Veräußerungsverluste aus Aktiengeschäften können mit Gewinnen verrechnet werden. Fällt ein Veräußerungsverlust an, dann wird dieser vom Finanzamt in einem Verlustfestsetzungsbescheid festgesetzt. Was aber ist, wenn der Aktionär später aufgrund eines zivilrechtlichen Klageverfahrens für den Kursverlust eine Entschädigung streitet? Hat dies Auswirkungen auf den Veräußerungsverlust? Nein, wie nun der BFH mit Urteil vom 04.10.2016 (IX R 8/15) entschieden hat.
Aktionäre erleiden aufgrund Kurseinbruch durch fehlerhaften Bestätigungsvermerk große Veräußerungsverluste
Im Urteilsfall hatten die Kläger in den Jahren 1999 bis 2002 Aktien einer Aktiengesellschaft (AG) erworben. Zuvor hatte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Jahresabschlüsse der AG geprüft und Bestätigungsvermerke erteilt. Aus der späteren Veräußerung der Aktien im Jahr 2002 entstanden den Klägern infolge eines Kurseinbruchs hohe Veräußerungsverluste, die das Finanzamt (FA) bestandskräftig steuerlich berücksichtigte.
Aktionäre erstreiten vor Zivilgericht Schadenersatz gegen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die fehlerhaften Bestätigungsvermerk erteilt hatte
Im Rahmen eines zivilgerichtlichen Klageverfahrens, in dem die Kläger die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wegen fehlerhafter Bestätigungsvermerke auf Schadensersatz in Anspruch nahmen, schlossen die Kläger mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Jahr 2007 einen Vergleich, der eine Zahlung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von 3.000.000 Euro beinhaltete.
Finanzamt ändert aufgrund der Schadenersatzzahlung den Verlust den Verlustfeststellungsbescheid
Diese Zahlung minderte nach der Auffassung des FA den aus der Veräußerung erlittenen Verlust. Daher änderte das FA den Verlustfeststellungsbescheid. Die hiergegen gerichtete Klage der Steuerpflichtigen hatte bereits vor dem Finanzgericht Erfolg. Der BFH hat die vorinstanzliche Entscheidung bestätigt.
Nach Auffassung der Richter führte die Schadensersatzzahlung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wegen des fehlerhaften Bestätigungsvermerks nicht zu einer rückwirkenden Minderung des im Jahr 2002 erlittenen Veräußerungsverlusts i. S. des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des Verlusts aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 EStG. Diese Leistung mindert beim Erwerber nicht die Anschaffungskosten der Anteile. Hat der Erwerber die Anteile bereits veräußert, erhöht die Zahlung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auch nicht den Veräußerungserlös.
Der Verlust i. S. des § 17 Abs. 1 EStG war im Veräußerungsjahr 2002 entstanden. Die erst nach vollzogener Veräußerung geleistete Schadensersatzzahlung war demgegenüber Gegenstand eines selbständigen Rechtsgeschäfts, das nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung stand, so dass die Zahlung nicht auf den Zeitpunkt der Verlustentstehung zurückwirkte. Ebenso wenig entfaltete die Schadensersatzzahlung, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aufgrund einer eigenständigen Rechtsgrundlage leistete, Rückwirkung auf einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.