Infiziert sich ein Arbeitnehmer mehrfach hintereinander mit dem Coronavirus (positive Testung), dann kann dies grds. gleichwohl keine personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Dies hat das Arbeitsgericht Stralsund in seinem Urteil vom 27.10. 2022 (11 CA 62/21) entschieden.
Drei Coronainfektionen innerhalb von 6 Wochen quittiert Arbeitgeber mit Kündigung
Der Kläger hatte sich zunächst mehrere Tage arbeitsunfähig krank gemeldet. Dann fiel er innerhalb von 6 Wochen erneut dreimal aus, weil jedes Mal positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Dem Arbeitgeber erschien dies zu viel, weswegen er prompt mit einer personenbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses reagiert hat. Zur Begründung hat ausgeführt, dass der Umstand, dass der Arbeitnehmer sich innerhalb von 6 Wochen dreimal infiziert hat, zu befürchten lasse, dass der Arbeitnehmer auch zukünftig immer wieder positiv getestet und hierdurch ausfallen werde.
Keine Prognose für weitere Infektionen
Beim Arbeitsgericht hatte die Kündigung keinen Bestand.
Die Richter führten aus, dass allein der Umstand, dass sich der Kläger innerhalb von 6 Wochen dreimal mit dem Coronavirus infiziert hat, keine Prognose dahingehend zulasse, dass der betroffene Arbeitnehmer auch zukünftig mit positiven Testungen zu rechnen habe.
Hinzu komme, dass der Arbeitgeber nicht dargetan habe, dass es zu unzumutbaren Belastungen für ihn durch ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis kommen würde.
Anmerkung:
Immer wiederkehrende häufige Kurzerkrankungen eines Arbeitnehmers sind für jeden Arbeitgeber ärgerlich. Während im Kleinbetrieb, also Betrieben mit unter 10 Mitarbeitern, eine Kündigung in solchen Fällen regelmäßig grds. möglich ist, ist dies im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nicht so ohne weiteres der Fall, weil die Hürden hier sehr hoch sind.
Hier muss der Arbeitgeber zunächst eine negative Prognose hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers nachweisen. Dafür ist erforderlich, dass nicht nur mehrere Kurzerkrankungen nacheinander erfolgen, sondern dass sich dies über einen längeren, meist mehrere Jahre, andauernden Zeitraum erstreckt. Der bisherige Krankheitsverlauf kann aber nur als Indiz herangezogen werden, weil Fehlzeiten in der Vergangenheit nicht zwingend den Schluss auf eine negative Prognose zu lassen. Ist beispielsweise zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Krankheit völlig ausgeheilt, scheitert eine Kündigung bereits daran.
Weitere Voraussetzung ist dann, dass das häufige Fehlen des Arbeitnehmers zu einer nicht mehr hinnehmbaren betrieblichen oder wirtschaftlichen Belastung des Betriebs des Arbeitgebers wird. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn außergewöhnlich hohe Lohnfortzahlungen geleistet werden müssen oder aber wenn durch die häufig auftretende Krankheit es zu erheblichen Störungen im Betriebsablauf kommt.
Auf der letzten Ebene muss dann im Rahmen einer Interessenabwägung geprüft werden, ob es dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar ist, die Beeinträchtigungen auch zukünftig hinzunehmen.
Bevor sich der Arbeitgeber zur Kündigung entscheiden kann, muss er zudem, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt als unfähig erkrankt war ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 167 Abs. 2 SGB IX vornehmen.
Fazit: Einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin personenbedingt zu kündigen ist für jeden Arbeitgeber ein langer und steiniger Weg. Deshalb muss der Leidensdruck sehr groß sein, um diesen zu beschreiten.