäßig Schall und Rauch sind, weil, von Ausnahmefällen abgesehen, für die Richtigkeit nicht gehaftet wird. Der Laie staunt und der Fachmann wundert sich.