Die Patientenverfügung: nie war sie so wertvoll wie heute, denn heute hat der BGH das letzte Wort in einem Rechtsstreit gesprochen, den viele mit Spannung verfolgt haben. Die Richter mussten sich mit der Frage befassen, ob ein Arzt, der einen Schwerstkranken, bei dem keinerlei Aussicht auf Besserung bestand, mittels künstliche Ernährung noch mehr als 2 Jahre am Leben erhalten hat, für das unnötige Leid, das er dem Patienten damit auf seinem letzten Weg zufügt, den Angehörigen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld haftet. Im Ergebnis haben die Richter eine solche Haftung nun letztinstanzlich abgelehnt, nachdem zuvor das OLG München (Urteil vom 21. Dezember 2017 – 1 U 454/17 ) eine solche Haftung bejaht hatte.
Sohn verlangt Schadenersatz und Schmerzensgeld für unsinnige künstliche Ernährung seines schwerstkranken Vaters
Der klagende Sohn hatte geltend gemacht, bei seinem Vater, der an fortgeschrittener Demenz litt und bewegungs- und kommunikationsunfähig war, habe die künstliche Ernährung zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens des Patienten geführt. Der beklagte Arzt, ein Hausarzt, den Patienten hausärztlich betreut hat, sei daher verpflichtet gewesen, das Therapieziel dahingehend zu ändern, dass das Sterben des Patienten durch Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen zugelassen werde. So habe der Patient in der Zeit der künstlichen Ernährung noch durch Lungenentzündungen und eine Gallenblasenentzündung zusätzlich leiden müssen.
Auch leidvolles Leben ist kein Schaden
Während das Landgericht München I (Urteil vom 18. Januar 2017 – 9 O 5246/14 ) die Klage abgewiesen hatte, hatte das Oberlandesgericht München als Berufungsgericht dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € zugesprochen. Die Richter am OLG München hatten dabei die Auffassung vertreten, der beklagte Arzt sei im Rahmen seiner Aufklärungspflicht gehalten gewesen, mit dem Betreuer die Frage der Fortsetzung oder Beendigung der Sondenernährung eingehend zu erörtern, was er unterlassen habe. Die aus dieser Pflichtverletzung resultierende Lebens- und gleichzeitig Leidensverlängerung des Patienten stelle einen ersatzfähigen Schaden dar.
Die Richter am BGH sahen dies dann allerdings anders und haben das landgerichtliche Urteil wiederhergestellt. Sie haben dabei die Frage offen gelassen, ob eine Pflichtverletzung des Arztes vorgelegen hätte, sondern stattdessen das Vorliegen eines immateriellen Schadens verneint. Die Richter waren dabei der Meinung, dass das menschliche Leben ein höchstrangiges Rechtsgut sei, dass absolut erhalten würdig wäre. Das Urteil über seinen Wert würde daher keinem Dritten zustehen. Es würde sich deshalb verbieten selbst ein leidensbehaftetes Weiterleben als Schaden anzusehen. Weiter haben die Richter ausgeführt, dass selbst dann, wenn ein Patient sein Leben als lebensunwert empfinden mag, mit der Folge, dass lebenserhaltende Maßnahmen gegen seinen Willen zu unterbleiben hätten, würde es die Verfassungsordnung verbieten ein solches Urteil über das Leben eines Patienten als Schaden zu qualifizieren.
Die obersten Bundesrichter haben aber nicht nur den Anspruch auf Schmerzensgeld verneint, sondern auch Ersatzansprüche hinsichtlich der weiter angefallenen Behandlungs- und Pflegeaufwendungen abgelehnt. Die Richter haben dies damit begründet, dass der Schutzzweck von Aufklärungs- und Behandlungspflichten im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Maßnahmen nicht sei wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben verbunden sind zu verhindern. Insbesondere dienten diese Pflichten nicht dazu das Vermögen des Patienten nicht zu schmälern, sondern für die Erben zu erhalten.
Tipp: Nur eine Patientenverfügung kann Sie schützen
Wer mit Leben und Tod noch nie näher befasst war, also nicht den qualvollen Weg eines Sterbenden miterlebt hat, für den mag das Urteil des Gerichts in Ordnung sein. Für alle anderen die miterlebt haben, wie ein geliebter Mensch, jedenfalls dann, wenn er privat versichert ist, auf den letzten Metern seines Lebenswegs, in denen er auf eine multiples Organversagen wartet, um vom Leben in den Tod zu gleiten, noch abkassiert wird, ist das Urteil alles andere als befriedigend. Sagt es doch nichts anderes, dass all diejenigen, die keine (wirksame) Patientenverfügung haben, also für den Fall der Fälle aus Nachlässigkeit nicht vorgesorgt haben, nunmehr die Zeche dafür sowohl materiell als auch immateriell bezahlen müssen. Jedem Haustier wird ein solches Leid erspart. Der Mensch dagegen muss, um der Menschlichkeit willen, sein Leid klaglos ertragen.
Für alle, die nicht so wie der Patient im jetzt entschiedenen Rechtsstreit unnötig in einer Zeit, in der nicht mehr der Lage ist, seinen Willen frei zu artikulieren, leiden möchte, denen sei wärmstens ans Herz gelegt, dringend den letzten Willen im Rahmen einer Patientenverfügung niederzulegen, denn nur so kann derartiges Leid vermieden werden. Entgegen einer landläufig verbreiteten Meinung können nämlich weder Ehepartner noch Kinder oder sonstige Dritte in einer solchen Situation helfen, ohne nicht Gefahr zu laufen mit dem Strafrecht in Konflikt zu geraten.
Schützen Sie sich und Ihre Angehörigen. Machen Sie eine Patientenverfügung. Wir beraten und unterstützen Sie gerne.